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Degrowth-Konferenz in Leipzig

degrowth [1]Eine offene, große Commons-Konferenz gab es noch nicht, aber commonsnahe Konferenzen schon einige. Im September 2014 (2.-6.9.) steht wieder eine an: Degrowth 2014 [1] — in lang: Fourth International Conference on Degrowth for Ecological Sustainability and Social Equity. Es geht »um konsensfähige Alternativen zum derzeitigen Wachstumszwang«, um »wachstumsunabhängige Formen von Wirtschaft und Gesellschaft«.

Das klingt im ersten Lesen seltsam, so als ob man nur einen Konsens darüber erreichen müsse, das Wachstum einzustellen sei. Dabei gibt es das doch schon, eine Wirtschaft ohne Wachstum, nur der Name klingt nicht so gut: Krise. Aber auch darauf gibt es eine Antwort: »Your recession is not our degrowth« (»Eure Krise entspricht nicht unserer Vorstellung einer Wirtschaft ohne Wachstum«). Doch kann man sich das aussuchen? Oder brauchen wir nicht doch eine andere Produktionsweise? Oder soll bei der Konferenz genau danach gesucht werden?

Die Degrowth 2014 ist in die folgenden drei Themenstränge gegliedert.

1. Gesellschaft organisieren

Emanzipatorische Politik. Partizipation. Institutionen.

„Your recession is not our degrowth“ („Eure Krise entspricht nicht unserer Vorstellung einer Wirtschaft ohne Wachstum.“) – dieses Motto der Degrowth-Bewegung zeigt ein alternatives Verständnis davon, wie die Wirtschaft funktionieren und die Gesellschaft organisiert werden sollte. Institutionen können sich nicht mehr auf Wirtschaftswachstum verlassen, um (demokratisch) stabil zu bleiben, obwohl sie zu großen Teilen davon abhängig sind und Wachstum fördern. Welche historischen Entwicklungen und Mechanismen haben zu dieser blinden Wachstumsabhängigkeit von Politik und Institutionen geführt? Wie können wir während und nach der wirtschaftlichen Transformation demokratische Entscheidungsfindungen garantieren und stärken? Und welche alten und neuen Formen der Teilhabe und Interaktion sind notwendig, um diese Transition zu schaffen? Diese Fragen sind dringend, insbesondere angesichts der aktuellen Krisen in Europa und vielfältiger globaler Herausforderungen.

Partizipation ist verbunden mit der (Um)Verteilung von Reichtum und Ressourcen sowie Gütern und Dienstleistungen, aber auch mit der Frage nach gleichem Zugang zu Bildung und politischer Entscheidungsfindung. Daraus ergeben sich unter anderem folgende Fragen: Auf welchem Niveau und durch wen sollten politische Entscheidungen getroffen werden? Wie sollten öffentliche Dienste wie Rente, Verkehr, Gesundheit und Bildung in einer Degrowth-Ökonomie organisiert und finanziert werden? Oder verlangt Degrowth ein völlig anderes Verständnis der Art, wie wir uns organisieren – sind beispielsweise Nationalstaaten, Rentenfonds oder aktuelle Bildungssysteme überhaupt noch angemessene Konzepte? Kann ein Commons-basierter Ansatz helfen, unsere sozialen Institutionen zu reformieren? Wie können Institutionen und soziale Bewegungen kulturellen Wandel unterstützen?

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2. Sozial-ökologisch Wirtschaften

(Re)Produktivität. Commons. Beziehungen zwischen Gesellschaft und Natur.

In unserem derzeitigen Wirtschaftssystem werden reproduktive Tätigkeiten zugleich ausgebeutet und als selbstverständlich angesehen. Das beinhaltet Care-Arbeit (dt.: Sorgearbeit), welche vor allem von Frauen geleistet wird, Subsistenz- und nicht-kommerzielle Landwirtschaft und auch die reproduktiven Leistungen, die uns die Natur gibt. Obwohl es sich dabei um die Fundamente der sogenannten „Wirtschaft“ handelt, werden sie bei der Berechnung von ökonomischen Werten nicht beachtet. Unterschlagen wird auch die absurde Steigerung der Verteilungsungerechtigkeit weltweit.

Das Konzept einer sozial-ökologischen Wirtschaft hinterfragt und überdenkt die Trennung zwischen bezahlter Arbeit und anderen sozialen Tätigkeiten. Eine soziale und ökologische Ökonomie muss nicht nur neue Formen der Arbeitsorganisation, Produktion, Distribution und Konsumtion entwickeln, sondern diese Kategorien an sich hinterfragen. Eine solche Wirtschaft respektiert die Grenzen unseres Planeten und fördert Beziehungen zwischen Gesellschaft und Natur, in denen die Natur nicht bloß ein Mittel für die Gesellschaft ist. Eine sozial-ökologische Wirtschaft stärkt Kooperation anstelle von Konkurrenz und Wachstumsfixierung. Außerdem wird darin die Beziehung zwischen Stadt und Land kritisch reflektiert. Es gibt bereits viele Projekte und Initiativen, die eine solche Wirtschaft voranbringen. Wie können wir die Entwicklung und Verbreitung dieser Pionierprojekte unterstützen? Welche wirtschaftlichen Tätigkeiten fördern Kooperation und eine Unabhängigkeit von Wachstum? Welche makroökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind nötig, um eine soziale und ökologische Wirtschaft voranzubringen?

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3. Gemeinschaft leben

Buen vivir. Creative Commons. Wissen & Technologie.

Nach der Definition von Ivan Illich ist Konvivialität „individuelle Freiheit, verwirklicht in wechselseitiger persönlicher Abhängigkeit“. Konvivialität bezeichnet ein friedliches, gemeinschaftliches Leben auf kreative und (kollektiv) selbstverwaltete Weise. Der Begriff steht damit für eins der richtungsweisenden Ideale für einen gerechten und partizipativen Weg in eine Gesellschaft jenseits des Wachstums. Institutionen und Technologien dienen derzeit der profitorientierten Wirtschaft, stattdessen sollten sie ein gemeinschaftliches Leben unterstützen.

Wichtige Fragen für die Forschung und Debatte in diesem Feld sind: Wie können wir unseren Geist und Körper von der Abhängigkeit von Wachstum befreien? Wie können wir konviviale Technologien fördern, die dem Gemeinwohl dienen sowie Teilen und Kooperation erleichtern? Konvivialität eröffnet auch das Diskussionsfeld über alternative Wohlstandsmodelle im Allgemeinen und gelebte Utopien aus verschiedenen Teilen der Welt, wie zum Beispiel das lateinamerikanische „Buen Vivir“ oder das afrikanische „Ubuntu“-Konzept. Viele dieser Konzepte kritisieren die westliche Wahrnehmung der Natur als eine Ware und schlagen eine andere Mensch-Natur-Beziehung vor. Diese Modelle können Inspiration liefern für neue Formen des Wohnens, der Produktion und der Nutzung von Waren und Dienstleistungen – nicht individualisiert, sondern innerhalb einer lebendigen Gemeinschaft.

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