Eine Idee für den Übergang
Während hier auf keimform seit Jahren Überlegungen zur postkapitalistischen Gesellschaft angestellt werden, ist ein Punkt eher selten diskutiert worden: wie genau der Übergang in eine solche Gesellschaft aussehen könnte. Zwar wurde mit Hilfe des Fünfschritt-Modells der Kritischen Psychologie der Systemwechsel in abstrakt-kategorialer Form beschrieben, es bleibt aber offen, welche konkreten Veränderungen dafür nötig sind (abgesehen von einem allgemeinen Anwachsen der Peer-Produktion).
Wie kommen wir also dorthin, wo wir hinwollen?
Hauptproblem bisheriger Utopien – wie etwa hier – ist häufig, dass sie eine Art ‚Minimalgröße‘ nichtkapitalistischer Produktion benötigen, um umgesetzt zu werden. Der Übergang scheint daher einen gesellschaftlichen Sprung zu erfordern, und so etwas kommt in der Geschichte kaum einmal vor. Selbst Revolutionen und Systemwechsel sind meist das Ergebnis langfristiger Prozesse und ändern weder die Institutionen noch die gesellschaftlichen Realitäten mit einem Schlag, sie sind eher äußerlich sichtbare „Umbruchs-Anzeigen“ für langfristige Prozesse.
Hindernisse für die materielle Peer-Produktion
Benötigt wird also ein allmählicher Ansatz, der sich nach und nach verbreitet, weil er sich auch unter den provisorischen Bedingungen des Übergangs noch als ausreichend attraktiv für die Menschen erweist. Ein revolutionärer Sprung darf ebenso wenig angenommen werden wie eine automatische Entwicklung.
Die Keimform-Theorie basiert auf der Annahme, dass eine materielle Produktion denkbar ist, die ähnlich den Prinzipien der Freien Software funktioniert. Ansätze dafür gibt es viele, etwa die Fabber-Community, Open Hardware-Projekte, Mesh-Netzwerke wie Freifunk, Hackerspaces, FabLabs, Solidarische Landwirtschaft (Solawi), die Solidarische Energieversorgung (SolE), das Mietshäusersyndikat, Community gardening und viele mehr. Doch bislang wirken diese Projekte noch recht isoliert und scheinen weit entfernt davon, der kapitalistischen Produktion das Wasser abzugraben (und sei es auch nur in eng umgrenzten Teilbereichen), während dies bei Software recht schnell ging. Möglicherweise gibt es Hindernisse, die ein simples ‚Übergreifen‘ der Peer-Prinzipien auf die materielle Produktion blockieren? Zwei Punkte werden immer wieder genannt:
- Für materielle Produktion werden Rohstoffe benötigt.
- Materielle Güter sind nicht unbeschränkt kopierbar (wir sehen hier vom Fabbing ab, da es eher unwahrscheinlich ist, dass damit in absehbarer Zeit die meisten Produkte in guter Qualität hergestellt werden können).
Wir nehmen an, dass ähnlich wie bei Freier Software Einzelprojekte mit jeweils einer Community von Beitragenden existieren, die sich eines bestimmten Produkts oder einer Produktgruppe annehmen. Diese funktionieren in mancher Hinsicht (etwa bezüglich ihrer internen Organisation) durchaus wie derzeitige Projekte innerhalb der Freien Software oder Freien Kultur, allerdings brauchen sie größere Mengen von Rohstoffen (vgl. 1. oben) und erzeugen nur eine begrenzte Anzahl von Produkten (vgl. 2. oben). Entscheidend ist daher, dass sie die Rohstoffe auf eine Weise bekommen, die sie nicht de facto kapitalistischen Zwängen unterwirft, und die Produkte auf eine Weise verteilt werden, die keine Marktlogik erzeugt. Häufig, aber nicht immer, werden dabei prioritär die eigenen Mitglieder berücksichtigt, wobei es verschiedene Modelle für die Verteilung gibt (als Beispiel kann man sich die „Bieterrunden“ der Solidarischen Landwirtschaft anschauen, vgl. auch hier).
Beide Punkte sind entscheidend, um die Keimform-Idee in die Realität umsetzen, also die Peer-Prinzipien in die materielle Produktion zu verallgemeinern. Für beides ist während des Übergangs noch keine Ideallösung möglich. Entscheidend ist daher, dass für Rohstoffversorgung ebenso wie Produktverteilung Lösungen gefunden werden, die nicht durch die Hintertür den Kapitalismus doch wieder einführen, und die hinreichend attraktiv für viele Menschen sind, um sich an der Peer-Ökonomie zu beteiligen oder sie zu fördern.
Peer-Netzwerke: der Puffer gegen den Kapitalismus
Materielle Peer-Projekte werden sich vermutlich meist auf ein bestimmtes Produkt oder eine kleine Produktgruppe konzentrieren. Sie funktionieren damit wie Freie Software-Projekte, nur mit dem Unterschied, dass ihre Ergebnisse nicht beliebig kopiert werden können. Daher muss eine andere Möglichkeit der Verteilung gefunden werden. Eine mögliche Lösung besteht in einer Netzwerk-Mitgliedschaft: Jedes Projekt ist in der Regel Mitglied in genau einem Netzwerk. Da es mehrere Netzwerke gibt, die in einer Region aktiv sind, kann die Netzwerk-Mitgliedschaft auch gewechselt werden.
Die Idee der Peer-Netzwerke ist (mit etwas anderer Ausgestaltung) schon diskutiert worden, es geht mir hier eher darum zu zeigen, wie sie für ein plausibles Übergangsszenario einsetzbar sind, das unmittelbar in die Tat umgesetzt werden kann. Bereits jetzt könnten sich zwei oder mehr Peer-Projekte zu einem Netzwerk zusammentun. Bei einer Netzwerkmitgliedschaft strebt ein Projekt an, alle Bedürfnisse nach seinem spezifischen Produkt innerhalb des Netzwerks zu erfüllen, und das Netzwerk stellt ihm dafür die erforderlichen Rohstoffe zur Verfügung. Sofern diese nicht durch rohstoffabbauende Projekte beschaffbar sind (was bei einigen Rohstoffen und auch bei Energie sicher rasch möglich wäre), müssen sie eingekauft werden (dazu unten mehr).
Die Mitgliedschaft in einem Netzwerk bedeutet für Projekte, dass (a) sie die erforderlichen Rohstoffe bekommen, um zu produzieren, und (b) die Mitglieder jedes Projekts prinzipiell Zugang zu einer „Produktrente“ in Form eines Anteils an den im Netzwerk produzierten materiellen Gütern erhalten. (Immaterielle Güter werden sowieso allgemein geteilt, dies gilt auch für Wissen, Entwurfspläne, Texte, wissenschaftliche Erkenntnisse usw., die ein materiell produzierendes Projekt ‚nebenher‘ abwirft.) Ein Kühlschrank-Projekt strebt also an, so viele Kühlschränke zu produzieren, wie von allen Mitgliedern der Projekte, die im Netzwerk organisiert sind, benötigt werden.
Je mehr Peer-Projekte in ein Netzwerk eintreten, desto größer wird der Anspruch an die einzelnen Projekte, daher wird man bei der Aufnahme von Projekten vorsichtig sein. Die Projekte müssen zunächst ihre „Produktion erweitern“ und allmählich professionalisieren, bevor sie immer mehr Bedürfnisse erfüllen können. Aber sie erhalten dazu auch den Spielraum, indem immer mehr Bedürfnisse der Projektmitglieder durch die Produktrente erfüllt werden, so dass sie immer weniger nebenher kapitalistisch arbeiten müssen.
Ein gradueller Übergang wird möglich
Wie bereits gesagt, besteht die Netzwerk-Idee wesentlich darin, dass sich nach und nach mehr Projekte zusammentun und gegenseitig versorgen. Je mehr Peer-Projekte in ein Netzwerk eintreten, desto größer wird der Anspruch an die einzelnen Projekte, aber desto größer auch der Anteil an den alltäglichen Bedürfnissen der Projekt-Mitglieder, die über das Netzwerk erfüllt werden. Damit entfällt der anfangs angesprochene Hindernisgrund, dass ein „Sprung“ für den Übergang nötig erscheint: Ein graduelles Wachstum der materiellen Peer-Produktion wird möglich.
Ein Problem ist allerdings, dass das Wachstum solcher Projekte ausgebremst wird, weil die Mitglieder nebenher lohnarbeiten müssen und sich dies als unrealistisch erweist, wenn ein Projekt gegebener Größe für ein wachsendes Netzwerk produzieren will. Eine denkbare Lösung für dieses Problem wäre, dass die Projektmitglieder für ihre Tätigkeit aus Abgaben aller Projektmitglieder bezahlt werden, so wie dies bei der Solidarischen Landwirtschaft der Fall ist. Dies ermöglicht ihnen, in Vollzeit für das Projekt zu arbeiten, aber macht ihre Tätigkeit solange nicht kapitalistisch, wie sie (a) bedürfnisorientiert für das Projektnetzwerk produzieren und (b) ihre Löhne nicht durch Konkurrenz beeinflusst, sondern aufgrund von Fairnessüberlegungen diskutiert und festgelegt werden.
Ein Kompromiss für den Übergang könnte sein, dass einige Vollzeit-Mitarbeiterinnen bezahlt werden, während eine viel größere Community von Mitgliedern existiert, die nur wenige Stunden wöchentlich für das Projekt tätig sind (und dafür aber immerhin mit der Produktrente aus dem Netzwerk belohnt werden). Vergleichbare Lösungen werden de facto auch bei vielen Projekten der Freien Software und Freien Kultur gewählt, da es oft nicht möglich ist, ganz auf hauptamtliche Mitarbeiter zu verzichten.
Obwohl die Doppelbelastung durch Lohnarbeit und Peer-Tätigkeit einzelne Projekte ausbremsen könnte, ist sie doch kein grundsätzlicher Hindernisgrund, denn auch im immateriellen Bereich ist das ja nicht anders, und hat das Wachstum dort bislang nicht ‚abgewürgt‘. Wer heute beginnt, sich in der Wikipedia, der Firefox-Community o.ä. zu engagieren, der erhält dafür nichts zurück und muss dies daher entweder nebenher erledigen, von anderen (etwa den Eltern) oder von Rücklagen leben. Beim hier vorgeschlagenen Modell würde die Tätigkeit in einem Projekt dagegen direkt durch Produkte (nicht nur des eigenen, sondern auch aller weiteren am Netzwerk teilnehmenden Projekte) belohnt. Außerdem könnte man sich um Lösungen bemühen, wie sie auch bei der Freien Software oder Freien Kultur gängig sind, etwa dass einzelne Fulltime-Positionen (oder eine geringe Entlohnung für alle) durch Spendengelder finanziert werden.
Wird der Kapitalismus damit wirklich überwunden? – Mögliche Einwände
Wir können jetzt überprüfen, ob die kritischen Punkte des Kapitalismus wirklich überwunden werden. (Vgl. hier und hier zu der Frage, welche Änderungen entscheidend für den Übergang zum Postkapitalismus sind; aus Platzgründen gehe ich hier nicht explizit auf die einzelnen dort erwähnten Punkte ein.)
- Steigerung der Produktivität:Durch das Eintreten immer neuer Projekte in ein Netzwerk entsteht der Druck, effizienter zu produzieren – führt dies nicht wieder zum Kapitalismus zurück? Nein, denn der kapitalistische Wachstumszwang ist grenzenlos, weil am Profit orientiert: Sobald ein Unternehmen wächst, müssen die anderen nachziehen oder verlieren Marktanteile. Im vorgeschlagenen Netzwerk-Modell müssen Peer-Projekte nur solange die Produktivität steigern, bis sie die Bedürfnisse aller Projektmitglieder erfüllt haben, und sie erhalten bei jeder Steigerung, die bei Aufnahme eines neuen Projekts in das Netzwerk nötig wird, außerdem etwas zurück, nämlich die Erfüllung eigener zusätzlicher Bedürfnisse. Es ist eine rein bedürfnisorientierte Produktion auf Gegenseitigkeit, Geld oder gar Profit bestimmen nicht über die Produktion.
- Konkurrenz:Ein Projekt wird Mitglied in einem Netzwerk, indem es sich um eine Mitgliedschaft bewirbt, und das Projekt prüft, ob es Bedarf und Interesse an den Produkten hat. Kann es dabei zu Konkurrenz zwischen Projekten kommen, etwa wenn ein weiteres Kühlschrank-produzierendes Projekt um Aufnahme bittet? In gewissen Grenzen ja, denn ein Netzwerk wird Interesse daran haben, dass die Bedürfnisse aller Mitglieder erfüllt werden. Ist dies eindeutig nicht der Fall, darf ein Projekt aus dem Netzwerk ausgeschlossen werden – etwa wenn es zu wenig oder (nach den jeweiligen Standards) eindeutig unzureichend produziert, z.B. unsichere oder Energie verschwendende Kühlschränke. Es muss dabei klare Bedingungen dafür geben, dass ein Projekt aus einem Netzwerk ausgeschlossen werden kann, um das Entstehen einer neuen Prekarität zu verhindern. Solange das Projekt die Bedürfnisse des Netzwerks erfüllt, darf es nicht gegen ein anderes ausgetauscht werden, nur weil dieses vielleicht attraktivere Kühlschränke baut – oder dies behauptet.
- Gefahr der Exklusion von Projekten:Entsteht damit aber nicht wieder Exklusion auf Projektebene, wenn etwa ein Kühlschrank-Projekt gerne bei einem lokalen Netzwerk mitmachen möchte, aber dieses bereits entsprechend versorgt ist? Um dies zu verhindern, sollte es ein „Recht auf Mitmachen für Projekte“ in einem Netzwerk geben, das nicht bedingungslos sein muss (so könnte etwa durchaus der Nachweis verlangt werden, dass man es mit dem Kühlschrankbau ernst meint, etwa in Form eines Prototyps). Sind die Bedingungen erfüllt, gibt es verschiedene Lösungen, etwa indem sich die beiden Projekte nun in die Versorgung des Netzwerks teilen, wobei sie sich zusammenschließen oder auch spezialisieren könnten (die einen bauen etwa die Kühltruhen, die anderen die normalen Kühlschränke).
- Gefahr der Exklusion von Individuen:Besteht nicht auch die Gefahr von Exklusion für die Individuen, die sich um Mitmachen bei einem Projekt bemühen? Grundsätzlich haben Projekte (ähnlich wie heute in der immateriellen Produktion) immer ein Interesse an Mitmachenden, und werden dafür keine besonders hohen Hürden stellen – im Gegensatz zu Unternehmen müssen sie diesen ja keinen Lohn zahlen, und die „Produktrente“ für die neu hinzugekommene Person wird vom Netzwerk insgesamt erbracht. Doch das garantiert noch nicht, dass niemand außen vor bleibt, weil kein Projekt ihre/seine Beiträge ausreichend zu schätzen weiß. Daher sollte es ein „Beitragsrecht“ geben: Jede_r kann sich an das Netzwerk wenden und Beiträge anbieten, wird dann vom Netzwerk aufgenommen und an ein geeignetes Projekt vermittelt. Daraus ergibt sich für Projekte die Pflicht, Menschen aufzunehmen, die ihnen vom Netzwerk vermittelt werden – wobei sie aber nicht verpflichtet sind, die Beiträge selbst zu akzeptieren, wenn sie mit diesen nicht zufrieden sind. Das entspricht den Prinzipien der jetzigen Peer-Produktion, wo ich zwar jederzeit das Recht habe, etwa die Wikipedia zu editieren oder eine neue Funktion für eine Freie Software zu programmieren, aber die Projekte sich vorbehalten, diese Beiträge anhand bestimmter Kriterien zu prüfen.
- Gefahr der Exklusion nicht-produzierender Individuen:Was ist aber mit Menschen, die (aus welchen Gründen auch immer) gar nichts beitragen? Hierfür muss ab einer gewissen Netzwerkgröße das „Recht auf Aufnahme“ auf Netzwerkebene etabliert werden. Es muss für alle Menschen gelten, denn es tritt langfristig an Stelle der derzeitigen sozialen Netze und ist daher überlebenswichtig. Es ist dabei durchaus denkbar, dass die Peer-Ökonomie das Recht auf Aufnahme nicht sofort in vollem Umfang umsetzen kann, solange sie im Vergleich zum Kapitalismus nur einen kleinen Teil der Produktion übernimmt. Diskutiert werden könnte etwa, ob die Peer-Ökonomie entsprechend ihrem Anteil am gesellschaftlichen Gesamtprodukt die Verantwortung für mehr und mehr Nicht-Beitragende übernimmt. Dabei sollte sie möglichst diejenigen zuerst aufnehmen, denen es im Kapitalismus besonders schlecht geht – etwa weil sie kein eigenes Vermögen besitzen und besonders geringe Sozialleistungen erhalten. Dies ist keine ideale Lösung; für andere Vorschläge bin ich sehr offen. Klar ist allerdings, dass mit den Peer-Prinzipien auch eine prinzipielle Orientierung (ein „Ethos“, wenn man so will) auf die Versorgung möglichst vieler Menschen einhergeht, dies ergibt sich schon aus der Bedürfnisorientierung der Peer-Produktion.
