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Warum ein staatlicher Sozialismus wahrscheinlich nicht ökologisch wird …

Ökosozialismus wird häufig als mögliche Alternative zum weitgehend unmöglichen grünen Kapitalismus gesehen. Aber gerade weil der gleichen Widerspruch von Tauschwert und Gebrauchswert den Staatssozialismus durchzieht, und weil er wie der Kapitalismus eine Arbeitsvergesellschaftung darstellt, halten wir dies für sehr unwahrscheinlich. Drei Dynamiken seien kurz benannt: 

Arbeitslogische Objektfixierung und Resonanz

Es klingt etwas übertrieben, aber doch nicht ganz von der Hand zu weisen: Funktoniert die marktwirtschaftliche Sozialisation erzeugt sie unglückliche Subjekte, die ihr Glück im Kauf neuer Produkte vermutet. Das ist keine bösartige Manipulation, sondern normaler Sozialisationserfolg. Steigender (materieller) Konsum ist das große Versprechen der Moderne. Die Befriedigung produktiver und sinnlich-vitaler Bedürfnisse ist in einer Arbeitsgesellschaft notwendig eingeschränkt und beschädigt. Tätigkeit ist eher Disziplin als Freude. Vorsorge und Sicherheit an Leistung gekoppelt. Und so ist Konsum immer auch Ersatzbefriedigung. Nicht nur für die eingeschränkte (aber doch existierende) Entfaltung der produktiven Bedürfnisse, sondern auch für die Unsicherheit, den Karrierekampf, die Exklusionsdrohungen, die Traurigkeit, die Langeweile welche ein beschädigtes, unentfaltetes Leben bereithält.

Es ist unmöglich zu sagen, was Menschen wirklich glücklich macht. Aber wohl feststellbar: Anhäufen von riesigen Warenbergen ist doch ein sehr trauriges Leitbild für menschliches Leben. Gesellschaftliche Aufgehobenheit, sichere und wohltuende interpersonale Beziehungen, Ruhe, intakte Natur sind wahrscheinlich sogar beglückender. Der Soziologe Hartmut Rosa untersucht unsere Weltbeziehungen und stellt fest: „Resonanz ist das Versprechen der Moderne. Entfremdung aber ihre Realität.“ Dem Kapitalismus attestiert er eine „Resonanzkrise“, denn er verhindert strukturell durch sein Wachstumszwang und Beschleunigungsdruck Resonanz. Gleichzeitig verspricht er Resonanz als Ware verfügbar zu machen. Das Resonanzbegehren verwandelte sich in ein resonanzhemmendes Objektbegehren. Musik kann erlebt werden durch eine noch größere Stereoanlage, Faszination durch noch exotischere Reiseziele, und Lebendigkeit durch noch bessere Therapie und Erlebnispädagogik. Das moderne Subjekt möchte berührt werden, aber ist stumpf. Versprochen wird ihm die Aufhebung dieses Mangels durch Vergrößerung der Weltreichweite. Das Subjekt macht sich auf „Resonanzpotential wie Kapital zu akkumulieren“. Unberührt ziehen Touristenmassen durch wunderschöne Städte und Landschaften, sie fotografieren den Moment in der „Hoffnung, das nicht ausgeschöpfte Resonanzpotential des Augenblicks später einmal abzurufen“. Resonanz soll als Ware verfügbar und als Ressource instrumentalisierbar werden.

Auch wenn Beschleunigung und Wachstum im Staatssozialismus nicht ständig erzwungen wird, ist der Staatssozialismus ebenso eine Arbeitsgesellschaft, der sie Subjekte für ihre Zumutung entschädigen muss und dies geht am besten durch materiellen Konsum. Auch er sozialisiert die Menschen zur Konsumfixierung. Materieller Konsum ist von besonderem Vorteil, weil materielle Mittel bedeutend einfacher als Eigentum exklusiviert werden können. Ähnlich der Marktwirtschaft ist es der sozialistischen Regierung nahegelegt den Arbeiterinnen materiellen Konsum als Entschädigung schmackhaft zu machen. Und auch die sozialistischen Arbeitssubjekte werden das Angebot gerne annehmen. Diese Fixierung auf materiellen Konsum tritt jedoch in einen Widerspruch zur ökologischen Orientierung. Die sozialistischen Subjekte werden Regierende stützen, wählen, befürworten, welche ihnen höheren materiellen Konsum versprechen, auch auf Kosten der Umwelt. Das vielleicht nur ungern, aber es mag okay sein und schlussendlich bleibt ja noch immer die täuschende Verschränkung von Ökologie und Konsum: Green-Washing. 

