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Wem gehört der Himmel — uns?

Elevate-Festival in Graz

[Fortsetzung [1] des Berichts vom Elevate-Festival von heute, 7.11.2008]

Das zweite Panel am heutigen Tag stellte die Frage: »Gibt es einen Ausweg aus der Klimafalle?« [2]. Das wurde — erwartungsgemäß? — die schwächste Diskussion bislang.

Hans-Jochen Luhmann vom Wuppertaler Klimaforschungsinstitut gab einen seltsamen Vortrag: kapitalismuskritisch gestartet und mit dem Kapitalismus als Lösung gelandet. Zunächst zeigte er an einigen wenigen Daten sehr klar, was Klimawandel empirisch bedeuten wird — die Szenarien sind weitgehend bekannt. Dann verlegte er mit dem Konstrukt »Homo Industrialismus« die Ursache in die Menschen und das von ihnen »erfundene« Industiemodell. Als Ausweg diskutierte er den merkwürdigen Gegensatz »Kapitalismus vs. Demokratie« und votierte für den Kapitalismus. Argument: Demokratie ist kurzfristig orientiert, nur das Kapitalkalkül ermögliche »professionelles intertemporales Handeln«, sprich könne langfristig die Probleme angehen.

Achim Brunnengräber kritisierte die Vorstellung, kapitalistische produzierte Folgen seien mit eben jenen Mitteln, die die Folgen erst hervorgerufen haben, zu beheben. Den »neuen Markt« des »Zertifikatshandels« als »Inwertsetzung der Atmosphäre« bezeichnete er als gescheitert. Bei der Diskussion der Alternative griff er implizit die Entgegensetzung von Kapitalismus und Demokratie von Luhmann auf und votierte für die Ausweitung der Demokratie.

Silke als Moderatorin nutzte (abgesprochen) die Möglichkeit, ihre Position darzustellen. Sie plädierte für einen demokratisch kontrollierten Emissionsrechtehandel, bei dem die »Verschmutzungsrechte« nicht verschenkt werden (wie es derzeit der Fall ist). Die verwies auf das »Skytrust-Modell«, das sich von der aktuellen Praxis unterscheidet. Dieses gehe davon aus, dass die Atmosphäre allen Menschen gehört, und wer die »Verschmutzungszertifikate« haben will, muss sie ersteigern. Die Erlöse werden genutzt, um Klimaschutzprojekte zu bezahlen.

Oh manno! Der Diskurs ist komplett in »pragmatischen« d.h. »sachzwanggesteuerten« Argumenten eingesponnen. Bezeichnenderweise war vom »Commons-Paradigma« nicht mehr die Rede. Erfrischenderweise hat Luhmann den Emissionshandel als peripheres Instrument bezeichnet. Er plädierte für die Entwicklung von Visionen, seine sei die einer von fossiler Energie unabhängigen Industriegesellschaft. Zerfikate müssten eigentlich so vergeben werden, dass auch alle bisherigen Emissionen einbezogen werden. Danach müssten die Industrieländer heute schon »zahlen, zahlen, zahlen«. — Nur wofür? Und wie soll die kapitalistische Industriegesellschaft in und mit ihrer Geldvermehrungslogik »umgebaut« werden? Was ist mit dem Wachstumszwangs des Kapitalismus?

Am Ende ging man ziemlich ratlos auseinander, mich eingeschlossen. Schade, dass sie Social-Innovation-Leute [3] nicht da waren…

*

Morgen bin ich gleich zwei Mal mit von der Partie. Einen Bericht gibt es also später. Vielleicht schaffe ich es aber noch, vorher meine vorbereiteten Thesen hier einzustellen. Das ist noch etwas unsicher, weil es morgen vormittag noch eine Vorbesprechung zum letzten Panel »Reclaim the Commons« [4] geben soll. Mal sehn.