- Interface zum Kapitalismus:Die Netzwerke müssen vorläufig manche Rohstoffe einkaufen. Woher nehmen sie das Geld? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, von externen Spenden durch Unterstützer über den Einsatz von angespartem Vermögen der Mitglieder (die Netzwerkmitgliedschaft könnte z.B. mit einer Sondersteuer auf Vermögen belegt werden, etwa von 2 % pro Jahr, da man durch sie ja auch allmählich vom Kapitalismus unabhängig wird und das Geld weniger als Sicherheit benötigt) bis hin zum schlichten Verkauf eines Teils der Produkte. Führt letzteres aber nicht den Kapitalismus wieder ein? Ja, aber nur in einem jeweils unvermeidlichen Maß, und dieser Anteil verringert sich durch die Aufnahme weiterer Projekte und die zunehmende Entkapitalisierung der Gesellschaft immer weiter.
Fazit
Die Idee der Peer-Netzwerke bietet ein Szenario des Übergangs, das keinen Entwicklungssprung voraussetzt: Weder werden ganz entkapitalisierte Communities bereits als Ausgangspunkt benötigt, noch müssen gleich alle Produkte des täglichen Bedarfs nach Peer-Prinzipien hergestellt werden.
Zur Ausarbeitung ließe sich noch vieles sagen, aber es ging hier ja nur darum, eine konkrete Lösung für den Übergang vorzustellen und die Diskussion damit zu eröffnen. Kritik und Alternativvorschläge sind hoch willkommen!
Das blendet allerdings die notwendigen Frage nach der gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen Vernunft aus. Wenn man über Übergänge redet, sollten die Bedingungen Thema sein unter denen sich die Bedürfnisse nach bzw. die Fähigkeiten zur gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen Vernunft hinreichend entwickeln können.
Von der Nutzerseite bzw. deren Rationalität aus gedacht würden Leute dann wohl zu einem Netzwerk wechseln, das mit geringerem Aufwand brauchbarere und hübschere Kühlschänke produziert bzw. einen geringeren Aufwand hat, um die benötigten Rohstoffe nutzen zu können. Keine schönen Aussichten.
@Martin: Danke für deine Überlegungen! Ja, irgendwie so müsste es funktionieren können.
Ein Punkt, den ich hier noch vermisse: wie wird das mit dem Eigentum an Produktionsmitteln geregelt? Vorhandene Projekte wie das Mietshäusersyndikat setzen da auf ein explizites rechtlich abgesichertes Privatisierungsverbot: Die einmal freigekauften Häuser können aufgrund der gewählten rechtlichen Konstruktion niemals wieder auf dem Markt veräußert oder anderweitig verwertet werden. Bei dem im Aufbau befindlichen SolE-Projekt ist Ähnliches für die Energieerzeugungsanlagen vorgesehen.
Dieser Punkt schient mir essenziell, weil einerseits ein einzelnes Projekt in vielen Fällen nicht in der Lage sein dürfte, die Produktionsmittel aus eigenen Mitteln anzuschaffen, und weil weitere Netzwerkbeteiligte kaum bereit sein dürften, ihm bei der Finanzierung zu helfen, wenn sie fürchten müssten, dass das Projekt das Netzwerk später ggf. verlässt und die Produktionsmittel mitnimmt.
@HHH #1:
Warum glaubst du das?
Wenn du sagst „Weil die Menschen eben so sind“, würde das nur zeigen, dass du voll auf den kapitalistischen Trick reinfällst, den spezifisch kapitalistischen Homo oeconomicus zur allgemeinen menschlichen Natur anzudeuten.
Sagst du hingegen: „Weil die Menschen im Kapitalismus durch die gesellschaftlichen Zusammenhänge gezwungen werden, sich so zu verhalten“, kommst du der Wahrheit zwar sehr viel näher. Doch das Interessante ist ja, das die Logik der Peerkooperation diesen Zwang ein Stück weit aufhebt, auch wenn das in einem insgesamt weiter kapitalistischen Kontext natürlich nur ansatzweise möglich ist. Trotzdem ändert es schon eine ganze Menge.
So entfällt die Abkopplung der Produktions- von den Konsumtionszusammenhängen, die es den kapitalistischen Käufer_innen überhaupt erst ermöglicht, eventuelle menschliche und natürliche Schädigungen im Herstellungsprozess auszublenden. Und der durch menschen- und naturfreundlichere Produktionsprozesse entstehende Mehraufwand schlägt auch nicht unbedingt voll auf die einzelne Nutzer_in durch, weil die Kosten in kooperativen Aushandlungsprozesse wie Bieter_innenrunden aufgeteilt werden. Auch wer so wenig Geld hat, dass er sich normalerweise keinen „umweltfreundlichen“ Kühlschrank leisten könnte, kann durch die solidarische Aushandlungsstruktur mitgetragen werden.
Tatsächlich zeigt die Erfahrung bisheriger Projekte, dass das Marktparadigma „billiger ist besser, selbst wenn es eigentlich noch so schlecht/schädlich ist“ dort nicht zum Zug kommt. So praktizieren wohl nahezu alle, wenn nicht sogar alle Solawi-Projekte biologische Landwirtschaft (aus Kostengründen nicht unbedingt zertifiziert, aber de facto), was anderswo eine teurer Nischenmarkt ist.
Und beim im Aufbau befindlichen SolE-Projekt ist über vieles diskutiert wurden, nicht aber darüber, dass man ausschließlich erneuerbare Energiequellen verwenden will — das wurde und wird von allen Beteiligten immer als selbstverständliche Setzung betrachtet.
@HHH #1:
Nein, solche Fragen werden sicher auch in einer Peer-Gesellschaft diskutiert werden, denn jedes erfüllte Bedürfnis bedeutet ja produktiven Aufwand, Ressourcenverbrauch und Belastung der Umwelt. Ich schrieb ja von den „benötigten“ Kühlschränken, aber was benötigt ist, ist natürlich immer auch ein Stück weit Aushandlungssache. Es könnte durchaus sein, dass es Gemeinschaftshäuser gibt, wo man sich eine Küche mit großem Kühlschrank teilt (das funktioniert ja auch heute in WGs schon so). Aber die meisten Haushalte werden sicher einen Kühlschrank brauchen.
Die Grundidee der Peer-Produktion ist immer, alle Bedürfnisse zu erfüllen,
anstatt den Menschen zu erklären, dass sie gefälligst bescheiden leben sollen! Bedürfnisse können ja auch auf ökologisch akzeptable Weise erfüllt werden. Bei Kühlschränken ist z.B. der Stromverbrauch derzeit ökologisch belastend, aber mit dezentral produziertem Wind- und Sonnenstrom lässt sich das lösen. Ebenso wird eine Peer-Gesellschaft sicher dazu neigen, E-Bikes oder E-Autos zu produzieren, Car-sharing einzurichten usw. – statt den Menschen ihr Mobilitätsbedürfnis ausreden zu wollen.
Netzwerke verbinden Projekte, nicht Einzelpersonen. Im Regelfall bin ich Mitglied in einem Projekt, und kann nur mit diesem wechseln. Natürlich kann ich aus meinem Projekt rausgehen und versuchen, in einem entsprechenden Projekt des anderen Netzwerks unterzukommen, aber das wäre doch sehr mühselig nur für etwas schickere Kühlschränke. Außerdem wird wohl jedes Netzwerk Vor- und Nachteile haben.
Sollte ein Netzwerk natürlich nur Nachteile gegenüber anderen haben, dann wird es vielleicht immer mehr Mitglieder verlieren – eine Art von Konkurrenz, die es aber auch z.B. bei Freie-Software-Projekten gibt (man denke an Forks). Vermutlich würde sich das unattraktive Netzwerk dann irgendwann auflösen, und aufgrund der Aufnahmerechte würden dessen Projekte bzw. Individuen dann anderswo unterkommen.
@Christian #2:
Ich stimme dir zu, dass immer ein rechtliches Konstrukt gewählt werden muss, das Produktionsmittel vor der Privatisierung schützt. Ob das auf Netzwerk- oder Projektebene geschieht, ist erstmal zweitrangig. Ich stelle mir Projekte und Netzwerke als eine Zwei-Ebenen-Struktur vor, wobei Netzwerke die Funktionen der Vermittlung zwischen Projekten (produktiv sowie konsumptiv) übernehmen, aber auch die Abschottung nach außen gegenüber dem Kapitalismus. Manche Funktionen können prinzipiell auf beiden Ebenen gelöst werden, und ich sehe keinen Grund, da Einschränkungen vorzunehmen.
Sehr aufwendige Produktionsmittel (z.B. Fabriken im Hochtechnologie-Bereich) könnten Eigentum eines Netzwerks sein und den entsprechenden Projekten zur Verfügung gestellt werden. Sofern sie noch nicht in Peer-Produktion erzeugbar sind, werden sie durch den Verkauf eines Teils der im Netzwerk erzeugten Produkte oder z.B. eine Vermögensabgabe finanziert. Sofern die Produktionsmittel weniger aufwendig sind, könnte es dagegen üblich werden, dass die Projekte diese selbst herstellen oder anderweitig beschaffen.
Vielleicht handhaben das die Netzwerke auch unterschiedlich. Einige halten möglichst alle Produktionsmittel vor, stellen dafür aber höhere Ansprüche an die Projekte: Sie verlangen vielleicht, dass alle Projekte einige Stunden pro Woche und Person in der „Produktionsmittelabteilung“ mitarbeiten, oder dass sie 10 % Zusatzprodukte (über die Gesamtbedürfnisse der Netzwerkteilnehmer hinaus) abliefern, die dann für die Produktionsmittelbeschaffung verkauft werden. Im Gegenzug könnten die Projekte sofort loslegen, weil die Produktionsmittel schon da sind.
Andere Netzwerke könnten minimalistisch agieren und von Projekten (soweit möglich) erwarten, dass sie zunächst ihre Produktionsmittel in einer ersten Projektphase selbst herstellen, wobei sie die Projekte solange natürlich bereits versorgen müssen.
1. Ich meine: Sogar die Frage, wie das Fortschritts-ZIEL aussehen soll, ist in Wahrheit identisch mit der, wie ÜBERHAUPT aus den gegenwärtigen Verhältnissen heraus und über sie hinauszukommen ist – wenn man (als radikale Linke) sich nicht mit der alles zudeckenden Glaubensformel zufriedengibt, dass Kapitalismus das unbestimmt-universelle Hindernis für alles Erdenklich-Wünschbare ist, derart dass seine Wegräumung („Abschaffung“) per Revolution dies Erwünschte ganz von selbst eintreten lässt. Wie, wenn Kapitalismus hinderlich ist vor allem darin, dass er völlig ILLUSIONÄRE Lösungen verspricht für Probleme, die sich nach (auch bloss theoretisch antizipierendem, wie hier) Verzicht auf die Illusion den Ernüchterten historisch erstmals in ihrer ganzen Schärfe stellen, ohne dass DABEI auf „Keimformen“ zurückgegriffen werden könnte, etwa in Gestalt „entwickelter“ Produktivkräfte? Weil die eher Teil des Problems als der Lösung sind?
2. In Marx‘ jüngeren Jahren gab es, wie allgemein bekannt, eine („historisch-materialistische“) Hypothese hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Übergang – nämlich (nach meinem Verständnis) diese: Eine in den bestehenden Prod.verhältnissen nicht lösbare Prod.AUFGABE hebt sich (historisch wiederkehrend) immer mehr heraus – dass sie nicht gelöst ist, erweist sich als zunehmend drückende, „krisenhaft sich zuspitzende“ Epochenschranke.
Die Art der Voraussetzung läge demnach auf dem Gebiet der materiellen Produktion, und sie unterstellt: Auf diesem Gebiet ist etwas in katastrophaler Weise nicht bewältigt und unter den Bedingungen des alten Prod.verhältnisses auch nicht bewältigbar.
Im Gegensatz hierzu wird in traditionellen (auch hier bei keimform, soweit ich sehe, vertretenen) Auffassungen eines Übergangs eine andre Lesart derselben Marxschen Stellen zugrundegelegt: Materielle Möglichkeiten entwickeln sich durch die Geschichte hindurch unaufhaltsam weiter, dabei arbeiten sie mit verschiedenen Prod.verhältnissen zusammen, die dem jeweils erreichten Fortschritts-Niveau (worin es besteht, muss nicht angegeben werden) erst förderlich, dann immer hinderlicher gegenübertreten. Der materielle Fortschritt sprengt sich dann gewissermassen selber den Weg frei und erzwingt (naja, mehr oder weniger) den Übergang in eine ihm nützlichere Gesellschafts-Organsiation.
Der Unterschied dieser zweiten zur ersten Sichtweise ist: Der materielle Fortschritt ist hier schon absolviert, die Optionen müssen nur noch ergriffen werden (die Arbeiter gehen in die Chefetage und übernehmen den Laden).
Meiner Lesart der historisch-materialistischen Arbeitshypothese zufolge ist hingegen rein garnichts da, und muss erst mühsam entwickelt werden – während das Fehlen dieses Fortschritts sich allenthalben drückend und immer bedrückender bemerkbar macht. Dies Fehlen, dieser Mangel KANN aber bloss durch eine neue Prod.Organisation und Vergesellschaftung angegangen werden – nur, dass die Probleme aus der epochalen Zurückgebliebenheit der Umgebung zu den „Aufbau“-Problemen noch dazukommen. Man hat demnach zwei epochale Aufgaben zugleich (materiell UND sozial) statt bloss einer, und man muss sie lösen, während zugleich (und das ist durchaus als dritte Problem-Dimension anzusehen) der Druck und die Krise fortbestehen (@Martin oben: „die Abschottung nach außen gegenüber dem Kapitalismus“ – leichter gesagt als getan…)
Das ist also leider ein um Vielfaches schwierigeres Szenario.
((Allerdings begründet es vielleicht die vernünftige Erwartung, dass durch ihre allen andern weit überlegene Problembewältigungs-Fähigkeiten diese winzigen Bevölkerungsgruppen mit ihrer zwangfreien und doch maximalen internen Koordination ihre Lebensform allmählich allen andern um sie herum vermitteln können.))
3. Der Kapitalismus schafft gerade eben (und auf mörderisch kostspielige Weise) das, was ihm immer zugeschrieben wird: die Produktivkräfte zu entwickeln – einen Werkzeugkasten.
Die Prod.Aufgabe, die ich als dadurch ungelöst ansehe, besteht darin: den zweckdienlichen Gebrauch der vorhandenen Werkzeuge einzurichten (sie daraufhin auszuwählen oder, wahrscheinlich eher: allererst zu entwickeln und zu entwerfen): Eine (wie ich es nenne) Prod.Architektur. Über die Zwecke, denen sie dienen soll, muss dann allerdings Konsens herrschen. Anders, als es (auch hier wohl) oft unterstellt ist, bedeutet das: Die daran Beteiligten (oh, „die Netzwerke“ übernehmen das für sie? das erinnert mich an: „die Märkte“…) müssen sich verhalten ZUM GANZEN IHRER PRODUKTION (eben deren „Architektur“), zumindest zu deren Prinzipien (und zu den Grenzen, bis zu denen (Auf)TEILUNG der Ausführung („Arbeitsteilung“) nicht ausschliesst vom gemeinsamen Nachvollziehen, Begreifen, Beurteilenkönnen und TEILEN (gemeinsam haben) der Aufgaben und Lösungsansätze). Dabei stellt sich ihnen brennend die Frage nicht bloss der Wünschbarkeit, sondern der der kollektiven Steuerbarkeit der vergesellschafteten (Re)Produktion – im Kern, wie ich meine, ist das das Problem der kollektiven Wissensverarbeitung dh. des LERNENS AUF GESELLSCHAFTLICHER STUFENLEITER.
4. Mir selbst fallen, ganz allgemein, folgende drei grosse Gruppen von Zwecken ein, auf die die Einrichtung bzw der Aufbau einer Prod.Architektur als Ziel ausgerichtet sein muss bzw. zu deren Umsetzung man (ev. sukzessive) sich befähigen muss, nämlich sie muss sein
1. bedürfnisgerecht
2. ökologisch
3. die vielfältigen Gefälle zur historisch zurückgebliebenden Umgebung aufhebend, Ungleichzeitigkeiten beseitigend
Im Mass, wie sie diesen Zwecken gerecht wird, löst sie dann zugleich die oben genannten drei Probleme:
1′: das eigentumsfrei-kommunistische des Aufbaus einer zwang- und konfliktfreien Vergesellschaftung mit der Fähigkeit zum kollektiven Wissensverarbeiten (Lernen);
2′: das technologische einer nachhaltigen Produktionsweise;
3′: das politische der Gestaltung des Übergangs aus gesellschaftlichen Start-Bedingungen heraus, in denen sich grosse Bevölkerungsteile weltweit diesen Zwecken indifferent bis abweisend gegenüber verhalten.
