Konkurrieren — Kooperieren — Auskooperieren

[(Teil-)Beitrag zu dem neuen Commons-Buch (Commons – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat, Hg. Silke Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung); Lizenz: CC BY-SA. Beide Teile gibt’s in einem PDF.]

Commons funktionieren anders als Unternehmen, die auf dem Markt um An­teile konkurrieren. Nur selten gelingt es diesen, der Verdrängungskonkurrenz durch Schaffung neuer Märkte aus dem Weg zu gehen. Die Marktlogik besagt: Verdränge oder du wirst verdrängt. Konkurrenz ist nicht ursächlich das Resul­tat von Gier oder bösem Willen, sondern sie ist ein objektiver Effekt dieser Logik.

Am anderen Ende des Spektrums steht die Kooperation. Kooperation bedeutet, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Sie ist ein Wesensmerkmal menschlicher produktiver Tätigkeit und die Grundlage von Commons.

Kooperation ist kein Gegensatz zur Konkurrenz. Auch Unternehmen organisie­ren Kooperation im Innern, da ihre Produkte sonst niemals entstehen könnten. Sie kooperieren aber auch nach außen, indem sie sich mit anderen Unterneh­men zusammenschließen, um gemeinsam schlagkräftiger zu sein. Kooperation bei Unternehmen ist also die Voraussetzung von Konkurrenz, nicht ihr Gegen­teil.

Commons hingegen kooperieren, um zu kooperieren. Kooperation ist gewis­sermaßen Mittel und Ziel in einem. In der Kooperation werden zwei Dinge erzeugt: die sozialen Strukturen und Praktiken (»Commoning«) und die Pro­dukte – welcher Art auch immer. Kurz: Kooperation erzeugt Kooperation und Nützliches.

Bei Commons gibt es keinen großen Antrieb, zu anderen in Konkurrenz zu treten. Im Gegenteil: Wenn die selbst gegebenen Regeln nicht stark genug sind und sich Konkurrenz einschleicht, bedroht das die Commons. Besonders deut­lich ist dies bei rivalen Ressourcen und Gütern. Zweigt etwa ein Teilnehmer mehr Wasser ab als verabredet, kann dies andere dazu verleiten, sich ebenfalls »ihren Anteil« zu sichern. Die jeweils anderen werden zu Konkurrenten, und am Ende verlieren alle. Etwas anders sieht es bei nichtrivalen Ressourcen aus. Hier kann es durchaus parallele Projekte geben, die das gleiche Ziel verfolgen.

Doch auch diese Parallelität ist keine Konkurrenz im herkömmlichen Sinne, da es nicht darum geht, das jeweils andere Projekt zu verdrängen. Der eigene Er­folg hängt nicht vom Misserfolg des »Konkurrenten« ab. Vielmehr ist niemand daran gehindert, die Ergebnisse des anderen zu übernehmen. Die Beziehungen zwischen den »Konkurrenten« sind also kooperativer Natur.

Das war die Sicht nach innen oder zwischen Commons-Projekten. Nach»außen«, zu parallelen Entwicklungen auf dem Mark, ist die Sache kompli­zierter. Hier ist die Perspektive entscheidend. Aus der Sicht des kommerziellen Marktteilnehmers ist ein Commons-Projekt ein echter Konkurrent, wenn dieser den eigenen Marktanteil schmälert. So hat die Firma Brockhaus ihren Markt­anteil fast komplett an Wikipedia verloren. Aus Sicht des Commons-Projekts ist der kommerzielle Marktteilnehmer dann neutral, wenn dieser den Commons nicht die Ressourcen entzieht. Die eigenen Aktivitäten richten sich nicht darauf, den kommerziellen Konkurrenten zu verdrängen, sondern darauf, dass sich das eigene Projekt gut entwickelt. Dabei kann ein Commons-Projekt die kommer­zielle Konkurrenz auch auskooperieren. Dies geschieht immer dann, wenn Com­mons tatsächlich besser sind als die kommerziellen Anbieter, wobei »besser« sich an den Bedürfnissen der Nutzer und den Motiven der Produzenten be­misst. Wikipedia hat die unfreien Enzyklopädien nicht nur deshalb auskoope­riert, weil sie aktueller und frei zugreifbar ist, sondern auch weil Interessierte mitarbeiten können. Das ist im kommerziellen Produktionsmodell mit seiner Trennung von Produzenten und Konsumenten nicht vorgesehen.

Konkurrenz und Kooperation sind zunächst einmal kein Gegensatz. Konkur­renz braucht unabdingbar die Kooperation, aber eine Kooperation kann auch gut ohne Konkurrenz auskommen.

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