Regierende lassen sich von Arbeiterinnen wählen indem sie steigenden Konsum plus Nachhaltigkeit versprechen. Obwohl sie wissen, dass sie die ökologische Orientierung für Konsumausweitung zurückschrauben. Naja, vielleicht wissen sie es nicht und täuschen sich selbst, auch heute sind die alltäglichen Verdrängungsleistungen und Ignoranz von Widersprüchen mehr als beeindruckend, ja eigentlich beunruhigend zu welcher Selbstillusion Menschen fähig sind. Auch der Staatssozialismus wird eine Politik des Green-Washings produzieren und die Menschen werden sie auch gerne glauben. Die Konsumfixierung der Regierung wird durch demokratische Strukturen tendenziell noch verstärkt, da dann die Regierung eher auf die arbeitsformierten Bedürfnisse der Menschen hört. So mag eine autoritärer Staatssozialismus sogar ökologischer sein und ein demokratischer Aufstand eine ökologische autoritäre Ordnung beenden. Gleichzeitig erlaubt ein starker Staat gerade die Zerstörung von dem lokalen und realen ökologischen Widerstand, jener Leute die real Betroffen sind oder es als reales Problem anerkennen: 

Ökologie und Demokratie

Die Klimagerechtigkeitsbewegung betont zurecht: „To trash the climate, you have to trash people“. Die Zerstörung der Umwelt bedeutet häufig auch die Zerstörung von menschlichen Lebensräumen. Pestizide vergiften Gewässer, das Artensterben zerstört ökologische Widerstandsfähigkeit und Resilienz. Deshalb widersetzen sich Menschen unmittelbar aus den eigenen Bedürfnissen heraus extraktivistische Zugriffe. Genau über diesen Widerstand kann der sozialistische Staat Kraft seiner Macht- und Ressourcenfülle relativ einfach hinweggehen. Er kontrolliert fast das gesamte Leben der Menschen, und wird diese Macht auch nutzen. Ist der Staatssozialismus nicht demokratisch, sondern wie so häufig und wahrscheinlich autoritär, stellt sich erst recht die Frage warum die Regierenden ökologisch handeln sollten. Wie heute der globale Norden, haben sie mehr Ressourcen und Reichtum zur Verfügung um den ökologischen Folgen zu entkommen und weiter ein Leben auf Kosten anderer zu führen. Werden dabei Landstriche unbewohnbar und sterben Menschen ist dies zwar ärgerlich, aber in der Gesamtkalkulation durchaus tragbar sein. Umweltbewegungen waren immer Bewegungen von unten, und dies hat gute Gründe. Gerade die enorme Konzentration von Macht erlaubt und sichert zerstörerische Strukturen. Herrschaft erlaubt Bedürfnisse zu ignorieren, auch ökologische.   

Sozialistische Externalisierungsdruck

Die Marktwirtschaft zwingt Unternehmen zur Externalisierung von Kosten. Aber jedwede Vergesellschaftung über Arbeit legt Betrieben Externalisierung nahe. In einer Arbeitsgesellschaft ist es subjektiv funktional den eigenen Aufwand, das eigene Leid zu minimieren, und viel gesellschaftliche Zuwendungen auf sie zu ziehen. Betrieben versuchen weniger zu leisten, aber viel zu bekommen. Dies ist keineswegs faul und falsch, sondern gut begründet: Menschen erledigen die Aufgaben primär nicht weil sie sie wichtig sind, sondern weil sie dazu erpresst werden. Ihren Input zu minimieren und trotzdem die Belohnung zu erhalten ist arbeitslogisch. Und dies gilt auch für Betriebe: Sie versuchen möglichst viel Zugriff auf gesellschaftlichen Reichtum zu erhalten und möglichst wenig dafür zu tun. Diese Logik legt aber Externalisierung nahe. Viel Aufwand (bspw. für Ökologie) verlangen und verrechnen, aber trotzdem die ökologischen Standards nicht einhalten. Die Standards können natürlich staatlich durchgesetzt, kontrolliert und erzwungen werden, aber die Betriebslogik steht dagegen. Das bereitet natürlich auch Korruption und andere Fälschungen Tür und Tor. Der Staat kann versuchen den Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Tauschwert zu bewegen, aber er kann ihn nicht aufheben.