((Meine (ziemlich steile) These dazu ist: Mit der Aufgabe der „Bedürfnis-Gerechtheit“ sind alle andern Problemstellungen automatisch mitgelöst – was zu beweisen wäre. Das @ HHH.))
5. Ich lese erst seit kurzem bei keimform, finde es aber ziemlich bemerkenswert, dass im Zusammenhang mit technischen Problemen (vgl. 2) die Nahrungsmittelproduktion einzig unter dem Titel ihrer „solidarischen“ Organisation zur Sprache kommt. Als hätten wir da nicht noch ganz andre Probleme: Nicht nur die konventionell-industrielle, auch die sogenannte biologische Landwirtschaft stossen (ablesbar an immer weiter steigender Kosten!) derzeit massiv an Grenzen, jenseits deren nicht etwa immerfort weitere alternative Konzepte bereitliegen, die bloss auf Verwirklichung warten, vielmehr herrscht da nach meinem derzeitigen Erkenntnisstand: RATLOSIGKEIT. Und… wenn die Probleme sich anfangen wechselseitig zu verstärken, wird diese Ratlosigkeit sich zur VERZWEIFLUNG steigern, weil weltweit und in allen Regionen Ernährungskrisen zu befürchten sind. Wenn das noch mit einem abnehmendem Energie-Angebot zusammentrifft – dann gilt es massive Existenzprobleme der Weltbevökerung technologisch anzugehen. Mit diesen wenigen Stichworten ist schon ein gewaltiger Bezirk völlig ungelöster „Produktions-architektonischer“ Aufgaben angesprochen…)
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Ich möchte kurz noch darauf hinweisen, dass über die Frage des Übergangs in den letzten zwei Jahren intensiv diskutiert wurde in mehreren threads des Marx-Forums, nämlich hier (siehe auch die dort verlinkten threads) und
hier.
@franziska:
Ich denke, man kann schon einiges über die gesellschaftliche Zielvorstellung sagen, ohne sich über den Weg dorthin wirklich im Klaren zu sein. (Und wer könnte letzteres schon ernsthaft von sich behaupten??) Damit hab ich mich z.B. in den Artikeln Was muss sich ändern, damit alles anders werden kann? und Vorüberlegungen zu einer künftigen Ethik sowie den Folgeartikeln beschäftigt.
Die kapitalistischen Produktivkräfte würde ich auch nicht als Keimformen ansehen, wohl aber gewisse soziale Praktiken und Formen der Zusammenarbeit, die heute existieren. Was genau Keimformen sind, darüber kann man streiten, aber eine gesellschaftliche Transformation ganz ohne Keimformen würde ich für illusorisch halten, weil es die Schaffung einer komplett neuen Vergesellschaftungsweise quasi handstreichartig „aus dem Nichts heraus“ erfordern würde. Das hat aber noch nie funktioniert und kann meiner Einschätzung nach auch gar nicht funktionieren.
Daran, dass die Produktivkraftentwicklung schon von sich aus zum Kommunismus treibt, glaube ich auch nicht (mehr), damit hab ich mich in Dank Produktivkraftentwicklung zur neuen Gesellschaft? kritisch auseinandergesetzt.
Derartige vulgärmarxistische Vorstellungen hat hier bei Keimform aber nie jemand vertreten.
Eine „konfliktfreie Vergesellschaftung“ halte ich nicht für möglich und auch nicht für wünschenswert. Konflikte wird es immer geben, die Herausforderung besteht darin, sie gesellschaftlich so aufzulösen, dass niemand auf der Strecke bleibt und alle mit der Lösung möglichst gut leben können.
Solche „Untergangsszenarien“ halte ich für sachlich falsch und inhaltlich kontraproduktiv, das ermuntert nur eine Haltung des „Augen zu und durch“ (also weiter wie bisher), weil das gegenüber der so als extrem schwierig dargestellten Alternative dann deutlich leichter erscheint. Mit dem erreichten technischen Niveau könnten — wenn der Laden vernünftig eingerichtet wäre — meines Wissens doppelt so viele Menschen ernährt werden, wie heute leben. Gewisse Verschlechterungen sind durch Klimawandel und andere kapitalismusgemachte Katastrophen zu erwarten, aber kein so drastischer Einbruch, dass wirklich Knappheit herrschen könnte — abgesehen eben von der gesellschaftlich hergestellten Knappheit, die der Markt erfordert.
Das ist leider zu lang und zu viel, als dass ich mich da wirklich reinfuchsen könnte. Vom ersten Überfliegen scheinen mir die Ansätze aber eher in Richtung einer gesamtwirtschaftlichen (Zentral-)Planung zu gehen. Das halte ich nicht für realistisch, dezentral-stigmergische Lösungen funktionieren besser.
Danke, Christian, für dein Eingehen auf meinen Text.
Als erstes und wichtigstes fällt mir an deiner Entgegnung auf, dass die Hauptpointe meines Gedankengangs dir so abseitig erscheinen muss, dass du sie einfach in deinen Antworten beiseitelässt, ich bilde das mal kontrastiv auf zwei deiner Antworten ab:
ICH würde nämlich sagen, entsprechend meinen Vorgaben…
… dass es vor allem TECHNOLOGISCHER Keimformen bedarf (nur eben nicht auf der Ebene der Prod.kräfte, sondern der der von mir sog. Prod.architektur), und genau DARUM spätestens (jenseits aller Wünschbarkeit und utopischen Träume (die die Menschheit laut Marx immer schon hat, bevor ihre Verwirklichung auf der Tagesordnung steht) auch der dazu passenden Vergesellschaftung(s-Keimformen);
… dass im Zusammenhang mit der Kategorie „Prod.kraft-Entwicklung“ vor allem die Frage aufzuwerfen ist: Ob deren Fortschritt in Form immer neuer Varianten aufeinander aufbauender „Prod.KRÄFTE“ (Technologien) überhaupt noch als Fortschritt anzusehen ist, und nicht so sehr, ob dieser imo höchst zweifelhafte Fortschritt einen sozialen Automatismus in sich trägt.
(Wobei die Frage, was muss von selbst passieren, damit davon ausgehend erstmals etwas gewollt werden kann und wird, und wer sind eigentlich die Träger dieses Willens, wie kommt er AN ihnen (durch immer nochmal eine ursprünglichere Willens-Bildung?) zustande? eine höchst wichtige und zugleich derzeit völlig unbeantwortete ist.)
Die Weg/Ziel-Debatte ist natürlich mit diesen Themen innig verwoben.
Kann sein, dass sie sich auflöst in verschiedene Stränge, die im Zusammenhang mit den von dir verlinkten Beiträgen weiter voranzutreben wären, darum hier nur diese Andeutungen:
a) Jede Ethik-Fragestellung setzt „Konflikte“ (sofern es nicht um eine rein analytische (ah…. gibts das?) Güter-Ethik geht) als unvermeidlich zu erwartende (du, Christian, sagst sogar: erwünschte!?) voraus. Warum genau? Wie ist Wollen, Planen, Befürworten, Sich-Entschliessen beschaffen, derart dass man damit so sicher rechnen muss, umgekehrt, wann müsste man nicht mehr?
b) Ganz gleich, ob vulgär(marxistisch) oder elaboriert: Ich sehe die Frage von unser aller „Exklusion“ von der Verfügung über „unser“ aller Prod.mittel allein schon aufgeworfen durch unsere Abhängigkeit von 100tausend Expertenkulturen. Wie sollen wir „unsere“ Produktion STEUERN, wenn wir sie nicht im ganzen überblicken? Der Verrücktheit des Kapitalismus „GERADE WENN UND WEIL mans nicht überblickt, klappt Planung um so besser“, glauben wir doch nicht mehr; wie aber dann?
c) Falls dein Vertrauen in moderne Wissenschaftssysteme (insbesondere die Bio-Wissenschaften) noch nicht erschüttert ist, stehen dir vielleicht (darauf beharre ich einstweilen) noch einige Überraschungen bevor. Die haben ganz gewiss mit dem zu tun, was auch im und hinter dem Kapitalismus als System illusionärer Erwartungen am Werk ist: Naivster Optimismus, autoritäre Gläubigkeit, Selbstimmunisierung (bis hin zur Selbstgefälligkeit), Routinebetrieb, mangelnde Kontrolle von aussen (stattdessen „Peer (!)-Review“) uvam. Daneben und als Entsprechung dazu: argument- und haltlose Wissenschaftsskepsis, völlige Unkenntnis der Prinzipien der Wissenschaftsdisziplinen, autoritäres Zutrauen in „Gegen-Experten“ usw.
All dies sind Symptome einer (ursprünglichen? nie behobenen?) Verwahrlostheit sich für aufgeklärt haltender Diskurse, die aber für sich bereits einer Konsensfindung auf zwangfreier („inklusiver“) Grundlage diametral entgegensteht.
Aber gut… wenn ausgerechnet „Konflikt“ (wie wärs stattdessen mit „Klärung, Verständigung“?) wünschenswert sein soll…
Also spitze ich es auf 2 Kernthesen zu:
1. Das Schlüsselthema ist die (Re)PRODUKTION(sweise), und erst von der ausgehend dann die Vergesellschaftung.
2. Wenn dies ernstgenommen wird, schrumpft die Option für einen Fortschritt überhaupt (Übergang UND Ziel) auf einen bestürzend schmalen und extrem engen Pfad zusammen, bei dem man sich (s.o.) durchaus fragen kann, wer je aufgrund welcher (nicht geplanter, sondern von selbst (aber wie?) zustandekommender) persönlicher Voraussetzungen den höchst unwahrscheinlichen Entschluss fassen sollte, ihn (mit wenigen andern zusammen) zu beschreiten?
Es ist völlig klar, dass damit nur einmal Gegen-Auffassungen zu den meisten gut eingeführten radikal-linken formuliert sind – aber das ohne jede Begründung (die hat etwas mit der individuellen und gesellschaftlichen Wissens(erwerbs)-Organisation und ihren Prinzipien zu tun, wie hier und im ersten Beitrag oben angedeutet. Es ist damit die Frage gestellt, ob man solche Auffassungen hier bei keimform nicht als völlig abseitig von vorneherein verwirft. Denn dann.. würde ich natürlich auch nicht weiter nerven wollen mit meinen eigensinnigen Überlegungen.)
PS: Man wäre im Marxforum vermutlich erstaunt zu lesen, dass die dort vorgeschlagenen „kommunalistischen“ Entwürfe („Kommune Bochum“) KEINE dezentral-stigmergischen sein sollen. Das Dezentrale ergibt sich dort aus der Beschränkung auf die (Stadt)Gemeinde, als Haupt-Reproduktions- und Planungseinheit, sowie der Zuordnung von individuellen (in der Folge als gesellschaftlicher Bedarf aufsummierten) Konsumwünschen zu ebenso individuellen (ebenso zu „gesellschaftlicher Arbeitsbereitschaft“ gebündelter) Leistungsbereitschaften, die aber angesichts bestehender (als ziemlich feststehend betrachteter) Produktivitäts-Kennziffern rechnerisch und in sukessiven Aushandlungsprozessen aufeinander abgestimmt werden müssen.
Hier liegt die Dezentralität vor allem in der Freiheit der „Haushalte“, über ihr Arbeits-Budget zu verfügen; die Produktionsstruktur ist als starr und relativ unveränderlich dabei vorausgesetzt. Eine Betriebs-, Projekt- und Community-orientierte „stigmergische“ Organisation wiederum (wie im TE Beitrag oben) lässt den Produzenten an den Stellen, an denen sie mitwirken, Freiheit der Verfügung über das winzige Fragment des gesellschaftlichen Produktionsmittel-Apparats, mit dem sie arbeiten; von geplanter, informierter oder gar konsensuell gesteuerter Verfügung über den ZUSAMMENHANG allein der Produktionsstätten, geschweige denn etwa (wie im Marxforum-Modell) dem zwischen Gesamtarbeit und Gesamtkonsum Einzelner kann da aber keine Rede sein.
Mein Vorschlag ginge in eine ganz andere, dritte (aber ihrerseits durchaus dezentral-stigmergisch zu nennende) Richtung, die, wie ich meine, der Marx-Formel für kommunistisches Produzieren weit eher als alles andre entsprechen würde, wonach im Kommunismus „die Entwicklung JEDES Einzelnen die Bedingung für die Entwicklung aller ist“. Heisst, in meiner Interpretation: Jeder kennt die Prinzipien der geselllschaftlichen Produktion, an der er teilnimmt, soweit, dass er sie jederzeit beurteilen und sich mit andern darüber verständigen kann. Wie konkret könnte dies Prinzip im Sinne bisheriger keimform-Diskussionen umgesetzt werden?
@franziska, #8: Kannst du nicht ein bisschen konkreter auf meinen Vorschlag für den Übergang (oder auch auf Christians Überlegungen) eingehen?
Dann würde dir auch auffallen, dass viele deiner Punkte dafür gar nicht relevant sind (z.B. setze ich eben keine Weiterentwicklung der Produktivkräfte oder der Technologie voraus). Dein modischer Fortschritts- und Technikskeptizismus geht an den hier vorgestellten Ansätzen für den Übergang völlig vorbei.
Nee, Keimformen sind vor allem soziale Organisationsweisen. Lies doch mal ein bisschen, was hier in den letzten Jahren dazu ausgearbeitet wurde.
Könntest du das „Marxforum-Modell“ und/oder deinen Vorschlag hier kurz vorstellen? Falls es allerdings auf ein weiteres Zentralplanungsmodell (‚die Produktion muss doch nur zentral im Sinne einer öko- oder anderen Vernunft geplant werden, dann wird alles gut‘) hinausläuft, dann bitte nicht!
Sofern aber tatsächlich Aspekte wie Stigmergie und dezentrale Organisation einbezogen werden, wie du es andeutest, dann ist das tatsächlich relevant. Noch spannender wäre es im Kontext der aktuellen Diskussion, wenn auch schon Überlegungen zum Übergang enthalten sind! 🙂
Falls du eines der Modelle hier in einem Kommentar darstellst, bitte so kurz und klar wie möglich, damit man sinnvoll darauf eingehen kann.
franziska:
Die Aufgaben, die jeder übernimmt, sind sehr wohl geplant, werden in informierter Weise (Transparenz der Produktion und Abstimmung mit Konsumenten und Produzenten) verrichtet und erfolgen konsensuell mit den übrigen Projektbeteiligten. Was den Gesamtzusammenhang von Produktion und Konsum der Gesellschaft betrifft, hast du Recht. Der soll nicht zentral geplant werden. Wozu soll das auch erforderlich oder nützlich sein? Dezentrale Planung ist viel flexibler und wird den individuellen Bedürfnissen besser gerecht. In einer commons-basierten Peerproduktion stimmen sich Konsumenten und Produzenten u.a. stigmergisch ab.
Eine zentrale Planwirtschaft wird schlechte Ergebnisse für alle außer die Planerelite hervorbringen. Sie ist auch gefährlich, weil wenige Macht über fast alle ausüben und ihnen diktieren, wie sie zu produzieren und zu konsumieren haben. Diese Macht wird zwangsläufig missbraucht werden, weil die Planer ja schon für den Normalfall über die notwendigen Sanktions- und Disziplinierungsmittel verfügen müssen und sie auch einsetzen müssen, um zumindest den normalen (nicht-diktatorischen, wenn man es überhaupt so nennen kann) Plan durchzusetzen. Es kann als sicher gelten, dass binnen kürzester Zeit die Machtinstrumente von der Elite zur totalen Unterjochung eingesetzt werden. Nach allen Erfahrungen, die die Menschheit mit zentralisierter Führung und Herrschaft (die immer auch Gewaltherrschaft ist, so auch wenn sie als scheinbar harmlose Institution des Eigentums daherkommt) gemacht hat, kann nur ein anarchistisches Modell für eine künftige Gesellschaft in Erwägung gezogen werden.
Peter Kropotkin:
derselbe:
Ich habe mich sogar mal sehr wohlwollend zum Bochumer Programm, das ja im Umfeld des Marx-Forums entstanden ist, geäußert. Dazu stehe ich auch weiterhin. Aber ich glaube, damals war nicht von zentralistischer Planung die Rede. Schade, dass man jetzt anscheinend in diese Richtung abgedriftet ist.
Glaube?
Ich glaube nicht an kapitalistische Tricks, auf die ich reinfallen könnte, halte es nur für wahrscheinlich, dass Menschen, wenn sie die Wahl haben zwischen Kollektiven, bei denen es schlechte, hässliche und wenig umweltfreundliche Kühlschränke und solchen, bei denen es superschöne, gute und umweltfreundliche gibt, dass die das bei ihrer Wahl, welchem Kollektiv sie sich anschließen, berücksichtigen. Und ich hielte es für ein nachvollziehbar rationales sinnvolles und keineswegs unkommunistisches Kalkül.
Kann mir auch nicht vorstellen, dass es ökologisch oder vom Standpunkt eines mitmenschlichen Arbeitszeitmanagements sinnvoll sein könnte, dass sich die Menschen in Kollektiven mit eigener Kühlschrankproduktion zusammenschließen.
