[C|K]omm[o|u]nistisches

Hegel und MarxWer eine allgemeine Emanzipation, eine Befreiung für alle will und/oder für unabdingbar hält, der kommt am Kommunismus nicht vorbei. Auch wenn er oder sie dieses K-Wort für unbenutzbar hält. So greifen manche zum C-Wort und nennen es »Communismus«, was signalisieren soll: Wir gehen noch mal weit zurück und prüfen genau, ob und ggf. was bei den theoretischen Vordenker_innen angelegt war, das sich später katastrophisch auswuchs. Oder noch andere verwenden das moderne »Commonismus«, um die Nähe zu den weitweiten Commons-Bewegungen anzuzeigen, die bekanntlich mit dem niedergelegten Realsozialismus am wenigsten zu tun hatten.

Wie dem auch sei. Wer eine allgemeine Emanzipation will, muss sich mit der Geschichte der allgemeinen Emanzipation befassen — ob sie nun Kommunismus, Sozialismus oder sonst wie hieß. Drücken ist möglich, gilt aber nicht. Denn früher oder später taucht die un/absichtlich böse Frage auf, ob die Forderung nach einer allgemeinen Emanzipation nicht in Gleichmacherei und Terror enden müsse, wie es doch die Geschichte reichlich zeige.

Mit diesem kurzen Artikelchen will ich nur auf einige Dokumente hinweisen, die sich in jüngerer Zeit ernsthaft mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben. Kurz: Eine kommentierte Linkliste 🙂

Am 3./4. August 2012 fand in Oberhausen die Veranstaltung »kommunismus – communismus – ˌkɔmuˈnɪsmʊs. Reflexion über Geschichte, Kritik und Rettung eines bedeutungsschweren Begriffs« statt. Immerhin vier Veranstaltungen wurden als Mitschnitte veröffentlicht, und nur auf diese Mitschnitte kann ich mich beziehen. Um es vorweg zu nehmen: Zu einer möglichen Rettung des diskutierten Begriffs war nicht viel zu hören, zur Geschichte und Kritik umso mehr. Meine Zusammenfassungen aus dem Kopf, nachdem ich alles gehört hatte (Fehler gehen auf meine Kappe, Korrekturen willkommen):

Roger Behrens begann mit dem Beitrag »Die Idee des Kommunismus«. Mit der »Idee« will er sich vom Begriff des »Ideals« absetzen. Als »Idee« versteht er den Versuch, Kommunismus zu »denken«, als »Ideal« hingegen den Versuch, dieses Denken soweit zu konkretisieren, das es auf ein »Auspinseln« hinausläuft. Während er das »Denken des Kommunismus« im ersten Teil des Referats ein Stück weit selbst durchführt, nimmt er diese begriffliche Annäherung im zweiten Teil mit Verweis auf Adorno wieder zurück, der in der Negativen Dialektik darauf hinwies, dass auch unsere Begriffe vom Falschen durchsetzt sind. Dennoch wagt sich Behrens ein Stück über das »Bilderverbot« hinaus, das er in seinen dreissig Thesen zum Kommunismus noch strikter einforderte. Er beschreibt seine Position selbst als zwischen den Polen des »Bilderverbots« (Adorno) und dem »Messianismus« (Benjamin) pendelnd.

Olaf Kistenmachers Thema war »„Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker der Welt“? Zur Kritik des marxistisch-leninistischen Antiimperialismus«. Er verortet in Lenins Schriften wesentliche theoretischen Quellen der Entdeckung der »nationalen Befreiungsbewegungen« als revolutionärem Subjekt. Die Ergänzung des bekannten Slogans aus dem Kommunistischen Manifest »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« um »und unterdrückte Völker der Welt« Mitte der 1920er Jahre drückt dies plakativ aus. Die Betonung des Nationalen hielt Einzug in die Programme der Kommunistischen Parteien. Am Beispiel der KPD zeigt der Referent, wie das Nationale und teilweise auch antisemitische Argumentationsfiguren als Argumente in Konkurrenz zum Nationalsozialismus in Stellung gebracht wurden mit dem Ziel, die KPD als die »wahre« Vertreterin der nationalen Interessen des »deutschen Volkes« zu inszenieren (was bekanntlich nach hinten losging). So entstanden ethnische oder völkische Subjekte, die als Ganzes als »fortschrittlich« beurteilt wurden (»die Araber«), eine Argumentationsfigur, die bis in die heutige Zeit wirkt.

