Vom Ende des Geldes

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Franz Hörmann, Professor an der Wirtschaftsuni Wien, hat mit seinen Thesen vom Zusammenbruch des Währungssystems schon einigen Staub aufgewirbelt. Dieses Jahr soll’s passieren. Und dann? WienTV hat ein Interview mit Hörmann gemacht (im Anschluss an eine Veranstaltung zum Zeitgeist-Film Moving Forward):

Was ist davon zu halten?

Mal abgesehen von der konkretistischen Datierung des Crashs (da haben sich schon andere Kollaps-Theoretiker getäuscht), sehe ich eine Reihe von problematischen Punkten in Hörmanns Thesen — hier mal nur die, die mir spontan anhand des Interviews aufgefallen sind (Disclaimer: ich habe Hörmanns Buch nicht gelesen).

1. Hörmann behandelt Geld so, als ob es tatsächlich nichts mehr mit realer Wirtschaft zu tun habe. Geldschöpfung sei ein Willkürakt privater Banken. Die Probleme entstünden dann deswegen, weil Geld als Substanz angesehen (ein Topf voller Goldstücke) und mit Zinsen belegt werde. Eigentlich sei Geld jedoch eine reine Zähleinheit, bloß Information, es bilde keine Substanz ab, sondern nur Verhältnisse.

Es ist richtig, dass Geld nur Verhältnisse abbildet, aber diese Verhältisse sind Tauschverhältnisse von Waren, hinter den ihr Herstellaufwand steht. Dafür gibt es in der traditionellen politischen Ökonomie auch einen Begriff: Wert. Während der Preis nur eine Zahl sein mag, ist der Wert Ausdruck eines Verhältnisses. Um dies zu verdeutlichen nannte Marx das durch den Wert ausgedrückte gesellschaftliche Verhältnis im Anschluss an die dialektische Philosophie Hegels »Wertsubstanz«. Versteht man Substanz hier umgangssprachlich als »Stoff« und nicht als »Verhältnis«, dann liegt man falsch.

Realgeschichtlich war es tatsächlich eine spezielle Ware, die zur Geldware wurde. Daher liegt es nahe, die Geldware immer als »Sache« zu denken. Tatsächlich drückte auch die historische Geldware nur Verhältnisse zwischen Tauschenden aus. In der Folge wurde dann auch die Stofflichkeit des Geldes aufgegeben, schließlich sogar die stoffliche Deckung mittels Gold im Banksafe, so dass Geld heute nur als »Nummer« erscheint und nichts mehr mit den realen Tauschverhältnissen zu tun hat. Das ist jedoch nicht so. Zwar hat sich die Finanzsphäre relativ von der Realwirtschaft entkoppelt und generiert immer wieder neue »Finanzprodukte aus dem Nichts«, doch bleiben diese stets — wenn auch räumlich und zeitlich vermittelt — auf die Realwirtschaft bezogen. Das partielle wieder-in-Deckung-bringen von Finanzsphäre und Realsphäre ist dann eine Krise. Diese wird mit Notwendigkeit produziert, und mit Notwendigkeit auf immer höherem Niveau.

Der eingebaute Aufschaukeleffekt (aus Geld muss stets mehr Geld werden) hat tatsächlich Total-Crash-Potenzial — da gehe ich mit Hörmann wieder mit. Das liegt aber nicht an den Zinsen, sondern umgekehrt sind Zinsen nur Ausdruck des eingebauten Wachstumszwangs kapitalistischer Logik. Zinsen sind sozusagen die Scheibe, die sich die Finanzsphäre vom Realwachstum abschneiden will — und weil die Realwirtschaft nicht schnell genug »liefern« kann, simuliert sie das schon mal vorab in der relativ entkoppelten Finanzsphäre selbst. Relativ, denn irgendwann kommt der Zwangsabgleich, und dann brechen die Kartenhäuser und Pyramidensysteme zusammen.

2. Hörmann will das, was er meint, dass ohnehin der Fall sei — Geld nur als Zähleinheit — nach einem Crash als neues Geld wieder einführen (durch das Sozialministerium), diesmal mit Grundeinkommen für alle. Dann werde Kooperation statt Konkurrenz und Gerechtigkeit statt Ungerechtigkeit herrschen.

Warum sollte sich dieses »neue« Geld anders »verhalten« als das alte? Alle Verhältnisse, in denen das Geld seine Rolle spielt, sind noch die alten: getrennte Privatproduktion, Tausch, Markt, also Wertverhältnisse. Damit gibt es weiter Konkurrenz und Profitmaximierung. Und natürlich auch weiterhin Kooperation, denn kooperiert wird auch jetzt schon. Auch jetzt schon werden Autos in Legobauweise hergestellt (war ein Beispiel von Hörmann). Gerechtigkeit verstanden als gerechten Tausch (=Äquivalententausch) gibt es ebenfalls schon. Einzig das Grundeinkommen wäre neu, es würde tatsächlich vielen Menschen Erleichterung verschaffen.

3. Bezahlt würden nicht mehr »tote Gegenstände«, sondern nur noch menschliche Leistungen und Fähigkeiten. Für Rohstoffe gäbe es eine eigene Zirkulation. Unbeliebte Tätigkeiten würden mit extra Prämien belohnt, während beliebte Tätigkeiten nicht so viel einbrächten. Da Geld nur eine Zahl wäre, könnte man auf diese Weise menschliches Verhalten steuern.

Sollen »tote Gegenstände« per Gesetz als »wertlos« erklärt werden? Hier zeigt sich wieder der Irrtum, dass Geld eine quasi funktionslose, willkürliche Angelegenheit sei, die beliebig umdefiniert werden könne. Dem ist nicht so. Existieren die basalen Prozesse der Warenproduktion- und distribution weiter, so wird das Geld darin auch weiter seine Funktion erfüllen. Die »Werthaltigkeit« von Produkten ist nicht etwas, das per Verabredung eingerichtet wurde und entsprechend wieder abzuschaffen wäre, sondern mit der Notwendigkeit zum Tausch (solange privat produziert wird, besteht sie) gibt es mit Notwendigkeit Geld, das den Tausch vermittelt. Das ist keine Verabredung, sondern setzt sich hinter unserem Rücken durch. Das wusste schon Adam Smith.

Lustigerweise erinnert mich die Willkürbewertung (Unbeliebtes hoch, Beliebtes niedrig) an Christian Siefkes‘ altes (inzwischen verworfenes) Versteigerungsmodell der Peer-Ökonomie. Aber das nur am Rande, sonst haben die Überlegungen nicht viel mit einander zu tun.

So. Es gäbe es noch mehr, das lasse ich jetzt (Stichwort: Bankmitarbeiter als psychologische Coaches — welche Horrorvorstellung!).

Warum müssen diejenigen, die Geld im Prinzip als Fetisch erkannt haben — und das schaffen ja wrklich nicht viele –, dann letzten Ende doch am Geld festhalten? Es scheint ein zu großer Gedankensprung zu sein, sich Verhältnisse vorstellen, in denen wir nicht durch eine sachliche Macht — den Zwang »Geld zu machen« — getriezt werden, sondern unser Leben tatsächlich in die eigenen Hände nehmen.

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