Ich träume eher von Verhältnissen, bei denen es eben auch auf gesamtgesellschaftliche Diskurs ankommt über Festlegungen hinsichtlich Notwendigkeit, optimale Dichte, Qualität, Umwelt- oder Reparaturfreundlichkeit, Alternativen usw. von Kühlschränken. Wo darüber geredet wird, ob wirklich weltweit alle die Möglichkeit haben sollen Kühlschränke zu benutzen, was das an Produktionskapazitäten bedeutete, welche Umweltstandards vorgeschrieben werden sollen. Solche Fragen. Wie kann die Produktforschung sinnvoll organisiert werden und in sinnvollerweise in Auseinandersetzung mit Institutionen, die sich für sozio-ökologisch korrekte Produktionsbedingungen, Fragen der Müllvermeidung bzw. Vermeidung der Produktion von Überflüssigem engagieren.
Solidarische Aushandlungskultur klingt gut. Aber das sollte auch für gesamtgesellschaftliche Entwicklungsrahmen gelten.
Ok Martin, konkret (aber bitte nicht zu ungeduldig; hier ist viel Kontroverses involviert, das nur allmählich im Zusammenhang entfaltet werden kann):
(a) Wir sprechen hier nicht über Neu-Entwicklungen über einen bereits funktionierenden Zustand hinaus, sondern über hoch- (und vielleicht nicht beherrschbar) arbeitsteilig organisierte Reproduktion, also Lebensnotwendigkeit. „Stigmergie“ bekommt da auf einmal was Frivoles: den lebensnotwednigen Nachschub produziert, wer Lust dazu hat? Oder… wer (als Einzelner) den (gerade dringlichsten) Bedarf kennt und erkennt? Dau müsste er/sie die gesamte Produktion überblicken. Und da fällt mir auf:
(b) Nur Rohstoffe werden für „materielle Produktion“ benötigt – und es kann nicht alles einfach schnell mal kopiert werden? Ja in der Tat – weil es eben auch noch eine (derzeit) gigantische und globale Infrastruktur an Produktions- und Arbeitskapazitäten (und -bereitschaften) braucht.
Tatsächlich sprichst du ja über Produktionsmittel oben #5 – aber alles, was du sagst, unterschlägt entweder das Unübersehbar-Riesenhafte der derzeitigen Infrastruktur, oder es läuft auf eine raffinierte und dann technologisch innovative Strategie zur Vereinfachung der „Produktions-Architektur“ hinaus. Dazu also:
(c) Ich „fuchse“ mich grade eben allmählich in eure vorangegangenen Debatten „rein“, und da fällt mir (speziell in Christians „Utopien“) ein Stilmittel auf, das man als Passiv bzw. Präsens utopicum bezeichnen könnte: Es WIRD soundso gemacht (wenn Subjekte genannt werden, dann sind es speziell benannte Räte und Projekte; dh. jemand, der zuständig ist (im Sinne von Kant: Du kannst, weil du sollst!)); und: Es IST vorhanden (Transportsysteme, Universal-Nutzgeräte). Der eigenartigste Ausdruck war der in Christians Artikel über die zur Nebensache werdende Produktion (Teil 2, Abs. „Ressourcen und Konflikte“): Refeeding-Projekte. Dass der utopisch-technologische Riesenapparat an Transportmitteln und commons- oder individuell verfügbaren höchst-produktiven Produktionsmitteln, mit dem man all das dort Ausgemalte machen kann, auch noch REPRODUZIERT werden muss, scheint da völlig vergessen. Es gehört einer offenbar unbestimmten Vergangenheit an, in der das alles ein für alle Mal hergestellt „ist“.
Soweit ich bereits etwas wie eine auf dieser website in etwa vertretene Konzeption erkennen kann, scheint mir dies mehrfache Ignorieren der Notwendigkeiten von RE-Produktion von Produktionsmitteln und der dabei bereits ihrerseits benötigten industriellen Infrastruktur (imcl. Gesamt-Arbeitsmenge) der auffallendste blinde Fleck.
Aber der beschädigt eben auch die soziale Utopie – etwa die Idee der stigmergischen Arbeitsorganisation, da, wo es nicht bloss um optionale Entwicklungsaufgaben geht (die jederzeitige Anschliessbarkeit für jeden, naja Experten, ist eine Fragwürdigkeit für sich).
Kurz ein Vorschlag, falls die Diskussion weitergehen soll:
Jeder Einzelne ist heutzutage und auch in Zukunft konfrontiert damit, dass sein Lebensentwurf eingewoben ist in den arbeitsteiligen Zusammenhang, beinah möchte man im Globalisierungs-Zeitalter sagen: der gesamten Menschheit. Was in SEINEM Leben zusammenhängt, wird durch den Zusammenhang mit andern zerrissen: Seine Lebenstätigkeit ist AUCH eine Leistung, ein Beitrag, und wird so aufgegriffen; seine Lebens- und Erlebens-Möglichkeiten hingegen hängen ab vom Zugang zu Leistungen anderer. Es ist offenkundig das gemeinsame Anliegen aller hier Schreibenden, einen Zustand herzustellen, wo dieser Zusammenhang Zwang- und speziell Eigentumsfrei eingerichtet ist.
(Man sollte sich (oder zB den im Marxforum Scheibenden, @ libertär), diese erklärte Absicht nicht reflexhaft wechselseitig absprechen, bloss weil die Vorschläge andere sind.)
Grundsätzlich gibt es drei (meist kombinierte) Strategien, um das umzusetzen:
(ia) man macht den Zusammenhang kleiner (Dezentralität: Regionalisierung, Kommunalisierung, Individualisierung (3D-Drucker, Selbstversorgung usw)
und/oder
(ib) „beherrschbarer“ (Verständigung, Vermittlung, Konsensfindung, anerkannte „ethische“ Prinzipien);
(ii) man vergrössert (zB technologisch) die Optionen der Beteiligten, ihre individuelle Besonderheit (Präferenzen; zB (bedingte und unbedingte) Leistungssbereitschaft, qualitativ und quantitativ) im Rahmen des bestehenden Zusammenhangs umzusetzen;
(iii) die (von ihnen selbst so gesehenen) Interessen der Beteiligten konvergieren real, „werden erfolgreich (aber zwangfrei) dazu gebracht zu konvergieren“ (ihre Besonderheit und daraus resultierende Konflikte bzw. Konkurrenz von Anliegen verschwinden).
(Ist diese kleine, wenn auch sehr abstrakte Systematik vollständig?)
Das alles geschieht unter (Rand)Bedingungen seiner Umsetzbarkeit:
A. materiellen:
Ressourcen (geophysikalisch, mineralisch, biogen, human/sozial, individuell, historisch),
Risiken (zB ökologische),
Wissen und Können (technologisch),
Anordnung vorhandener Potentiale zu gegebnen Zwecken (mein Ausdruck „Produktionsarchitektur“ s.o.)
B. sozialen:
Aussenverhältnis zu andersdenkenden Bevölkerungsgruppen;
reales Konflikt-Verhalten (in der Binnengruppe und im Aussenverhältnis);
Ausmass nicht-konfliktträchtiger Differenz (in der Binnengruppe und im Aussenverhältnis)
(fehlt was?)
Mit dem Wort „Strategie“ ist dann auch der Zusammenhang von Zielvorstellung und Übergangs-Dynamik“ berücksichtigt, um den es ja wohl in Martins Beitrag gehen sollte. In den Kategorien dieser Systematik gedacht, lauten meine Einände somit:
Die Anforderungen einer – speziell im Rahmen von ii. einzusetzenden Hochtechnologie nötigen – industriellen Reproduktions-Infrastruktur (von Ressourcen ganz abgesehen) scheinen mir ignoriert zu werden; und:
wenn das stimmt, sind angesichts der nötigen zeit-abhängigen Liefer-Zusammenhänge in einer solchen Industrie stigmergische Strategien für die Arbeitsorganisation nicht funktionsfähig.
(Anm. Ich habe hier Zahlen gelesen von „10% des Gesamtarbeitseinsatzes für die Beschaffung von Produktionsmitteln leisten“. Soll das eine Schätzung der organischen Zusammensetzung“ (v-Arbeitsanteil an der Gesamtarbeit zu c-Arbeit, Arbeit nötig zur Arbeitskraft-Reproduktion im Verhältnis zur Arbeit für Prod.mittel-Reproduktion, bei gegebnem Prod.mittelapparat) etwa der derzeitigen Industrieproduktion sein?)
Für den „Übergangs“-Anteil an der Gesamt-Strategie bedeutet das: Sobald „materielle“ Produktion beteiligt sein soll, muss Sachkapital (Grund und Boden, Maschinen, Betriebsmittel, Vorprodukte, Fabrikationsräume) in grossem Umfang angeeignet werden. Wie? Zusammengekauft? Geschenkt? Durch Betriebsbesetzung?
Eine Kühlschrankfabrik (wenn man eine hätte) ist auf Ersatzteile und Ersatz-Maschinen sowie Vorprodukte und Energie angewiesen.
Die Alternative ist immer: Massive Markt-Abhängigkeit („genossenschaftlich“, syndikatmässig muss Geld verdient werden).
Wenn Hoch-Technologie in Übergang und Zielzustand vorgesehen ist, sehe ich da leider keinen Weg. (Von der ökologischen Fragwürdigkeit, auf die Hans-Hermann Hirschelmann immer wieder hinweist, ganz zu schweigen. Ist denn „Ökologie“ für dich bloss „modisch“, Martin?)
@franziska, #13:
Genau: wer Lust dazu hat, das ist der Grundgedanke der Peer-Produktion. Druck und Unfreiwilligkeit sind nur Ergebnis des Verwertungszwangs im Kapitalismus. Stigmergie ist die Antwort auf die Frage, wie sich die Produzierenden und Konsumierenden ohne Vermittlung über Plan oder Marktzwang gesellschaftlich koordinieren können. Wie alle grundlegenden Paradigmenwechsel ruft sie zunächst bei den meisten Widerstand hervor („das kann doch nicht klappen“), weil Freiwilligkeit im Kap. permanent abgewertet und unsichtbar gemacht wird.
Nein, das hat mit Stigmergie nichts zu tun. Hier wird Stigmergie kurz erklärt.
Die Reproduktion der Produktionsmittel war von Anfang an ein zentrales Thema bei der materiellen Peer-Produktion, siehe etwa das RepRap-Projekt. Allerdings werden in der Peer-Produktion nie einfach die vorhandenen Produktionsmittel reproduziert, da diese meist außerhalb des Kap. so gar keinen Sinn machen.
Deine ersten beiden Strategien (falls ich sie richtig verstehe) können durchaus auf Aspekte der Peer-Ökonomie bezogen werden. Diese ist immer (i) dezentral-stigmergisch und (ii) nicht ausschließend (jede*r kann alles tun bzw. ausprobieren, da sich die Community ja die Annahme der Beiträge vorbehält und die Annahme für die Beitragenden keine Lebensnotwendigkeit, sondern Motivation für ihr Tun ist).
Deine dritte Strategie ist mir noch zu sehr aus dem Markt- und Konkurrenzfetisch heraus formuliert, aufgrund dessen im Kap. ungleiche Interessen als gegensätzlich erscheinen (wohlgemerkt, dies ist keine bloße Illusion, sondern bornierte Realität: wir sind tatsächlich Gegner auf dem Arbeitsmarkt, als Konsumenten und Produzenten, als unternehmerisch konkurrierende Produzenten). In der Peer-Produktion ist es genau andersherum: Wenn ich in dasselbe Haus ziehen will wie du, wird es eher schwierig als wenn wir unterschiedliche mögen; wenn alle sich für dieselben Wikipedia-Artikel zuständig fühlten, blieben die anderen ungeschrieben. Unterschiedliche Interessen sind gut, sie müssen also nicht konvergieren – oder gar zum Konvergieren „gebracht werden“, was schon wieder arg nach Zentralplanung und Autorität klingt!
Agreed. Die gesellschaftlichen Bedingungen sind ein wichtiger Punkt, wenn man von der Darstellung einer Peer-Gesellschaft zu konkreten Übergangsszenarien gelangen will.
Grundsätzlich richtig. Wenn wir erfolgreiche Peer-Projekte anschauen, sehen wir aber oft, dass die eben nicht die vorhandenen Produktionsstrukturen reproduzieren. Die Produktionsmittel eines solchen Projekts werden anders aussehen als heutige: Plastikteile könnten problemlos mit dem 3D-Drucker hergestellt werden, auch Umwälzpumpen usw. sind wohl nicht so schwierig, dass man dafür eine riesige Produktionsstraße bräuchte. Die Elektronik könnte etwa auf Basis des Arduino entwickelt werden. Eine vollständige Markt-Unabhängigkeit wird aber am Anfang wohl nicht angestrebt werden, schon weil man dann Jahre vor-entwickeln müsste, bevor der erste Kühlschrank fertig ist. Es wird sicher eher ein pragmatischer Mittelweg gewählt, und nach und nach (bei größeren Netzwerken und damit „erweiterter Produktion“ in größeren Stückzahlen) werden dann immer mehr auch die Vorprodukte marktunabhängig hergestellt.
Dafür wie das gehen kann, ohne doch wieder der Marktkonkurrenz zu unterliegen, habe ich im Artikel oben mehrere Möglichkeiten skizziert. Übrigens fällt mir noch ein, dass es für hochtechnologisierte, aber zugleich breit einsetzbare Vorprodukte wie z.B. Mikrochips sicher netzwerkübergreifende Projekte geben wird. Grundsätzlich sehe ich kein Hindernis, warum in meinem Modell ein Projekt nicht in mehreren Netzwerken Mitglied sein kann: Es bekommt dann entsprechend mehr Produkte und Rohstoffe und liefert in größerer Stückzahl, um den Bedarf aller Netzwerke zu decken.
Martin, danke für diese ersten ausführlichen Hinweise.
Was glaubst du, wieviel Widerstand erst der Paradigmenwechsel hervorruft, den ICH befürworte.
Wir (und mutmasslich die meisten andern hier) stimmen doch sichtlich darin überein, dass wir Druck und Zwang ausschalten wollen.
Mit der groben Richtung der Vorschläge, die bislang auf dem Tisch liegen, habe ich aber folgende Schwierigkeiten – ich stelle aber der Einfachheit halber mal meine eigenen Vorstellungen zum Vergleich daneben:
1. Es wird (nicht nur hier) meist die letzte Station einer Fertigungslinie (besser: -zyklus) betrachtet. Die Frage: Welche Folgen hat diese Produktionsweise, wird also etwa einzig unter dem Gesichtspunkt ihrer Fähigkeit gesehen, die Prinzipien der commons-Struktur zu unterstützen – in Gestalt des Fertigprodukts „3D-Drucker“. Ich denke hier aber mehr im Sinne der ökologischen Energie- und Ressourcenbilanzen; und das sind ja nicht die einzigen Aufgaben an Integrations-, Budget- und Synergie-Aspekte, die beachtet werden müssen. Sondern auch die kommen hinzu: Senkt ein gewähltes Verfahren, eine Problemlösung auf Dauer die GESAMT-Arbeit, die zur Aufrechterhaltung der gesamten (Re)Produktionsweise nötig ist, in die es eingebaut wird? Ist das Produkt langlebig, sein Gebrauch leicht zu lehren und lernen, wie fügt es sich ins Gesamt der elementaren materiellen Lebenssicherung ein (ist es anschlussfähig)? Sind die genutzten Ressourcen nachhaltig dezentral und zuverlässig verfügbar, welche Transportwege und Abhängigkeiten sind dafür inkaufzunehmen, sind die Fertigungswege weitgehend zyklisch geschlossen, kann auf belastende Emissionen aller Art verichtet werden? Welchen Beitrag zum „ökologischen Fussabdruck“ der projektierten Lebensform liefert dieser Fertigungszyklus insgesamt?
2. Es gibt noch andere Ansätze als nur die Stigmergie, um mit Komplexität, Art und Befristung von (Leistungs)Anforderungen fertig zu werden – und das wäre, die Fertigungswege vor allem auch darauf abzustellen, dass alle daran Beteiligten sie GERNE und im Rahmen erfüllender Lebensführung beschreiten – was umgekehrt bedeutet, dass man sich in dieser (erfüllenden) Lebensführung auch auf diese Anforderungen einstellt, sodass sie (ganz zwangfrei und authentisch) NICHT als druckvoll und „leider unvermeidlich“ erlebt werden.
3. Ein*e Produktionsarchitekt*in (in eigener Sache) ist, wie man vielleicht schon bemerkt haben wird, ein*e Künstler*in, und zwar mit streng lokalem Bezug (WO man sich ansiedelt und in welcher Entfernung voneinander, ist da nicht unerheblich): Auf und in einem Gelände, wo man
– Nahrungsmittel (welche, um möglichst vollständig und gut ernährt zu sein?) dauerhaft zuverlässig erzeugt (unter Berücksichtigung der zu erforschenden Besonderheiten gerade DIESES Geländes; Beseitigung der Beschädigungen, die ihm durch die Vornutzer angetan wurden, der Mängel, die ihm von Natur aus anhaften usw),
– seinen Haushalt führen muss (mit entsprechenden Konservierungstechniken und Mitteln der bequemen Lebenseinrichtung),
– wohnt (und seine Behausung erneuern muss, wenn nicht gar neu errichten, und Werkzeuge und Baustoffe benötigt),
– mit andern solchen Haus-Gemeinschaften zusammen („subsidiär-hierarchisch“) Haushaltsgegenstände/möbel, eigene Werkzeuge und Baustoffe reproduziert (wobei soviel Materialien wiederverwendet werden sollen, wie möglich, die verbrauchten Ressourcen nachhaltig abgebaut werden und emissionsfrei verwendet bzw „entsorgt“).
