- keimform.de - https://keimform.de -

Commons Based queer Production

[1]Auf diesem Schild bin ich das erste mal dem vom üblichen „Commons Based Peer Production“ abweichenden Begriff „Commons Based queer Production“ begegnet [2]. Ich bat die Schildermaler_innen um eine Erläuterung. Here we go:

Mit dem Begriff “commons based queer production” beziehen wir uns auf die bei oekonux, keimform und anderen ausgearbeiteten Konzepte einer neuen kommunistischen Produktionsweise jenseits von Staat und Markt. Die Idee wurde angesichts tatsächlicher Produktionen im Bereich freier Software entwickelt, die auf offenen Codes und freiwilligen Beiträgen beruhen. Die “peers” kommunizieren untereinander über die zu erledigenden Aufgaben und Ziele, wie auch über die Mittel zu ihrer Erreichung. Die erstellten Produkte können frei zirkulieren (können frei heruntergeladen und kopiert werden), werden also nicht warenförmig.

Die Idee der commons based peer production, wie sie z.B. von Christian Siefkes ausgearbeitet wurde) verallgemeinert diese Konzepte und bezieht sie auf den gesamten Bereich materieller Produktion, der dergestalt dezentral (aber nicht marktförmig!) und radikaldemokratisch organisiert werden könnte. “Peer” durch “queer” zu ersetzen, will darauf hinweisen, dass eine gesellschaftliche Organisation von Tätigkeiten sich nicht auf solche Arbeiten beschränken darf, die der sogenannten “Produktionssphäre” zugeordnet sind, sondern auch den Bereich umschließen muss, der als “Reproduktionssphäre” gefasst wird. Schließlich arbeiten wir nicht nur in Fabriken oder Büros, sondern auch in der Küche und im Bett. Wir stellen nicht nur Lebensmittel her, sondern bereiten sie auch zu, wir basteln nicht nur Windeln, sondern wickeln sie auch. In Gesellschaften mit heterosexistischer Produktionsweise werden pflegende, sorgende, sexuelle, amouröse Arbeiten in den Bereich des Privaten verdrängt, was ihre Ausübung wie ihre (unentgeldliche) Aneignung unsichtbar macht. Dies gelingt umso besser, insofern eine Gruppe von Menschen konstruiert wird, die den Anschein erweckt, als fände sie in diesen Tätigkeiten die Entsprechung ihres natürlichen Charakters ( – und “arbeite” also dabei gar nicht). Historisch betrachtet sind die Warenbeziehung und die Liebesbeziehung gleichursprünglich. Während der eine Tätigkeitsbereich versachlicht und objektiviert wird, wird der andere Tätigkeitsbereich personalisiert und subjektiviert.

Das sozialistische Emanzipationsmodell wollte diese bürgerliche Spaltung aufheben, indem es sämtliche Arbeiten des Reproduktionsbereiches nach dem Vorbild der öffentlichen (Lohn)Arbeit zu rekonstruieren versuchte. Damit wurde die Bekämpfung des Geschlechterklassen zum einen auf den Tag verschoben, an dem der Staat weit genug entwickelt sein würde, um diese “Sozialausgaben” zahlen zu können, zum anderen wurden die so genannten “weiblichen” Tätigkeiten als rückständig angesehen, die im Sinne des industrialisierenden Fortschritts zu überwinden seien. Eine kommunistische Perspektive, die es ernst meint, kann es sich hier leichter machen. Sie braucht nur auszusprechen, dass sämtliche Arbeiten, die zur Befriedigung der assoziierten Bedürfnisse nötig sind, auch als gesellschaftlich notwendige anerkannt werden wollen – um solidarisch befriedigt zu werden.

Guido und Bini