Ein revolutionäres Minimalprogramm

Seit einigen Monaten wird als eine Konsequenz einer von der Sozialistischen Initiative Berlin-Schöneberg angeregten Organisationsdebatte ein revolutionäres Minimalprogramm erarbeitet. Aus diesem Prozess (1, 2, 3) hat sich inzwischen das Bochumer Programm (PDF) herauskristallisiert. (Dokumentation der aktuellen Diskussion)

Das Programm könnte auch für Menschen, die den Keimformen nahestehen, interessant und unterstützenswert sein. Robert Schlosser, einer der elf Mitverfasser des Programms, begründet, warum eine solche Aufstellung von Forderungen innerhalb des Kapitalismus sinnvoll ist. Eine theoretische Kritik des Kapitalismus alleine reiche nicht, um revolutionäre Bewegungen anzustoßen. Ein kommunistisches Bewusstsein entwickelten Menschen oft erst in einer revolutionären Bewegung. In dem Programm finden sich einige Punkte, die genau jene Veränderungen einfordern, die einer Gesellschaft mit commonsbasierter Peerproduktion vorausgehen müssen. Die „wichtigsten politischen Forderungen“ des Programms beziehen sich gerade darauf:

  • Kommunalisierung und Demokratisierung von Energieversorgung, Lebensmittelversorgung und Transportwesen;
  • Kommunalisierung und Demokratisierung des Bildungswesens. Einheitliche Ausbildung in Theorie und Praxis für Alle bis zum 18. Lebensjahr.

Die Einschränkung der Kommunalisierung und Demokratisierung auf diese Bereiche mag vielleicht zu willkürlich und zu restriktiv erscheinen, will doch die Peerökonomie idealiter jede Produktion in kommunalen und dezentralisierten Gemeinschaften geeigneter Größe organisieren. Dazu muss jedoch auch der erste Schritt einer vielleicht langwierigen Transformation getan werden. Die kommunale Versorgung mit Energie, Lebensmitteln, Transport und Bildung würde Menschen in ihren elementaren Bedürfnissen von einer fremdbestimmten Produktion unabhängig machen und die Selbstverantwortung und -organisation, die eine künftige Produktionsweise kennzeichnen werden, einüben.

Die nächsten vier Forderungen kann die Commonsbewegung ohne weiteres unterstützen. Mit dem Ende des Staates, den auch die Commons irgendwann obsolet machen werden, sind diese Forderungen sowieso erfüllt:

  • Freiheit der Information, der Rede, der Versammlung und der Organisation;
  • Abschaffung des Beamtentums;
  • Trennung von Staat und Kirche. Abschaffung der Kirchensteuer;
  • Abzug aller deutschen Soldaten aus dem Ausland.

Im Programm folgen noch die „wichtigsten gewerkschaftlichen Forderungen“. Sie berühren die Commons nicht direkt, da es in Commons ja keine kapitalistische Produktion, keine Lohnarbeit, mehr gibt. Trotzdem ist eine Unterstützung zu erwägen, weil auch Menschen in Commons mehrheitlich noch in der kapitalistischen Gesellschaft verankert und vielleicht als Lohnarbeiter außerhalb ihres Commons vom Kapital abhängig sind. Wollen sie die Commons weiterentwickeln, müssen sie sich Freiräume vom Kapital verschaffen. Hier ergeben sich Anknüpfungspunkte zum Kampf der Gewerkschaften, natürlich nur der revolutionären (in Deutschland etwa IWW und FAU). Der Dialog mit emanzipatorischen Bewegungen und eine gewisse Synchronisation mit ihnen im Klassenkampf scheinen mir zur Lösung der Frage der Aneignung der Produktionsmittel bedeutsam. Denn, so versichert das Programm: „Abschaffung der Lohnarbeit mittels Selbstverwaltung der Unternehmen durch die Werktätigen ist unser wichtigstes Ziel.“ Stehen Betriebe erst unter der Kontrolle der Produzenten, so rückt die Perspektive einer demokratischen Selbstorganisation von wertfreier Gebrauchsgüterproduktion ein Stück näher.

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