Das Prinzip „subsidiär-hierarchisch“ soll besagen: Nur Aufgaben werden von Gruppen in Grössenordnungen gelöst, von denen sie selbständig gelöst werden können; ist das robust und nachhaltig der Fall, und sind Freiräume für weitere Aufgabenlösungen da, wird die nächste Produktions-Ebene im Zusammenschluss der erforderlichen Anzahl von Gruppen der voraufgehenden Aufgaben-Ebene betreten.
Es illustriert mehr die Grössenordnung, als dass es als seriöse Einschätzung auftreten könnte, wenn ich sage:
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „Essen“ kann im Bereich von (Haus- und Anbau-)Gemeinschaften mit 10 Personen gelöst werden.
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „Wohnen“ mit 100 (Renovieren, ev. Bauen)
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „einfache Geräte herstellen und (Ermöglichung von) Verfahren der Haushalts- und Lebenseinrichtung“ mit 1000.
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „einfache Produktionsmittel: ua. Metallbearbeitung; einfache Grund- und Baustoffe“ mit 10000.
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „komplexe (raffiniertes low-tech) Geräte und (Ermöglichung von) Verfahren der Haushalts- und Lebenseinrichtung ua. Bekleidung, Wohn- und Arbeitsmobiliar, Werkzeuge, Behälter/Gefässe aller Art; Grundstoffe dafür (Metall, Chemie, Keramik, Glas ua)“ 100T
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „(einfache) Motoren, Maschinen, Ausrüstungen für dezentrale Energiegewinnung, Transportmittel“ 1 Million.
4. Um diese ihre Architektur zu durchschauen und die sich daraus ergebenden Zusammenhänge kontrollieren zu können, müssen die Produktions-Architekt*innen auch Forscher*innen sein, um nicht zu sagen: Wissenschaftler*innen.
Die Kernaufgabe beim Durchschauen, Kontrollieren, Wissens-Verwalten wird sein, bei jeder neu hinzukommenden Stufe sich sehr genau darüber Rechenschaft abzugeben, was von den Prinzipien, nach denen sie eingerichtet wird, von ALLEN davon Betroffenen (nämlich den Mitgliedern der Gruppen, die diese Stufe aufbauen) gewusst und (im Konsens) mitgetragen werden muss; und was als indifferentes Ausfühungsdetail gelten kann, das den unmittelbar auf der Stufe Tätigen zur näheren Bestimmung überlassen bleiben kann. – Vielleicht wird jetzt deutlicher, warum aus DIESER Sicht der „Übergang“ eigentlich ein AUFBAU ist, der für die erreichbaren Zielniveaus konstitutiv ist.
5. Nochmal: Produktionsarchitektur bedeutet: Die sinnvolle Auswahl und Anordnung von verfügbaren Produktions-Verfahren wird bezogen auf kollektive Zwecke bzw. Aufgaben und Randbedingungen ihrer Lösung, denen sich die Produzenten im Kollektiv SELBST stellen müssen, und die vor allem – mit Blick auf die vielfältigen Anforderungen, denen eine solche Produktion genügen sollte – INTEGRIERT, alle zugleich angegangen werden müssen – bezogen auf eine gemeinsame (kollektive, gesellschaftliche) (Zusammen)LEBENSFORM. Das bedeutet oftmals, anders als in rein auf ein isoliertes technisch definiertes Ziel zuarbeitenden Aufgabenlösungen, „suboptimale“ oder Kompromiss-Lösungen – optimiert ist die Lösung eben nur im Bezug auf die Gesamtheit der Anforderungen, denen man (mit gegebner Priorität) gerecht werden muss oder will.
6. Die höchste Priorität und Quelle für die meisten Abstriche an technisch möglicher Brillianz und Lebensstandard wird die Reduktion der notwendigen Arbeitszeit sein. Denn die Angehörigen dieser Lebensform haben neben ihrer produktiven Lebenseinrichtung eine gewaltige weitere Aufgabe zu lösen, derart dass es im Leben jedes einzelnen von ihnen Platz hat: Sie müssen sich über die Besonderheit ihrer Stellung in der zeitgenössischen Gesellschaft klarwerden, und Wege finden, diese ihre Besonderheit abzubauen, indem sie das, was ihre Fortgeschrittenheit begründet, den je nächststehenden Aussenstehenden vermitteln lernen.
Auch dieser Prozess muss von JEDEM Einzelnen mitgetragen werden können. Die kognitive Fortgeschrittenheit der Gruppe besteht in der JEDES Einzelnen, ausnahmslos. Und auch hier ist auf das Sorgfältigste zu unterscheiden zwischen dem, was ALLE gemeinsam haben müssen, und was indifferente Variante und Besonderheit ist, die Einzelnen und in kleineren Gruppen bewusst sein muss, anderen aber nicht. Auch hier gibt es vielleicht so etwas wie eine Kernaufgabe, der sich ALLE überhaupt stellen müssen, ohne das an „Verantwortliche“ oder „Experten“ delegieren zu können: Das ist die Definition der Richtung, in die ihrer aller Fortschritt gehen soll; nach was geforscht werden, womit man rechnen und worauf man vorbereitet sein soll: Politisch-kulturell, technisch, ökologisch…
7. Mit anderen Worten: Die gesamte wachsende Gruppe LERNT KOLLEKTIV und verarbeitet die für alle wichtige Erfahrung, die an IRGENDEINER Stelle von Einzelnen gemacht wird, GEMEINSAM (ist dazu in der Lage, das zu tun).
8. Dem dient ein wichtiger weiterer Gesichtspunkt der Gesamteinrichtung: Die Angehörigen jeder Gruppe können (am Ende: weltweit) reibungslos in jede andere wechseln; die Praktiken und Wissensbestände an jeder Produktionsstätte sind so dokumentiert, dass jeder neu Hinzukommende sie sich schnell aneignen kann. Üerall werden Reserven gehalten, um zwanglos Leute von anderswoher aufnehmen zu können. Die Gemeinschaften sind also im Idealfall ZUGLEICH extrem ortsständig UND mobil.
———————–
So – das ist eine Gröbst-Skizze des Paradigmas, das mir vorschwebt. Es ist, wenn wir darüber reden, noch eine weitere Schwierigkeit zu beachten, ich führe sie immer wieder an, aber sie wird leicht in meinen Beiträgen überlesen: Wenn man Vorschläge macht und etwas befürwortet, muss man sich vielleicht auch mal der Frage stellen (Marx hat es ua getan), welche Leute eigentlich da draussen dazu disponiert sein könnten, aufgrund ihrer Lage, die sie sich nicht selber wählen konnten (sondern in die sie als Resultat eines ungeplant verlaufenden historischen Prozesses geraten sind), solche Vorschläge zu befürworten, sich zueigenzumachen und auszuführen. Die meisten Linken machen sich sehr wenig Gedanken darüber, wie es kommt, dass manche links sind wie sie und manche nicht.
Ich bin der Meinung, dass es Gruppen von Leuten gibt, die für das „Paradigma“ anfällig sind, und zwar in dem Sinn, dass sie selber draufkommen und es umsetzen; es muss also nicht von irgendwelchen „Erfinder*innen“ wie mir erst verbreitet und an sie herangetragen werden. Mit andern Worten: Ich spreche da über eine historische Bewegung, die durchaus schon begonnen hat, und der ich die vorsichtige Prognose stelle, dass sie (wenn überhaupt Fortschritt möglich ist) die Oberhand bekommen wird – genau aus dm Grund, der in der historisch-materialistischen Arbeitshypothese des jungen Marx dafür benannt war: Ihr (fortgeschrittenes) Produktionsverhältnis ist das einzige, das der nächst sich stellenden materiellen Produktionsaufgabe gerecht wird. Diese seine Überlegenheit erweist sich schlagend, und sorgt dafür, dass seine Verallgemeinerung und Durchsetzung (wenn der historische Prozess nicht an dieser Stelle zum Stillstand kommt oder zurückgeworfen wird) beste Chancen hat.
Über die Formen der „Aneignung“ (mein Vorschlag: Stiftung und Schenkung) und des Sich-Verhaltens in und zu einer nach gänzlich anderen Prinzipien eingerichteten sozialen und Produktions-Umgebung müsste natürlich noch viel mehr gesagt werden.
@HHH #12:
Ah, da habe ich dich wohl missverstanden. Ja, so macht das natürlich absolut Sinn. Allerdings wäre es wohl auch insofern selbstregulierend, dass ein Kollektiv ja überhaupt keine Grund hätte, weiterhin schlechte, hässliche und wenig umweltfreundliche Kühlschränke zu bauen, wenn andere ihm vormachen, wie es besser geht. Und die anderen wiederum hätten keinen Grund, ihr Wissen zurückzuhalten, weil es ihnen ja um die Bedürfnisbefriedigung geht und nicht darum, sich gegen Konkurrenten durchzusetzen. Sprich im Endeffekt würden wahrscheinlich beide Kollektive gute Kühlschränke bauen.
Ja, Martins Idee ist ja auch die großer Netzwerke, wo ein Kühlschrank-Kollektiv nur eins von vielen beteiligten Projekten wäre. Ich denke auch, mit Kühlschränken wird sowas vielleicht nicht gerade anfangen, aber früher oder später werden peercommonistische Zusammenhänge auch Kühlschränke herstellen müssen, wenn es was werden soll mit der Ablösung des Kapitalismus 🙂
Damit gehst du aber ja schon von einer insgesamt kommunistischen/peercommonistischen Welt aus, blendest also die Frage nach dem Weg dorthin gerade aus. Abgesehen davon könnte solches „Gerede“ letztlich wohl eher zu reaktionären Ergebnissen führen, denn wer sollte entscheiden können, dass andere kein Recht auf Kühlschränke haben sollen und dieses Verbot dann auch durchsetzen? Das wäre in der Tat eine Ökodiktatur und das Gegenteil einer freien Gesellschaft.
Richtig ist natürlich, dass niemand beanspruchen kann, so viel zu beanspruchen, dass den anderen ein ähnlicher Lebensstandard verwehrt oder aber die Natur aufgrund von Übernutzung zerstört wird. Das lässt sich aber durchaus auch in kleineren Zusammenhängen zumindest perspektivisch umsetzen durch Orientierung am „fair Earthshare“, siehe Die Natur gehört allen und niemandem.
@franziska #15:
Das vom quelloffenen RepRap-Projekt vertretene Paradigma ist allerdings ein etwas anderes: dort ist der 3D-Drucker kein Fertigprodukt, sondern eine „selbstreproduzierende“ Technologie: 3D-Drucker drucken weitere 3D-Drucker, sie „vermehren“ sich so quasi asexuell (mit etwas menschlicher Hilfe). Diesem mehr an der Biologie als an heutigen industriellen Fertigungsmethoden orientierten Paradigma stehe ich zwar inzwischen eher kritisch gegenüber, aber man sollte es mitbedenken. Auch sonst ist gerade im Bereich Open-Source-Hardware feststellbar, dass es da sehr oft um Produktionsmittel geht (z.B. CNC-Fräsen, Traktoren, automatische Webstühle) und keineswegs nur im Endprodukte.
Das sind alles wichtige und richtige Fragen, wobei aber auch klar sein muss, dass die Antworten nicht von einer „Produktionsarchitekt_in“ als „Mastermind“ gefunden werden können, sondern nur kollektiv von den beteiligten Menschen. Was die Minimierung der Arbeitszeit betrifft, möchte ich allerdings noch anmerken, dass das eine eher kapitalistische Fragestellung ist, weil im Kapitalismus Arbeit immer ein Kostenfaktor ist, den es zu minimieren gilt. Bei Arbeit als sinnvollem und zweckmäßigem Tätigsein muss das jedoch nicht unbedingt so sein.
Die Wikipedia ist wohl kaum die arbeitssparendste Art und Weise, eine derart große und aktuelle Enzyklopädie zu produzieren. Aber praktisch sie ist vermutlich die einzige, die funktioniert, weil sie ohne zentralen Koordinationsmechanismus auskommt (wie es ihn bei traditionellen Enzyklopädien wie dem Brockhaus gab) und weil jeder zentrale Koordinationsmechanismus mit dieser Herausforderung wohl überfordert wäre. Gleichzeitig ist es nicht so schlimm, wenn die in die Wikipedia fließende Arbeit nicht minimiert wird, weil die Beteiligten ja freiwillig dabei sind und weder zur Arbeit gezwungen noch für die aufgewandte Arbeitszeit entschädigt werden müssen (etwa mittels Geld).
Beim Lesen denke ich: Wenn das klappt, dann ist es doch gerade Stigmergie!
Unterschiedliche Gruppengrößen für verschiedene Aufgaben finde ich auch einen sehr sinnvollen Ansatz. Allerdings scheint mir, das sinnvolle Arbeitsteilung teils größere Gruppen erfordert als du sie skizzierst. Ich halte es nicht für nötig, dass Kleinstgruppen von 10 Leuten ihr eigenes Essen anbauen und dass ca. 100 Bewohner_innen eines Hauses/Hauskomplexes selbst renovieren oder gar bauen. Hier dürften größere Gruppen oder Vernetzungen zwischen kleinen Gruppen sinnvoller sein.
Und auch totale „Autarkie“ kleinerer oder selbst größerer Zusammenhänge halte ich weder für möglich noch für wünschenswert. Auch wenn sich Gruppen von vielleicht 100 oder 1000 Leuten kollektiv im Solawi-Stil mit Essen versorgen, werden sie dabei nicht total autark sein, weil nicht alles lokal angebaut werden kann und weil sie manchmal zu viel und manchmal zu wenig produzieren werden. Das macht aber auch gar nichts, weil sich derartige Gruppen lose vernetzen und in solchen Situationen gegenseitig unterstützen können — in meiner kleinen Utopie beschreibe ich das für den Lebensmittelbereich als „Gartennetz“.
Noch auffälliger ist die Unsinnigkeit von Autarkie im Energiebereich — dezentrale Produktion erneuerbarer Energien ist der richtige Ansatz, doch weil erneuerbare Energien lokal starken Schwankungen unterliegen, müssten autarke Inselsysteme ein Vielfaches der Kapazitäten bereitstellen, die bei dezentral-vernetzter Produktion ausreichend sind.
Genau, das fassen wir hier unter den Begriff der „Keimform“.
Danke für deine Antworten, @Christian #17
Wir sind uns bei zwei wesentlichen Zielsetzungen allem Anschein nach einig:
– alle Formen von „Mastermind“-artiger Arbeitsteilung und -Hierarchie vermeiden (ich habe immer wieder das Prinzip „das (nach Auffassung jedes/jeder Beteiligten) Wesentliche gekannt, begriffen, im Konsens mitentscheidbar von jedem/jeder Beteiligten)“ benannt);
– Konflikte vermeiden durch die angenehme und druckfreie Art der Lebensführung, die die Beteiligten einander wechselseitig durch die Art ihrer gemeinsamen LebensEINRICHTUNG ermöglichen (freie („disposable“), erfüllte und sinnvoll nutzbare Zeit für Produzierende gewinnen ist nicht nur kein kapitalistisches Programm – es ist vielmehr explizit der Haupt-Gewinn, den sich zumindest Marx vom Übergang zum gesellschaftsweit eigentumsfreien Produzieren versprach).
Extrem schwierig und strittig sind hingegen die Wege und Mittel der Umsetzung dieser Ziele – spätestens (und da endet womöglich die Übereinstimmung), wenn sich die Ausführenden dabei mit weiteren (objektiven?) Herausforderungen konfrontieren: Die sehe ich als so erschwerend, dass sie nach meiner Überzeugung für eine ganze Epoche lang den schmalen Pfad der je nächsten („Übergangs-„) Massnahmen selbst noch für SEHR grosse intern eigentumsfrei-commons-organisierte Kollektive bestimmen werden.
Das durchaus angenehme und erfreuliche sowie von ALLEN Einzelnen in allem Wesentlichen mit-getragene, mit-entschiedene gemeinsame Tun muss auf lange Zeit ZUGLEICH auch noch Notwendigkeiten gerecht werden, denen man erst nach Absolvieren dieser Übergangs-Epoche (aber Epochen haben nun mal leider „epochale“ Dauern!) nicht mehr in diesem Ausmass genügen muss. Weshalb man DANN sich Zielen wird widmen können, für die leider heute noch lang kein Platz ist. (Mein Prognose-Tipp für die Haupttätigkeit der übernächsten Epoche: Erforschung der Biosphäre und unserer Stellung in ihr).