Hendrik Wallat bemüht sich in seinem Beitrag »Aspekte & Probleme linker Bolschewismuskritik« frühe linke Kritiken am Emanzipationsmodell der Bolschewiki vor und kurz nach der Oktoberrevolution sichtbar zu machen (also noch vor der Stalin-Zeit). Dabei bezieht er sich auf den Räte-Kommunismus und den Anarchismus sowie Kritiken von Rosa Luxemburg und Leo Trotzki. Kritisiert wurde die Avantgarde-Konzeption von Lenin (Trotzki schwenkte später auf das Avantgarde-Modell ein), die die »Partei der Berufsrevolutionäre« zur Repräsentantin der Revolution macht und ihr unbeschränkte Macht verleiht. Die linken Kritiker_innen vertraten demgegenüber eher ein Modell der Selbstorganisation der Arbeiter_innen. Nicht thematisiert wurde jedoch die Tatsache, dass sich alle Linken dieser Zeit am Modell der »Machtübernahme« orientierten und sich allein über den Weg uneins waren — eine unfruchtbare Debatte, die bis heute wirkt.

Hannes Geißler geht noch weiter zurück in der Geschichte und zeigt in seinem Beitrag »Der Verein freier Menschen – Marx’ Grundlegungen des Realsozialismus«, dass Marx v.a. mit der Schrift zur Kritik am Gothaer Programm Hinweise zur Gestaltung des Kommunismus gab, auf die sich in der Folge dann fast alle linken Bewegungen bezogen. Der Referent steigt noch einmal ein in die Argumentation des Marx-Texts und versucht die Stichhaltigkeit zu prüfen. Er kommt zu dem Schluss, dass Kommunismus als Planwirtschaft nicht funktionieren kann. Erst gegen Ende des Vortrags gesteht er allerdings ein, dass Marx hier von der »ersten Phase des Kommunismus« spricht, die später dann »Sozialismus« genannt wurde. Ist nun aber eine »höhere Phase des Kommunismus« überhaupt möglich? Hier verheddert sich der Referent in seinen eigenen Setzungen: Wenn es keinen Markt gebe, dann müsse eine Wirtschaft geplant werden, und das funktioniere nicht — siehe Realsozialismus. Doch: Kann es jenseits von Markt und Plan noch eine andere Form der gesellschaftlichen Vermittlung geben? Zu dieser Frage stößt der Referent nicht vor.

Ergänzend zu der Diskussion des Marxschen Kommunismus-Begriffs in der Gothaer-Programm-Kritik kann ich zwei weitere Quellen empfehlen.

Ulrich Weiß hat in seinem Text »Zur Zeitbezogenheit marxistischer Kommunismusvorstellungen« ausführlich die Frage untersucht, wie Marx zum »historischen Subjekt« (schließlich das Proletariat) kommt. Eine Rolle spielt dabei auch die erwähnte Kritik-Schrift zum Gothaer Programm.

Dann habe ich selbst beim Vortrag »Das Bilderverbot aufgeben, den Kapitalismus aufheben« jenes Bilderverbot, das immer auch mit einer Bilderaffirmation einhergeht, zum Thema gemacht und versucht zu zeigen, dass jede Negation des Kapitalismus immer auch eine Vorstellung davon enthält, was eine Aufhebung bedeuten kann. Diese muss expliziert werden, anstatt sie mittels Verboten wegzusperren, da sonst allein die realexistierenden Bilder des Kommunismus (der traditionsmarxistischen Art samt Realsozialismus und Planwirtschaft) die alleinige Gültigkeit für sich beanspruchen können. Dieser Vortrag kann auch als Versuch gehört werden, über Behrens und Geißler hinauszukommen, zumindest dem Anspruch nach.

Wie eine solche (von mir behauptete und ggf. ungewollte) Bilderaffirmation aussieht, kann man in diversen Foren begutachten. Es ist ja nicht so, dass nicht über Kommunismus diskutiert werden würde. Um also wieder auf den Boden der Wirklichkeit zu kommen, weise ich beispielhaft auf drei Foren (eins, zwei, drei — kann sein, dass die Links nicht lange gültig sind, weil Diskussionen gelöscht werden) hin, wo über das Für und Wider des Kommunismus gestritten wird. Dabei ist unklar, welche Positionen gruseliger sind: PRO oder CONTRA. — Kommunismus? »Warum nicht? Wäre doch super wieder nach der Spätschicht angstfrei nach Hause zu fahren und keine Existenzangst und ohne Not zu leben«. — Die Bilder sind in der Welt.

Um zu einem versöhnlicherem Abschluss zu kommen, hier noch einer Hinweis für jene, die schon immer mal eine sehr kurze Einführung in die Hegelsche Dialektik hören wollten. Eva Bockenheimer hat es in ihrem Vortrag »Marx und die Hegelsche Dialektik« geschafft, einen wirklich sehr guten Einstieg in die doch sehr besondere Denkweise der Hegelschen Logik zu geben. Dass sie viele ihrer verallgemeinerten Kenntnisse dann später als bekennende »Arbeiterbewegungssozialistin« über den Haufen wirft, ist zu verschmerzen.

Genug Futter für die Feiertage!

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