- keimform.de - https://keimform.de -

Commons in grün

Es ist gut, wenn sich die verschiedenen politischen Strömungen zu den Commons ins Verhältnis setzen. Das gilt auch für die großen Parteien. Am ausführlichsten haben dies nun die Grünen, genauer: die Bundestagsfraktion, getan. Ein langer Text liegt im Entwurf [1] vor und kann bis zum 31.1.2013 kommentiert werden. Und Kommentare hat dieser Entwurf dringend nötig. I did it.

Hier nur die wichtigsten Punkte, die mir aufgefallen sind.

Der gesamte Text hadert ringt mit einem konsistenten Begriff der Commons oder Gemeingüter. Man könnte auch sagen, er scheitert daran, weil sich viele Probleme daraus ergeben, dass nicht zwischen Gemeingüter-Ressourcen (oder Commons-Ressourcen) und Gemeingütern/Commons unterschieden wird. Die Ressourcen werden bereits für die Gemeingüter selbst genommen. So kommt es zu solchen Aussagen:

Im Unterschied zu Gemeingütern unserer Umwelt und der Natur sind kulturelle Güter nicht „naturgegeben“ sondern werden in der Regel von Menschen geschaffen.

Den Autor_innen war hier selbst nicht geheuer, von kulturellen Gemeingütern zu schreiben, obwohl genau die gemeint sind. Also: Natur-Gemeingüter sind gegeben, Kultur-Gemeingüter werden gemacht? Nein. Alle Gemeingüter werden gemacht, sonst sind sie keine Gemeingüter, sondern bestenfalls Ressourcen, die zu Gemeingütern gemacht werden könnten.

Weil das Wort Gemeingüter diesen Irrtum, dem das grüne Papier so gründlich aufsitzt, auch tatsächlich sprachlich nahelegt (wg. des »güter« darin), ist es besser von Commons zu sprechen. Ja, ein Anglizismus, aber weniger verwirrend. Und wenn man sich dann das schöne Zitat von Peter Linebaugh [2] noch dazu merkt, wird alles gut:

There is no commons without commoning.

Keine Commons ohne eine Commons-Praxis. Keine Gemeingüter ohne gemeingütliches Tun. Und Commoning heißt, selbst über die Regeln entscheiden.

So. Wenn das verstanden wäre, müsste jetzt das komplette Papier entsprechend überarbeitet werden. Ich war es dann irgendwann leid, stets auf den Kurzschuss Ressource=Gemeingut hinzuweisen.

Wenn man das dann aber tut, also den Text mit einen angemessenen Commons-Begriff reformuliert, gehen etliche Argumentationsketten so nicht mehr. Wenn zum Beispiel aus dem vorgeblichen Unterschied der Hergestelltheit kultureller Güter abgeleitet wird, dass dafür auch jemand bezahlt werden soll und dass es deshalb auch des Urheberrechts bedarf, dann bricht das Argument hier weg. Wenn alle Commons gemacht werden, sollten dann nicht auch Natur-Commoners bezahlt werden? Und schon wären wir in der alten Waren- und Markt-Logik, die nichts mehr mit Commons zu tun hat.

Ja, kaum zu glauben, aber so wie gerade skizziert wird tatsächlich das Urheberrecht gerechtfertigt. An das oben aufgeführte Zitat (»Im Unterschied…«) schließt sich dieser Satz an:

Schöpferinnen und Schöpfer haben deshalb das Recht, über einen bestimmten Zeitraum für ihre Leistung vergütet zu werden und selbst zu bestimmen, wie mit ihren Werken verfahren wird.

Deshalb! Deshalb? Weil das kulturelle Gut, das nicht wirklich Gemeingut genannt wird, obwohl es im Kontext so gemeint ist, geschaffen und nicht wie Natur vorgefunden wird, so der Trugschluss, müssen alle Menschen (außer der Urheber_in) ausgeschlossen werden. Das macht nämlich das Urheberrecht. Das ist schon eine Leistung: Mit dem Gemeingut die Exklusionslogik begründen.*) Tatsächlich müssen Commoners rechtliche Tricks wie Freie Lizenzen erfinden, um die intendierte Exklusionslogik des Urheberrechts zu unterlaufen, um Commons erst möglich zu machen.

Kann man das besser machen? Ja. Dazu verhilft eine weitere Einsicht, die auf Elinor Ostrom zurückgeht: Commons funktionieren jenseits von Markt und Staat. Sie haben ihre eigene Logik, und die gilt es zunächst zu begreifen. Danach kann man das Verhältnis zu Markt und Staat diskutieren. Da kommen dann die Fragen des Geldverdienens und des Politikmachens usw. rein. Das grüne Papier versucht unmittelbar vom einen auf das andere zu schließen und mit dem einen das andere zu begründen.

So auch bei der Politik. Nach dem Schema: Wenn die Politik, dann die Commons. Nein, so geht es nicht. Ich kann ja nachvollziehen, wenn Parteien ihre Politik mit Hilfe der Commons jetzt begründen rechtfertigen möchten, aber es funktioniert einfach nicht und bringt auch für die jeweilige Partei letztlich nichts. Stattdessen bräuchte es eine Lernhaltung gegenüber dem neuen, komischen Ding der »Commons«. So bleibt jedoch der Eindruck zurück, dass die Partei nur ein instrumentelles Verhältnis gegenüber dem »Thema« hat und eh schon alles (besser) weiß.

Das beste an dem zur Diskussion gestellten Entwurf ist übrigens das Diskussionstool. Gezielt können Textteile markiert und kommentiert werden. Ist leider proprietär, kein Commons. Markus Euskirchen berichtet [3], das Tool betatext [4] sei unter GPL zur Verfügung gestellt worden. Das ist cool!

* * *

*) Diese »Leistung« bringt auch die linke politische Konkurrenz zustande. Das macht es nicht bessser. Ein besonders unerfreuliches Exemplar sei zitiert: »Die Frage, was open access oder open sources der Gesellschaft kostet und dass dahinter auch ein sowohl gesellschaftlicher wie individueller Aufwand steckt, wird dabei nicht selten ignoriert. Viele dieser Projekte überleben nur, weil die materielle Basis, an die sie wie Parasiten an eine Wirtspflanze in der Natur angedockt wurden, bereits vorhanden und anderweitig reproduziert und bezahlt wird.« (Jürgen Leibiger, Zukunft Eigentum [5], S. 52)