Ich vermute, dass du, Christian, die Ironie garnicht bemerkst, wenn du ausgerechnet bei mir das Beispiel einer natur-artig (wirklich? was ist mit den Materialien, die ständig zugeführt werden müssen?) sich selbst reproduzierende Technologie (RepRap-Projekt) anführst. Wie wäre es denn, wenn mans zur Abwechslung gleich mit dem Original einer solchen Technologie probieren würde – einer direkt Natur-basierten nämlich? In der Nahrungsmittelproduktion kommt man ja derzeit darum noch nicht herum. Bloss: Wenn das ganze arbeits- und ressourcensparend, ALSO ZUGLEICH möglichst markt-unabhängig stattfinden soll, steht man vor einer völlig neuen technologischen Aufgabe, deren Lösbarkeit sich nur ganz von ferne (und ähnlich vage wie bei manchen der IT-Lösungen, die hier bei keimform erwogen wurden) andeutet. Das Problem ist mit dem Ausdruck „Permakultur“ mehr umschrieben als erledigt: Es soll die Eigenschaft eines künstlich installierten Ökosystems genutzt werden, sich mit möglichst wenig Eingriffen (zB biologischer „Schädlings“-Bekämpfung) selbst zu reproduzieren und zu stabilisieren, und das
– unter Einbeziehung sovieler Nutzpflanzensorten wie möglich
– auf engem Raum
– mit viel Reserve-Spielräumen (zur Mitversorgung anderer Gruppen bei Ernteausfällen)
– nachhaltig
– ressourcenautark
Die Kenntnisse und Erfahrungen, die für solch eine Lebenseinrichtung nötig sind, existieren zu grossen Teilen allenfalls in Ansätzen – und das sind Ansätze, die sich hauptsächlich stützen auf sorgfältige Beobachtung und Erprobung LOKALER Naturzusammenhänge, nicht zuletzt auch die Natur der Bewohner*innen in Gestalt der Anforderungen an eine dauerhaft gesunde vollständige Ernährung. Dieser Ernährung vorgelagert ist die der Nutzpflanzen, genauer: des Bodenlebens, mit dem diese Nutzpflanzen im Rahmen des einzurichtenden kleinen Ökosystems ihre eigene Ernährung bestreiten. Weshalb die (agrarwissenschaftlich leider derzeit nicht befriedigend beantwortbare) Frage der nachhaltigen Bodenfruchtbarkeit und Pflanzengesundheit den Dreh- und Angelpunkt dieser ganzen Anbauweise bildet.
((These: Nicht Informatik oder auch Gen-, KI- und Hirnforschung sind die epochalen Schlüsseldisziplinen, sondern die ökologisch orientierte Agrar- (und Forst)wissenschaft (und die biologisch fundierte Ernährungswissenschaft als deren Fortsetzung; doch, Christian, vollständige Ernährung aus relativ kleinen Flächen KÖNNTE seriös möglich sein!).))
Die Kultur- (im ursprüglichen Sinne von: Anbau-)Technik, die auf ein solches (immer wieder sehr stark auf lokale Besonderheiten konzentriertes; es geht nicht anders) Wissen aufbaut, erweist sich womöglich schon bald nicht nur als die einzig zukunftsfähige; sie ist ist auch – wegen der ständig zu beachtenden systemischen Zusammenhäge beim ökologischen Produzieren! – garnicht anders zu betreiben als in den eigentumsfreien Formen kollektiven Lernens und der Produktions-Organisation, die die Peer-economy ausmachen. Genau DA also kommt eine materielle Basis-Anforderung mit einem für sie unerlässlichen Übergang im Produktionsverhältnis zusammen. Und so geht das weiter, wenn die nächst-höheren Produktionsstufen angegangen werden, das bau-ökologische Renovieren etwa mit lokal verfügbaren (uU selbst angebauten) Rohstoffen (ich sagte ja: Das Renovieren ist schon Aufgabe genug für die ca. nx100 Bewohner einer kleinen Ansammlung benachbarter Anbau-Gemeinschaften; die Beherrschung sämtlicher nötiger Gewerke beim Neu- „Bauen“ käme erst später, in grösserem Rahmen).
Die Bau-Ökologie ist, nach Aussage der Leute in meiner Umgebung, die sich darum kümmern, eine Domäne mit unendlich mehr Fragen als Antworten.
Und so der Aufbau einer „raffinierten low tech“-Technologie, abgestimmt auf die Aufgaben, die sich aus der Lebensführung der vernetzten Hausgemeinschaften stellen…
Denn das ist die Frage, die immer und immer wieder die technischen Aufgabenlösungen, die da gefunden werden sollen, bestimmt: Sind sie vereinbar mit bedürfnisgerechter Lebensführung der Nutzer, ihren Handlungsspielräumen und Leistungsgrenzen – und somit vereinbar mit ihrer strikt egalitären Sozial-Organisation?
Und dann, nicht zu vergessen: Sind sie vereinbar mit der derzeit und auf lange Zeit hinaus wichtigsten aller Aufgaben, für die die gesamte derzeitige Lebenseinrichtung bloss Mittel ist, nämlich dieser: Die Angehörigen der eigentumsfrei organisierte Gemeinschaft müssen ihre Reproduktion so organisieren, dass sie dabei Zeit und Musse haben, ihre Stellung in der umgebenden Gesellschaft zu begreifen ,und die aus dem erarbeiteten Verständnis heraus sinnvoll erscheinenden Strategien zu entwerfen, sich aktiv in und zu ihrer sozialen Umgebung zu verhalten.
Erst recht nicht zu vergessen ist, dass dies alles keine Empfehlungen oder Wunsch-Szenarien sind – eher sind es „bedingte Prognosen“. Die allgemeine Bedingung für deren Geltung könnte umschrieben werden mit: Wenn es überhaupt einen Fortschritt gibt; wenn es überhaupt (noch) vernünftig zugeht und weltweit genügend Entwicklungsspielräume übrig sind – DANN und NUR DANN ist zu erwarten, dass diesunddies geschieht.
Die (theoretische) Frage: Was wären das denn für Leute, von denen zu erwarten ist, dass sie diese Entwicklungsschritte machen? ist damit nicht einmal im Ansatz beantwortet.
Und vielleicht… wird mit diesem Beitrag nochmal deutlich, in wie viele verschiedene (Klärungs-Bedarfs-)Richtungen, technisch, organisatorisch, theoretisch, politisch, diese Entwicklungs- und Übergangstendenzen zeigen – wenn an dem, was ich sage, etwas dran ist. („Übergang“ (wie in diesem thread) ist also da das zentrale Thema…)
PS: Noch eine unfreiwillige Ironie: Ausgerechnet der bislang, soweit ich sehe, hier am wenigsten in Betracht gezogene Faktor erweist sich in der Praxis real sich gründender „Keimform“-Gemeinschaften als der limitierendste: Das Gelingen des reibungs- und konfliktfreien Gemeinsam-Lebens und materiellen -(Sich Re)Produzierens. Das ist die erste Engstelle, durch die jedes gemeinschaftliche „Projekt“ durchmuss – und es ist die, an der die meisten Real-Gründungen derzeit scheitern. Weshalb die Frage nach den Leuten, denen das (warum?) gelingt, und die danach, wie sie ihre Errungenschaft an andre gelange lassen könten, (theoretisch) um so bedeutsamer ist…
@franziska:
Marx ging dabei allerdings davon aus, dass die der Reproduktion des Lebens (mit allem was dafür gebraucht und gewünscht wird) gewidmete Zeit selbst eben nicht erfüllt ist, sprich dass das (angenehme) „Reich der Freiheit“ erst nach dem (unangenehmen) „Reich der Notwendigkeit“ beginnt. Ich würde dagegen halten, dass die Freiheit und die Notwendigkeit durchaus zusammenfallen können, wenn eben die „notwendige“ Arbeit selbst schon erfüllend und attraktiv ist — dass nennen wir Selbstentfaltung.
Trotz der Berufung auf die Natur scheint mir das im Grunde ein technizistischer Ansatz — die Perspektive, dass es erst einer besseren Technik (in diesem Fall: Agrartechnik bzw. Agrarwissenschaft) bedarf, um eine postkapitalistische Gesellschaft möglich zu machen. Ich würde dem entgegen halten: alle notwendige Technik existiert schon, es kommt darauf an, wie sie verwendet wird, sprich auf die gesellschaftliche Organisation.
Zweifellos scheitern viele Alternativprojekte und alternative Lebensformen an diesem Punkt. Ich würde allerdings sagen: Gemeinschaften, die so hohe Anforderungen an die „sozialen Kompetenzen“ der Beteiligten stellen, dass die Gefahr des daran Scheiterns hoch ist, dürften gerade deshalb keine Keimformen sein — und zwar auch dann, wenn sie im Einzelfall dauerhaft gelingen. Keimformen müssen vielmehr weniger voraussetzungsreich sein, um eben grundsätzlich viele Menschen anzusprechen und von vielen erfolgreich praktiziert werden zu können. Deshalb sehe ich z.B. Kommunen (intentional communities) wie Twin Oaks und Niederkaufungen eher nicht als vielversprechende Keimformen.
@Christian #19
1. Da war ein kleines Hin und Her, inwiefern „Arbeit reduzieren“ wollen eher „kapitalistisch“ motiviert ist, das können wir uns sparen, stattdessen stimmen wir einmal mehr darin überein, dass alle produktive Tätigkeit in jedem Falle „attraktiv und erfüllend“ sein soll (und auch kann). (Was allerdings nichts weniger als selbstverständlich ist und hinsichtlich seiner Notwendigkeit (inwiefern gehts auf Dauer nicht ohne solche Erfüllung und Attraktivität?) als auch Realisierbarkeit (geht das überhaupt?) zu weitreichenden Überlegungen herausfordert.) Die Frage ist, ob solche (und nur solche) Tätigkeit dann noch weiteren Anforderungen genügen kann, oder sogar muss; beides voraussetzend, fahre ich fort: Der rein reproduktiven Zwecken gewidmete Teil dieser Tätigkeit müsste dringend reduziert werden, weil Freiraum gewonnen werden muss, damit das Keimform-Kollektiv als ganzes sich in und zu seiner sozialen Umgebung sinnvoll verhalten kann.
2. Nicht: Die Technologie ist Voraussetzung der Keimform, eher war das Umgekehrte behauptet. Bloss war hinzu- und vorausgesetzt: Die Entwicklung dieser sehr passgenauen (Agrar)Technologie ist (aus ganz anderen, handfest materiellen Gründen, die für die Rest-Gesellschaft ebenso zwingend sind) ZUGLEICH eine extrem dringende AUFGABE (und These war: nur intern zwang- und eigentumsfrei organisierte und kollektiv lernfähige Gruppen können sie lösen). Die Aufgabe muss aber auch mit Blick auf die anderen Anforderungen, denen dies Kollektiv gerecht werden muss, effizient (hier vor allem: arbeitssparend, vgl. 1) gelöst werden.
3. Schon der Betrieb einer radikal-ökologischen Selbstversorger-Landwirtschaft (mit Überschüssen und Reserven) erfordert Zusammenwohnen und Zusammenarbeiten; alle weitergehenden kollektiven Tätigkeiten, vor allem die ständig aufrechterhaltene interne Verständigtheit einer wachsenden Gruppe, die sich zwang- und hierarchiefrei, also strikt egalitär, und zugleich kollektiv koordiniert, immer grösseren Herausforderungen (eben keineswegs technischer, sondern sozialer und generell kognitiver Art) stellen muss, erfordern ein extrem hohes Niveau an (zwangfreier) Konsens-Bildungsfähigkeit und Verständigung.
4. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass ich hier (sehr vage, sehr allgemeine und insofern höchst erläuterungsbedürftige) THEORETISCHE Aussagen vortrage, die allenfalls auf (bedingte) Prognosen hinauslaufen. Nicht hingegen spreche ich Empfehlungen aus oder äussere mich zur Frage, was mir für mich oder andre wünschbar erscheint. Dabei bin ich mir zumindest einiger Probleme bewusst, die sich mit der von mir in verschiedenen Varianten benutzten Redefigur „eine objektive Aufgabe stellt sich“ verbinden. Ebenso ist mir relativ klar, dass Leute hier oder anderswo, die die angeblich objektiven Aufgaben nicht für solche, oder nicht für vordringliche, oder wenn, dann für bereits gelöste halten (zB agrartechnologisch), sich nicht unbedingt mit den Details werden auseinandersetzen wollen, die mir dazu einfallen.
5. Mein Einwand gegen das, was hier auf der Seite zumindest unter dem Titel „Stigmergie“ bislang diskutiert wurde, bleibt bestehen: Dass ihr allem Anschein nach Problem- und Aufgabenlösungen innerhalb (auch grösserer) eigentumsfreier Kollektive sehr stark zerlegt seht in voneinander unabhängige Stränge, bei denen auf beinah jeder Entscheidungsebene längst Konsens über die je zu verfolgenden Ziele herrscht, sowie alle vergangenen Problemlösungen von später Kommenden anstandslos akzeptiert sind. So ist dann einzig die Definition des „je nächsten Problems“ durch den Absolventen des Schritts davor fällig. Problemlösungen müssen des weiteren weder zeitlich aufeinander abgestimmt werden, noch konkurrieren sie um Ressourcen – Probleme mit Koordination, Integration, (schmerzlicher oder riskanter) Prioritätensetzung entfallen. Die einzigen Entscheidungen, die überhaupt noch getroffen werden müssen, sind die entsprechend qualifizierter und/oder ausgestatteter Individuen (das sind sie offenbar von sich aus – Qualifizierung und Produktiosmittel kosten keine Ressourcen?), welche Aufgabe sie sich herauspicken aus denen, die für sie im Angebot sind. Die Sorglosigkeit, mit der darüber gesprochen wird, erinnert an die der Marktwirtschafts-Fans – bloss, dass die zusammen mit dem wahnwitzigen Versprechen von Freiheit, Fortschritt, Selbst-Steuerung ihren Adressaten noch glauben einige bittere Pillen verabreichen zu müssen in Gestalt von Ungleichheit, Klassengesellschaft, sowie der Konkurrenz und des möglichen Misserfolgs in ihr. Das Keimform-Konzept hier kommt mir vor wie eine konzeptuell von allen Härten befreite Marktwirtschaft – das Problem auch bloss der Koordination kollektiv organisierter Tätigkeiten in einer hoch-industrialisierten, hoch-arbeitsteiligen industriellen Basis für all die individuelle (!) Verfügung steigernden dezentralen Einrichtungen (Energieproduktion, 3D-Drucker) kann man offenbar schlicht vergessen. Die reproduzieren sich im Zweifel selbst – wenn nicht schon „längst“, dann sicher „bald schon“.
6. Oder ist es so: Wo es keine technische Lösung für Komplexitäts-verursachte Probleme mit „Produktionsarchitektur“, -organisation und Konsensfindung gibt – da belässt man es bei den vorgefundenen Produktionsverhältnissen, und lässt als Keimform die Finger davon? Inwieweit ist das überhaupt ein gesellschaftsweit umsetzbares Konzept?
@franziska:
Ich sag das jetzt zum letzten Mal, weil ich das Gefühl habe, dass wir uns langsam im Kreis drehen: Ich denke, eine der spannendsten und wichtigsten Fragen bei der Findung möglicher Keimformen ist gerade, wie diese Anforderung gesenkt werden kann. Eine eventuelle Keimform, die leider nur mit „neuen“, extrem konsens- und verständigungsfähigen Menschen funktionieren kann, wird gerade am realen Nichterfülltsein dieser Voraussetzung eingehen.
„Die Finger lassen“ würde ich von nichts, außer von dem, was in der postkapitalistischen Gesellschaft gar nicht mehr nötig wäre. Geeignete Lösungen für die Re/produktion alles Nötigen ohne Einsatz von Zwang und ohne strukturelle Ausschlüsse zu finden, ist eben eine der Herausforderungen, die es die lösen gilt. Einfach wird das sicher nicht.
Dass stigmergische Selbstorganisation zur Lösung hochkomplexer Aufgaben geeignet ist, sieht man aber etwa am Beispiel Linux — die Entwicklung eines Betriebssystem dürfte zu den komplexesten Aufgaben gehören, die sich in der modernen Gesellschaft stellen.
Ne, die Entwicklungsperpektive weltkommunistisch abzustecken heißt natürlich nicht, Wege dorthin auszublenden. Die sehe ich aber mindestens ebenso in Bemühungen um globale Nachhaltigkeitsziele und zu sozio-ökologisch bestimmten Verbrauchssteuern und -zöllen zu kommen, als in Commons-Experimenten.
Zwischen deiner Frage nach dem „Wer“ und deiner Behauptung, dass „das“ (?) eine Ökodiktatur wäre, fehlt etwas, nämlich ein ernsthaftes Nachgehen und Erörtern der Frage, wie ein weltgemeinschaftliches Ressourcen bzw. Nachhaltigkeitsmanegment, das ein nach sozio-ökologischen Kriterien bestimmtes Weltwirtschaften ermöglichte, aussehen könnte.Der Ausdruck „freie Gesellschaft“ schützt übrigens nicht vor Konzepten, Mitteln und Wegen, die in einer Ökodiktatur landen.
