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Vermieten ist kein Teilen — Thesen zur Shareconomy

Teilen — auf denglisch: sharing — ist voll „in“. So sehr „in“, dass Merkel die Shareconomy ausrief. Nachfolgend Folien eines Vortrags zum Thema vom letzten Jahr. Dazu gibt’s leider keinen Audio-Mitschnitt. Ist vielleicht dennoch interessant. Unten dann noch ein paar Thesen zum Thema (teilweise auch in den Folien enthalten).

Und nun noch ein paar…

Thesen zur Shareconomy

  1. Shareconomy ist Vermietungsgeschäft. Sobald es um Economy — um Wirtschaft — geht, hört der Spaß auf. Teilen ist schön, Vermieten ist Geschäft. Wer Geld für’s Teilen nimmt, vermietet Zugang zu oder Nutzung einer Ressource: Wohnung, Auto, Land, Maschinen. Früher nannte man das auch „verpachten“.
  2. Shareconomy hat eine Zwiegestalt. Zu unterscheiden sind Privatleute, die persönliche Ressourcen (Auto, Wohnung etc.) gegen Geld vermieten (auch kollaborativer Konsum genannt), von Unternehmen, die Kapital investieren, um Ressourcen anzuschaffen, die sie vermieten (ein traditionelles Geschäft).
  3. Shareconomy ist ein Krisenphänomen. In Griechenland vermieten sehr viele Menschen [1] ihre Häuser und Wohnungen über AirBnB — aus Not. Wenn Arbeitskraft nicht mehr gefragt ist, bleiben keine anderen Ressourcen, die noch zur Verwertung taugen.
  4. Shareconomy schafft keinen Wert. Ökonomisch gesehen ist kollaborativer Konsum eine Umleitung von Einkommen: „Ich geb dir von meinem Einkommen für die Nutzung deiner Ressource und bessere damit dein Einkommen auf“. Das ist vergleichbar mit dem Zusammenlegen von Geld, um eine Ressource gemeinsam zu kaufen und zu nutzen.
  5. Shareconomy schrumpft die Wertmasse. Gemeinsames Nutzen von Ressourcen vermindert den Absatz und damit die Produktion der entsprechenden Güter. Das ist ökologisch gut, aber ökonomisch bedrohlich, weil es die Krise befördert. Der Kapitalismus kann nur existieren, wenn Verwertung (=Produktion und Absatz des Produzierten) gelingt.
  6. Shareconomy ist schöpferische Zerstörung. Ganz im Sinne des Schumpeterschen Begriffs [2] zerstört die Shareconomy bestimmte Märkte und schafft neue. Wird Carsharing zum Massenphänomen, sinkt die Autoproduktion. Wird der nächste Griechenland-Urlaub massenhaft im AirBnB-Quartier verbracht, gerät die Hotelerie in die Krise. Wir erleben erst die zarten Anfänge.
  7. Shareconomy schöpft kaum Neues. Im Unterschied zu früheren Innovationszyklen ist der schöpferische Anteil an der schöpferischen Zerstörung wesentlich kleiner als der zerstörerische: große Marktsegmente werden zersetzt, und der Rest wird umverteilt. Dass daraus einige spezialisierte Vorreiter als Sieger hervorgehen, liegt auf der Hand. Es handelt sich dabei jedoch um eine Art ökonomischen Kannibalismus.
  8. Shareconomy beutet Commoning aus. Das neue Teilen-gegen-Geld nutzt die sich herausbildende neue Commons-Mentalität des Teilens-um-der-Bedürfnisbefriedigung-willen einseitig aus. Es trennt die Menschen voneinander (soweit es um private Ressourcen-Vermietung geht) anstatt sie zu verbinden.
  9. Shareconomy vergiftet das Teilen. Zwar befördert die neue Vermietungsideologie auch die gemeinsame Ressourcennutzung und durchbricht damit ein Stück weit die alte Mentalität des Besitzen-müssens. Doch dieses neu gelernte „Teilen“ ist vergiftet durch ihre Ankopplung an den Tausch. Genaugenommen teile ich nur meine Ressource auf, ich teile sie aber nicht mit anderen, sondern tausche die Nutzung (oder den Zugang) eines Teils gegen Geld. Vermieten ist kein Teilen.
  10. Shareconomy ist individuelle Möglichkeit. Niemand ist dafür zu bashen, in der Shareconomy mitzumischen und darüber seine/ihre Existenz zu sichern. Ressourcenverwertung ist schlicht eine neue Möglichkeit der Existenzsicherung neben Lohnarbeit und Kapitalverwertung als Unternehmer_in. Dass ich damit strukturell dazu beitrage, dass andere ihre Existenz nicht mehr sichern können, ist kein Spezifikum der Shareconomy, sondern gilt in unterschiedlichem Maße für alle Bereiche. Die Exklusionslogik ist nicht zu hintergehen.