George Clooney als homo oeconomicus in der Krise

Gestern habe ich „up in the air“ gesehen. Ein Film, der mich ähnlich ratlos hinterlassen hat, wie Antje, wenn auch aus anderen Gründen. (Spoilerwarnung: Wer den Film noch sehen mag und nicht mit Spoilern leben kann, sollte vielleicht nicht weiterlesen).

Ich glaube zunächst mal im Gegensatz zu Antje, dass es in dem Film nicht primär darum geht ein Role-Modell zu installieren (was einen natürlich nicht daran hindern muss, eins in dem Film zu suchen). Es ist wohl eher der Versuch das Krisen-Trauma zu verarbeiten. Was ist denn jetzt mit dem American Dream wo der so offensichtlich einen vor den Bug gekriegt hat? Diese Frage will der Film bearbeiten. Deswegen wird er auch für so viele Oskars nominiert, was mir ansonsten völlig unverständlich wäre, weil das künstlerisch ein völlig durchschnittlicher Film ist. Aber er nimmt eine gesellschaftliche Funktion war. Dass er an dieser Aufgabe scheitert, wundert nicht weiter, denn die Gesellschaft als Ganzes scheitert ja auch daran. Doch genau aus diesem Scheitern können wir vielleicht etwas lernen.

Ryan ist die übertriebene Karikatur des homo oeconomicus. Er zelebriert seine Bindungslosigkeit und hält Vorträge darüber, wie man sich von allen Bindungen befreien kann. Er lebt davon Leute zu feuern und kriegt deshalb in der Krise noch extra viel Arbeit. Der Film versucht nun zunächst in klassischer Hollywoodmanier das Gegenteil zu diesem Lebensmodell zu installieren, das Lieblingsthema von Hollywood seit Jahrzehnten: Die Family Values. Das wird dann zunächst etwas gebrochen, weil Ryans auserwählte dummerweise schon eine Familie hat. Er selbst begibt sich am Schluss also auch wieder in seine Bindungslosigkeit, aber die von ihm gefeuerten beteuern uns, dass sie ja so glücklich über den Rückhalt ihrer Familien sind, und dass das ja das einzig wichtige im Leben ist. Ausgenommen, die eine gefeuerte, die sich umgebracht hat, die hatte wohl keine Familie – zumindest ist im Film nicht von einer die Rede.

Am Ende bleibt nur Ratlosigkeit zurück. Sowohl beim Zuschauer als auch bei Ryan. Da wird nichts aufgelöst. Es ist einfach so, dass er mangels Alternative so weiter macht wie bisher auch wenn er inzwischen gelernt hat, dass das Leben als homo oeconomicus nicht wirklich trägt. Damit spiegelt der Film genau die gesellschaftliche Situation in der wir uns befinden: Alle wissen, dass der Neoliberalismus gescheitert ist, es muss noch irgendetwas anderes geben, nur das klassische abgespaltene Andere der „Family Values“ kann es nicht mehr sein. Die sind auch unwiderbringlich verloren. Das Festhalten an diesen Werten wirkt ebenso verzweifelt und ratlos wie das Festhalten am homo oeconomicus. Also wird weitergemacht wie bisher. Ryan sammelt weiter Bonusmeilen und die FED senkt die Zinsen und den Banken schiebt man das Geld in den Arsch. Was soll man auch sonst tun? Davon hat dieser Film ebenso wenig eine Ahnung wie die Gesellschaft als Ganzes. Ist das zu dokumentieren schon ein Verdienst?

Nun lese ich gerade Friederikes Buch „Der homo oeconomicus und das Andere“ in dem erklärt wird, wie diese beiden Welten zusammen hängen und wie sie historisch gemeinsam entstanden sind. Ich bin noch ganz am Anfang aber ich hoffe doch, dass das Buch mir mehr zu bieten hat als der ratlose Film. In der Einleitung hat sie sich auf jeden Fall schon mal viel vorgenommen:

„In dieser Arbeit möchte ich

  • die Möglichkeiten eines subjekttheoretisch fundierten Hegemoniebegriffs aufzeigen
  • die Entstehung und Bedeutung des homo oeconomicus als hegemoniales Ideal und die damit verbundenen Abspaltungen wirtschaftstheoretisch herausarbeiten
  • die Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit und „Rassen“ historisch in ihrer Interaktion zum bürgerlichen Subjekt verfolgen
  • empirisch und theoretisch auf das Verwobensein von nicht nur Ökonomie und Identitäten, sondern aller Machtverhältnisse verweisen
  • auf dieser Analyse theoretische und politische Perspektiven aufbauen.“

Verdammt viele dicke Bretter will sie da bohren auf nur 320 Seiten. Ich bin gespannt.

Fortsetzung folgt (vielleicht)

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