Es hat mich zufällig auf diese Seite verschlagen und ich habe hier eine Weile den Artikel und die Kommentare gelesen und gestaunt.
Irgendwie habe ich hier einige Verständnisprobleme. Was ist der praktische Wert? Was ist am Kapitalismus so schlecht, dass man ihn abschaffen müsste?Davon abgesehen sehe ich gerade ein ganz konkretes Problem:Die Lebensmittelversorgung und Produktion ist heute extrem von Importen sowie von Strom, Elektronik und Just in Time Lieferungen abhängig. Das alles würde voraussichtlich in der Anfangsphase eines großen Krieges zerstört (vermutlich durch einen EMP-Angriff , für den wir und die USA nicht gerüstet sind, während z.B. Russland und China sich offenbar gewappnet haben). Ein Mega-Sonnensturm, wie der von Carrington beobachtete, kann mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 12% pro Dekade ebenfalls unsere Zivilisation lahmlegen). In dem Roman „One Second After: Die Welt ohne Strom“, der den Fall für die USA anhant historische und wissenschaftlicher Daten durchspielt, sind nach einem Jahr 90 % der Bevölkerung durch Hunger und sekundär dadruch verursachte Gewalt und Krankheiten verstorben.Ein junger Mann, mit dem ich am Wochenende über das Problem unterhalten habe und der es kannte, meinte, auf meine Frage was man tun könne, ja, da brauche man halt eine Waffe und einen Sack Kartoffeln im Keller. Ich finde das etwas unbefriedigend und habe mich wegen dieser Fragestellung in den letzten Monaten etwas intensiver auch mit Landwirtschaft und Gartenbau befasst. Mein Fazit, wenn ich Landschaft in meiner Gegen (deutsches Mittelgebirge) sehe, ist, dass man etwas tun könnte und sollte. Man könnte z.B. ganz konkret anfangen die jährliche Aufforstung in den Gemeinde und Staatsforsten mit Obst und Nussbäumen vorzunehmen und zusätzlich Haselnußsträucher und Beeren pflanzen, statt Nadel- und keine Frucht tragenden Laubbäumen.Gemeinden oder Gruppen von Bürgern, Genossenschaften oder Verein könnten Land pachten und im Sinne von Permakultur die Bodenfruchtbarkeit verbessern, die lokale Nahrungsmittelproduktion verbessern, die Abhängigkeit der lokalen Nahrungsmittelproduktion Importen und Zulieferern unabhängig(er) machen und durch mehrjährig, also immer wieder fruchttragende Pflanzen das Risiko mindern, dass es Kriege oder Katastrophen die die heute zwingend notwendige jährliche Aussaat in einem oder mehr Jahren verhindern zu vernichtenden Hungerkatastrophen führen. Konkrete Frage, wie bringt man die Leute dazu sich entsprechend zu organisieren? Ich hatte vor Monaten einen ersten Vorschlag mit Katastrophenschutzgenossenschaften gemacht. Die Resonanz ist so gut wie null.Hat hier jemand bessere Vorschläge die funktionieren?Für die auch in Deutschland reichlich vorhandenen Fortschrittsgläubigen sitze ich übrigens gerade an einer deutschen Übersetzung eines Gesprächs von Chris Martenson mit John Michael Greers, das den Titel The God Of Technological Progress May Well Be Dead – But society is unwilling to consider that trägt. Das englische Original das hier sicher viele auch verstehen, ist mit dem Titel verlinkt.
@hhh, #22:
Nach allem, was hier geschrieben wurde, kannst du kaum ernsthaft glauben, dass das viel bringen wird? Hast du die gesamten Diskussionen über Systemzwänge wirklich komplett verschlafen? Was ist mit der extremen Ineffektivität des Kapitalismus, in dem durch Konkurrenz, ‚geistiges Eigentum‘ usw. jedes technische Detail zigmal entwickelt werden muss, oft unter Umgehung bereits vorhandener Lösungen, um keine Patente zu verletzen, und die daraus entstehende Unmöglichkeit effektiver Reparatursysteme?
Mit Gesetzen oder politischen Willenserklärungen (nichts anderes sind „Nachhaltigkeitsziele“) kann man das nicht ändern, zumal sich jedes Unternehmen und jedes Land durch unökologisches Handeln im Kap. massive Vorteile sichert und daher stets gute Gründe hat, Vereinbarungen zu sabotieren oder heimlich zu umgehen, oder neue (noch nicht regulierte) Wege zur Menschen- und Naturausbeutung zu finden.
Extreme Ineffektivität des Kapitalismus?
So ineffektiv kann der Kapitalismus in der Realität nicht sein, sonst hätte die DDR die BRD übernommen und nicht umgekehrt. Chinas KP hätte nicht nach langem Zögern faktisch den Kapitalismus eingeführt.
Sind Patente wirklich eine Produktivitäts- und Innovationsbremse?
Patente sind zuerst und vor allem ein Deal: Der Erfinder legt seine Erfindung offen und beschreibt sie in für alle, insbesondere aber auch für andere Erfinder, öffentlich zugänglicher Form. Außerdem bezahlt er nicht unerhebliche Gebühren an die Allgemeinheit, je länger der Schutz seiner Erfindung dauern soll je mehr. Dafür erhält der gewisse zeitlich begrenzte(!) Rechte an seiner Erfindung mit denen er Geld verdienen kann (Geld ist nichts weiter als ein universelles Tauschmittel mit dem man sich das Ergebnis von Arbeitsleistungen anderer einhandeln kann).Man bedenke die Alternative: Die Erfinder verschweigen und verheimlichen ihre Erfindungen oder/und sie verfolgen und Entwickeln Ideen nicht weiter (wie ich es selber auch mehrfach getan habe), weil es sich nicht rechnet. Patente und Urheberrechte sind somit ganz wesentliche Antriebe zu Verbesserung der Effizienz einer Gesellschaft. Wenn es keine Patenten und Urheberrechte gibt, und daher fast alle Erfinder ihre Ideen verschweigen, für sich behalten oder sich die Mühe der Entwicklung zur Produktionsreife sparen, weil es sich nicht rechnet, dann wird sehr viel mehr mehrfach erfunden und die meisten Ideen und Verbesserungen werden nie weiter verfolgt. Kommunisten oder Sozialisten verstehen das vielleicht nicht, aber der Mensch ist eben auch faul, träge und egoistisch. Erfinden ist zu einem großen Teil auch lästige Arbeit. Wer erfinden kann weil er genug weiß und gescheit genug ist, der kann auch Wege finden es sich anderweitig gemütlich zu machen, und z.B. einfach jagen oder angeln gehen und das Leben genießen, statt im Labor oder am Schreibtisch einer Idee und ihrer Dokumentation den letzten Schliff zu geben. Überhaupt müssen sich auch menschliche Beziehungen und Organisationen aus der egoistischen Sicht einer Einzelpersonen oder mindestens aus der Sicht von deren Familien und Clans rechnen. Nächstenliebe ist vor dem Hintergrund der Evolution nützlich und ein Teil der Überlebensstrategie von kleinen Gruppen. Daraus Fremdenliebe abzuleiten ist eine Perversion und funktioniert nicht. Siehe dazu z.B. auch Jonathan Haidt: The Righteous Mind: Why Good People are Divided by Politics and Religion .
Ineffizienzen in der Gesellschaft und Wirtschaft:
Die Ursache ist in der Regel:Die nicht optimale, meist zu große Größe der Organisation. Siehe dazu z.B. Leopold Kohr, The Breakdown of Nations.Hier eine Youtube-Doku über Kohr DAS dürfte auch das Problem sein, an dem globale Lösungen (letztlich zum Glück für alle) scheitern.
Dann ist da noch das Problem der Kosten zunehmender Komplexität, das Leopold Kohrs These aus einer anderen Richtung beleuchtet. Siehe dazu Joseph Tainter, The Collapse of Complex Societies und Tainter und Patzek, Drilling Down: The Gulf Oil Debacle and Our Energy Dilemma.Es gibt dazu auf Deutsch eine Übersetzung eines Interviews mit Tainter über sein Buch und es gibt einen deutsprachigen Blogbeitrag über das Buch Drilling Down, mit dem Titel Dem Energiedilemma auf den Grund gegangen, der versucht die wesentliche Konzepte kurz und verständlich wiederzugeben.
Christoph Becker:
Du vergleichst hier Kapitalismus mit Staatskapitalismus, also zweimal Kapitalismus. Beide Kapitalismen taugen nichts. Dass einer untergegangen ist, sagt nichts über Ineffektivität aus und ist erst recht kein Gütesiegel für den anderen Kapitalismus.
Bei deinen Überlegungen zu Patenten und Erfindungen ist dir ein grober logischer Schnitzer unterlaufen. Du hast vorausgesetzt, was du erst beweisen willst. Damit ist der „Beweis“ natürlich nichts wert. Du setzt nämlich das kapitalistische System mit all seinen Kategorien wie Geld, Wertgesetz, Eigentum, Staatsgewalt usw. voraus, findest darin ein Patent- und Urheberrechtsregime vor und kommst zu dem Schluss, dass beide wunderbar zueinander passen. Das willst du dann auch noch als Argument für den Kapitalismus verstanden wissen und begründest damit seine (alternativlose) Existenz als offensichtlich bestes aller Systeme. Diese Übung in Unlogik überzeugt aber nicht, weil sie eben nur dann gelingt, wenn schon vorausgesetzt ist, dass der Kapitalismus das von allen gewollte System und die durchgesetzte Norm ist, eine Voraussetzung, die nicht erfüllt ist. Dieser Kapitalismus hat passenderweise sein eigenes System von Patenten und ein Urheberrecht hervorgebracht. Welch Überraschung! Was soll damit eigentlich gezeigt sein? Patente und Urheberrecht machen doch nur Sinn, wenn der kapitalistische Rahmen, in den sie eingebettet sind, mitgedacht wird. Ansonsten sind sie komplett unsinnig und überflüssig. Da die hier im Blog diskutierte Commons-Gesellschaft weder Patente noch Urheberrecht braucht, ist sie logischerweise – was diesen Bereich der Erfindungen und Kreativarbeit betrifft – dem Kapitalismus vorzuziehen.
Zu Ineffizienzen der kapitalistischen Gesellschaft und Wirtschaft steht sehr viel in diesem Blog. Kurz gesagt ist das Eigentum die größte Effizienzbremse, weil es eine bedürfnisadäquate Produktion verhindert bis verunmöglicht. Der Markt ist das denkbar dümmste Verfahren, um benötigte Güter zu erlangen, und der Kapitalismus vermutlich die ineffizienteste Ökonomie aller Zeiten. Doch um Bedürfnisbefriedigung und Effizienz geht es in diesem System nicht. Die fallen immer nur als zufälliges Nebenprodukt der Profitproduktion an. Kein Wunder, dass hauptsächlich Profit herauskommt, wenn man Profit produziert. Etwas anderes zu erwarten ist ungefähr genauso idiotisch, als würde man seit 200 Jahren Wurst herstellen und jeden Tag damit rechnen, dass Kirschen aus dem Fleischwolf kommen, bloß weil man gerne Kirschen hätte. Total irre eben! Anders gesagt: Wenn man die hässlichen notwendigen Folgen des Kapitalismus nicht will, muss man den Kapitalismus abschaffen. So einfach, so logisch!
DDR und UdSSR waren Planwirtschaften und sie waren real-kommunistisch und eben nicht kapitalistisch, weil alles dem Volk gehörte (der Staat IST das Volk). Das Volk hielt von der gemeinsamen Bewirtschaftung der Produktionsmittel und des Landes allerdings soviel, dass es von seinen kommunistischen Volksbeglückern mit Minenfeldern, Stacheldraht, Mauern und Schießbefehlen an der Flucht zu den bösen Kapitalisten gehindert werden musste.Das Bedürfnis der Menschen nach Bananen, guter Schokolade, Fernsehern und Autos wurde jedenfalls von den Kapitalisten besser befriedigt als von den Kommunisten.Übrigens ist auch der Profit eines Unternehmers eine Bedürfnisbefriedigung. Außerdem kann der Unternehmer nur Profit erwirtschaften wenn er sich möglichst große Mühe gibt die Bedürfnisse der Konsumenten herauszufinden und zu befriedigen.
Ineffizienz als Nachteil des Kapitalismus? Das Problem des Kapitalismus ist wohl eher dass er zu effizient ist und dass er es sich aus lauter Freude an der Leistung und Effizienz leisten kann immer neue, oft nüchtern betrachtet auch blödsinnige Bedürfnisse mittels Werbung zu kreieren und dann zu befriedigen. Das wäre an sich nicht weiter schlimm, wenn es nur um die Umwelt nicht belastenden und keine nur endlich vorhandenen Ressourcen verbrauchende virtuelle Güter handeln würde.An der zum Teil extremen Belastung der Umwelt zur (effizienten!) Befriedigung von durch per Werbung generierten Bedürfnissen, ist aber nicht der Kapitalismus an sich schuld, sondern die Spezialisierung der Einzelnen und auch die Explosion der Weltbevölkerung, sowie das linke und grüne Gutmenschentum. Schuld ist sicher auch Sozialstaat und die Verhätschelung der Klientel der Linken und Grünen und dann auch der Umstand, dass eben die faktisch durchweg sozialdemokratischen Regierungen es zugelassen haben oder sogar fördern, dass viele (ökologische) Kosten der Produktion versteckt und von der Allgemeinheit übernommen und auf künftige Generationen abgewälst werden, anstatt sie direkt auf den Preis der Produkt an zu rechnen.Der Sozialstaat und die Klientel der Linken und Sozialdemokraten und Grünen brauchen verlangen nämlich nach Brot und Spielen und nicht nach klugem, zukunftsorientiertem Wirtschaften.
[quote]Kurz gesagt ist das Eigentum die größte Effizienzbremse, weil es eine bedürfnisadäquate Produktion verhindert bis verunmöglicht.[/quote]Das behaupten wohl nur Leute die fast vor Neid platzen und die zugleich unfähig sind selber etwas zu leisten und Eigentum zu erwerben, während ihnen das Allgemeinwohl herzlich egal ist. Ich zitiere hier nur mal aus „Treecrops: A permanent Agriculture“ von J. Russel Smith. Das Buch wurde 1929 erstmals veröffentlicht. Eine kostenlose pdf-Version der ersten Ausgabe findet sich hier. Es behandelt das Problem der Bodenerosion und zeigt Wege zu deren Vermeidung. Auf Seite 260 der alten Ausgabe meint der Autor, in dem Kapitel „Economics and Farm applications“, also Ökonomie und deren Anwendung in der Landwirtschaft, unter anderem, dass erosionsgefährdete Land tunlichst nicht von Pächtern bewirtschaftet werden sollte, sondern das die Landeigentümer auf dem Land wohnen und es selber bewirtschaften wollten.Es gibt auch sonst sehr viele Beispiele dafür, dass erst persönliches Eigentum an Land und auch an anderen Produktionsmitteln zu einem verantwortungsbewußtem Umgang mit den selben motiviert. Das sind einfach Fakten. Selbst bei der ziemlich linken ZEIT konnte man sich dieser Einsicht offenbar nicht verschließen, wie der folgende Artikel zeigt:http://www.zeit.de/2014/47/kapitalismus-marktwirtschaft-zeitgeist Zitate von dort:[quote]Erstens: Im K. [=Kapitalismus] liegen die Produktionsmittel in privater Hand; wie der alte Adam so gestrickt ist, schafft Eigenbesitz den Anreiz zu Risiko und Leistung. Den Unterschied kann man sogar im demokratischen Kibbuz beobachten, so der noch sozialistisch organisiert ist: verkommen der kollektive Maschinenpark, fein herausgeputzt die privaten Häuschen.Zweitens wird der K. nicht vom Plan gesteuert, sondern vom Preis. Der stellt das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage her; er signalisiert, was gebraucht oder verschmäht wird, und steuert so die Produktion in Bereiche, wo sie den höchsten Ertrag abwirft. Das können Bürokraten nicht, auch nicht westliche. ……Drittens Innovation: Wo Konkurrenz und „Gier“ herrschen, entstehen Apple und Google – und in Deutschland die besten Autos der Welt. Der Realsozialismus, wo Initiative nicht dem Eigennutz gehorcht, erfüllt den Plan von gestern und verwaltet ständig den Mangel. [/quote] Natürlich sind auch Kapitalisten Menschen und es gibt auch dort schwarze Schafe, wegen denen man eine kluge Regierung braucht, die Auswüchse verhindert – wie eben in der sozialen Marktwirt.
Kommunismus ist für mich keine Glaubenssache. Eher Gegenstand wissenschaftlicher Ergründung und wissenschaftlich begründeter Erörterung. Und ich hatte diesen Block nicht so verstanden, dass hier allgemeingültige Wahrheiten verkündet werden, die ich nur nicht verschlafen bräuchte. Bei aller Sympathie für Eure Theorie, dass das menschliche Für- und Voneinander allein über Commonsexperimente zu einer neuen Grundlage kommen kann und dadurch zu das heranwächst, was ihr „befreite Gesellschaft“ nennt, habe ich doch Zweifel an der Richtigkeit einiger wesentlichen Vorannahmen, wie etwa, dass wir es wesentlichen mit einem „Kampf zweier Logiken“ zu tun haben und Kapitalismus als Reich der bösen Logik links liegen lassen zu können.Später mehr.
@hhh: Du sollst die Argumente nicht glauben, sondern auf sie eingehen – du ignorierst in deinen Kommentaren völlig den Stand der jeweils erreichten Diskussion und sagst einfach immer wieder dasselbe.
Es sind zwei unterschiedliche Systeme, die auf verschiedene Weise funktionieren – mit Kampf hat das nichts zu tun, wohl aber mit Alternativen, die inkompatibel sind. „Ein bisschen Kapitalismus“ geht nicht. Du willst den Kapitalismus offenbar behalten, magst aber nicht einsehen, dass du damit auch die negativen Effekte bekommst. Ich hatte hier sogar nochmal kurz gesagt, warum Regulierung nichts Wesentliches ändern kann, was du wieder einfach ignoriert hast.
Habe den Artikel nun noch einmal gelesen und mich auch über den Hintergrund von „common-peer“ informiert. Common-peers ist nur eine Theorie die einen Teilaspekt des Wirtschaftens erklären soll, sie ist NICHT als alternative Wirtschaftsform gedacht.
Einige Gedanken und Kritikpunkte:
1. Im Grunde ist der böse Kapitalismus auch nur ein, inzwischen sogar global agierendes, common-peer-Netzwerk.
2. Auch „Open Source Software“, die immerhin den Anlaß für die Entwicklung der Common-Peer-Theorie gegeben hat, hat genauso wie jede Unternehmung eines Kapitalisten, Profit als Ziel.
Nicht nur ist Google trotz oder wegen seiner kostenlosen Dienstleistungen längst ein milliardenschweres Unternehmen geworden. Auch sonst ist Open Source grundsätzlich profitorientiert und damit auch kapitalistisch – sofern man Kapital und Profit nur allgemeingültig genug definiert.
Begründungen:Der Profit der Open Source Programmierer ist z.B.a) Sammeln von letztlich auch beruflich bzw. kommerziel nutzbarer Erfahrung. Auch Studenten der Medizin und Zahnmedizin arbeiten „umsonst“ oder bezahlen sogar dafür arbeiten zu dürfen, aber sie sind dabei trotzdem profitorientiert, und werden insbesondere mit Erfahrung und Wissen bezahlt.b) Bekannt werden und (vielleicht, da sind sie ganz Unternehmer) damit eine gutbezahlte Stelle in der Softwareindustrie bekommen. Linus Torvald lebt ganz sicher nicht von Sozialhilfe.c) Ein Produkt entwickeln und dann mit der Wartung und der Anpassung an individuelle Bedürfnisse Geld verdienen.d) Erstellung eines Programmes, dass auch im Falles eines Bankrotts des ursprünglichen Herrstellers weiter verwendet und gewartet werden kann. Das ist z.B. für Datenbanken und Anwendungen im medizinischen Bereich wichtig. Das Geld wird dann mit der Wartung und den Frontends verdient.e) „Patenttausch“. Über Open Source kann eine Firma oder Einzelperson an Ideen und Module anderer Entwickler kommen. Man entwickelt nur einen Teil des Codes selber, stellt diesen allen zur Verfügung und erhält dadurch vielleicht guten Code anderer Entwickler, der sonst unter Verschluß gehalten würde.Faktisch handelen Open Source Entwickler hier dann wie große internationaler Konzerne, die untereinander durch Patentaustauschabkommen Patente tauschen um sich so gegenseitig Entwicklungskosten zu sparen. Faktisch handelt der Open Source Entwickler dann druchaus ähnlich wie ein kapitalistischer Unternehmer.f) ganz wichtig ist es zu verstehen, dass Geld nur eine mögliche Form von Profit ist und zudem auch nur eine Zwischenform. Die eigentlich angestebten Formen des Profits sind bei Open Source Entwicklern ebenso wie bei Kapitalisten das Erleben von als positiv empfundenen Emotionen und das Vermeiden von als negativ empfundene Emotionen. Profit ist letztlich nichts weiter als ein Mittel Glücksgefühle zu empfinden und Unglücksgefühle zu vermeiden. Kapitalismus ist ein System mit dem man dies universell versuchen und auch erreichen kann. Open Source Entwicklung ist damit auch nur ein kapitalistischer Akt – genauso wie die Teilnahme an „Kampf gegen Rechts Demos“ und auch die Teilnahme an den Demos der diese „Anti-Demos“ auslösenden Demos. Da machen das jedenfalls alle nur aus emotionaler Profitgier und um ihr Ego zu streicheln.
Die Kritik am Kapitalismus, im Artikel und auch in den Kommentaren ist nicht überzeugend.Z.B. unterliegt der Kapitalismus in der Ralität keinesfalls einem grenzenlosen Wachstumszwang. Wenn sich etwas nicht lohnt wird der Kapitalist nämlich bald damit aufhören es zu machen – während der Kommunist oder Bürokrat fleißig weiter sinnlos produzieren läßt.
Der Kapitalismus führt auch nicht zu unnötigen Entwicklungen, sondern versucht immer die Entwicklungskosten möglichst gering zu halten. Ein guter Unternehmer rechnet immer erst nach ob sich etwas lohnt und ob er es sich leisten kann. Er schätzt Risiken ab und kalkuliert vernünftig. Aber das tut er oft nur wenn er auf eigene Rechnung arbeitet.
Der Kapitalismus als globales, kontinentales, nationales und lokales common-peer-Netzwerk ist gut erprobt und funktioniert im Grunde mindestens seit dem Mittelalter gut.Was heute nicht mehr funktioniert ist der Nachschub an billigen fossilen Energieträgern. Ausserdem haben der Sozialstaat und das Gutmenschtum den Kapitalismus korumpiert und verwässert, was ihn tödlich schwächt. Darüberhinaus haben die Regierungen und Gesetzgeber versagt, weil sie zugelassen haben und oft auch weiter zulassen, dass die ökologischen Kosten der Produktion als Teil der Produktionskosten nicht berücksichtigt werden. Daran ist aber nicht der Kapitalismus schuld, sondern das Gutmenschtum, der Sozialismus und der Wille der Politiker wieder gewählt zu werden. Ausserdem sind die Umweltkosten oft schwer oder garnicht zu berechnen.
Der Kapitalismus als universelles, mit Geld als Interface betriebenes common-peer-Netzwerk wird auch nach einen Kollaps der heutigen Wirtschaftsmächte als natürlicheste und effizienteste aller denkbaren, die Grenzen der Familien überschreitende Writschaftsform weiter bestehen.In James Howard Kunstlers sehr lesenswerten Roman World Made by Hand, über das postindustrielle, künftige Amerika gibt es auch wieder, wie vor 200 Jahren, den Großgrundbesitzer der faktisch Leibeigene beschäftigt und als Patriarch aber auch für sie sorgt und der nebenher Handel treibt und der von der Bevölkerung als Richter gewählt wurde, die Landwirte, welche Tagelöhner beschäftigen, die qualifizierten Handwerker und den Arzt und den Zahnarzt, sowie eine religiös motivierte Kommune und eine zwielichtige Gesellschaft von Schrotthändlern die in den Müllhalten und Ruinen der Industriegesellschaft nach brauchbarem suchen und es verkaufen.
@Christoph:
Wenn du Angst vor einem gesellschaftlichen Kollaps hast (egal ob ausgelöst durch einen neuen Weltkrieg, eine große Wirtschaftskrise oder einen katastrophalen Zusammenbruch der ökologischen Kreisläufe), könnte der Blog http://waldenlabs.com/ (früher resilientcommunities.com) für dich interessant sein. Die beschäftigen sich sehr intensiv mit Organisationsprinzipien und Techniken für kleinere Communitys, die so „resilient“ (widerstands- und anpassungsfähig) sind, dass sie auch einem Kollaps standhalten könnten.
Staatssozialismus ist auch nicht die Alternative, die uns hier vorschwebt, und ich stimme dir zu, dass er weniger effizient als der Kapitalismus war. Für eine kurze Kritik des Staatssozialismus siehe den letzten Abschnitt von Wie kommt das Neue in die Welt? oder (ausführlicher) das dort zitierte Buch.
libertär (#26) hat schon darauf hingewiesen, dass Patente innerhalb der kapitalistischen Logik Sinn machen können, außerhalb aber unsinnig wären. Interessanterweise ist aber selbst ersteres unbewiesen:
Und dasselbe gilt für das Patentrecht. Du kannst das gerne googlen — die meisten Studien finden keine messbaren positiven Effekte oder stellen fest, dass sich positive und negative Effekte ungefähr die Waage halten. Und das alles innerhalb der kapitalistischen Ordnung!
Oh doch, ich würde gerade sagen: Ziel des Kommunismus ist eine Gesellschaft, in der die Menschen eben auch faul und egoistisch sein können, ohne dass sie sich dadurch gegenseitig schaden oder die Gesellschaft zusammenbricht 🙂
Ich stimme zu, dass Größe wichtig ist und dass regionale Zusammenschlüsse mit einigen Millionen Einwohner_innen oft besser funktionieren können als große Nationalstaaten. Das haben diverse Leute festgestellt und ich lege eine solche gesellschaftliche Organisationsform in kleineren Regionen etwa meinem Artikel Die umfassende Quasi-Flatrate zugrunde.
Dieser Punkt ist wichtig, aber für die gesellschaftliche Logik nicht der wichtigste, wie man darin sieht, dass heute in kleinen Nationalstaaten genau dieselbe kapitalistische Logik herrscht wie in großen. Wer nur die Größe ändert, ändert offensichtlich noch nicht viel!
Das liegt ja nicht an den Regierungen, sondern im Gegenteil wären in einem reinen „laissez-faire“-System, in dem der Staat praktisch gar nicht in den Markt eingreift, ökologische und andere Spät- oder Nebenfolgen überhaupt nicht eingepreist. Nur der Staat kann eine solche Einpreisung erzwingen, aber da die kapitalistischen Staaten selbst in Standortkonkurrenz zueinander stehen, wird das immer nur partiell passieren. Wenn du Regierungen Vorwürfe machst, darfst du aber nicht vergessen, dass auch das Regierungshandeln letztlich eine direkte Konsequenz der kapitalistischen Konkurrenzlogik ist, der die Regierungen genauso wie alle anderen unterworfen sind!
(Ein konsequenter „laissez-faire“-Kapitalismus ist übrigens auf mittelfristige Sicht ein Ding der Unmöglichkeit, wie all die europäischen Regierungen feststellen mussten, die diese Politik probiert hatten, sie aber im letzten Drittel des 19. Jahrhundert allesamt aufgeben mussten — lesenswert dazu Polanyis Great Transformation).
Aber nur wenn man oberflächlich und schlecht recherchiert und die interessanteren Alternativen ignoriert, siehe z.B. die Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom für die Gegenposition.
Wer wollen ja nicht, dass die Menschen aufhören, nach Glück zu streben, ganz im Gegenteil! Wenn du aber Profit und Glück einfach gleichsetzt, setzt sich dich selbst außerstande, das Spezifische an der heutigen, kapitalistischen Gesellschaft zu kapieren. Wir kritisieren nicht das Glücksstreben, sondern im Gegenteil gerade die inhärente Unlogik und Maßlosigkeit der Profitmacherei — die immer weiter gehen muss, ganz egal ob das noch jemand glücklicher oder aber unglücklicher macht.
Du glaubst also, ein Kapitalist, der feststellt, dass er mit einer bestimmten Sache keinen Profit mehr machen kann, wird sein Geld dann einfach rausziehen und still liegen lassen, statt die Branche zu wechseln oder nach innovativen Anlagemöglichkeiten zu suchen? Mir scheint, du wärst ein schlechter Kapitalist!
Das klingt nach einer keineswegs unrealistischen Zukunftsvision für den Fall, dass die positive Transformation in Richtung Commons und Peer-Produktion scheitert. Eine Gesellschaft von „Großgrundbesitzern mit faktisch Leibeigenen“ wäre allerdings überhaupt keine kapitalistische Gesellschaft mehr, sondern eine feudalistische. Das hatten wir schon mal — nannte sich „Mittelalter“ und war auch nicht besser als der Kapitalismus, aber definitiv anders.
Aber wenn du praktisch jede nur denkbare Gesellschaft für kapitalistisch hältst, kannst du diesen Unterschied natürlich nicht verstehen. Dann macht es allerdings auch keinen Sinn, sich über andere Gesellschaften überhaupt Gedanken zu machen.
[Ausländerfeindlichen Kommentar gelöscht, CS.]
Was ist der Streitpunkt?
hhh
Dem folgte fogendes:
Das ist ja ein hervorragendes Beispiel für ein rationales Eingehen auf Wahrnehmungen und Meinungen, die von der hier vertretenen Leere des reinen Anti-Kapitalismus abweichen. So etwas nennt man wohl Projektion.Versuche dir einmal vorzusellen, dass Hypothesen deiner „Diskussionsfeinde“ nicht deshalb von den hier verkündeten Ideen abweichen weil diese Ignoranten, Schlafmützen oder unverbesserliche Kapitalismusbewunderer sind. Womöglich bedenken sie Dinge, die hier unberücksichtigt bleiben. Weil sie vielleicht mit einem mehr dialektischen Verständnis geschichticher Entwicklungen bzw. Entwicklungsmöglichkeiten an die Frage herangehen, was der sozialen Emanzipation aus Produktionsverhältnissen, die den kapitalistisch vergesellschafteten Menschen als eine Naturgewalt gegenüberstehen, dienlich sein könnte. Und die es deshalb für möglich halten, dass sich die Perpektive einer (öko-) kommunistischen Aufhebung des privateigentümlich bornierten Für- und Voneinanders aus dessen INNEREN WIDERSPRÜCHEN heraus entwickeln.
Solch eklige Pegidereien sind natürlich reine Projektionen und von keiner Sachkenntnis getrübt.
Der letzte Habsatz sollte eigentlich noch korrigiert werden, ging dabei aber aber teilweise ganz verloren.
Ich wollte sagen, dass mit der statischen Behauptung, die im Herbst zur Verabschiedung anstehenden Nachhaltigkeitsziele (SDGs) SEINEN nichts anderes (!) als Absichtserklärungen, eine mehr oder minder verzerrte Momentaufnahme (!) eines sehr vielschichtigen geschichtlichen Prozesses dazu dient, eine herrschaftsfreie Erörterung der möglichen Bedeutungen der SDGs gerade auch für den Kampf gegen die zurecht beklagten Zwänge abzublocken. Und dass die dasbei womöglich erzielte Propagandagewinn-Maximierung vermutlich nicht sehr nachhaltig ist.
@HHH: Wenn du wirklich ernsthaft glauben willst, dass die kapitalistischen Staaten in ihrem (bislang weitgehend vergeblichen) Bemühen, die vom Verwertungsprozess entfesselte Umweltzerstörung nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen, versehentlich (oder gar absichtlich??) dem „Weltkommunismus“ den Weg bereiten, dann werden wir dich wohl kaum vom Gegenteil überzeugen können. Zumal du Gegenargumente ja gerne mit Nichtbeachtung zu strafen pflegst.
Trotzdem möchte ich dich bitten, diesen deinen Glauben hier nicht bei jeder passenden und v.a. unpassenden Gelegenheit zu wiederholen, wenn eigentlich ganz andere Fragen diskutiert werden. Das bringt niemandem etwas, wir kennen ja deine Meinung und werden sie auch durch 77-fache Wiederholung nicht besser kennenlernen.
Lieber Christian, blöderweise nötigt mich Deine wiederholt zum Ausdruck gebrachte Unfähigkeit, inhaltlich auf meine Einwände, weitergehenden Betrachtungen usw. einzugehen und mir stattdessen Ungelehrigkeit und einen falschen Glauben zu unterstellen, zur Wiederholung dessen, was ich zum Thema Glauben bereits versucht hatte, dir verständlich zu machen.
Also wie gesagt: Die Frage der sich aus den inneren Widersprüchen kapitalistischer Vergesellschaftungsweisen ergebenen Entwicklungspotenzen und was daran wie in Richtung der Eröffnung kommunistischer Perspektiven zu bewegen wäre, ist für mich keine Glaubensfrage sondern Fragen der wissenschaftlichen Ergründung und der wissenschaftlich begründeten Erörterung. Ich knüpfe dabei, zum Beispiel hier, dort und anderswo an Marx öko-humanistischen Kommunismus an und bemühe mich, die unterschiedlichen Anlagen einer entprechenden Transformation zu würdigen.
Falls dir meine Kommentare zu unverständlich vorkommen und du nicht verstehst, worauf ich gerade eingehe und warum, beantworte ich natürlich auch Nachfragen – soweit sich erkennen lässt, dass sie von wissenschaftlicher Neugierde angetrieben sind, sogar gern.