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Provisorische Gedanken über Commons, Krise, ursprüngliche Akkumulation und Feminismus

Trotz unerträglicher Hitze versuche ich mich mal an einem weiterer Beitrag zur Debatte um Gemeingüter und die ursprüngliche Akkumulation.

Stefan schrieb in seinem Artikel [1] ja nicht ganz unrichtig, dass man nicht alles in einen Topf werfen solle, dass es also signifikante Unterschiede zwischen der „ursprünglichen Akkumulation“ wie sie Marx beschreibt, der „fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation“ wie sie Luxemburg beschreibt und der Einhegung der Commons damals und heute gibt. Ich habe dazu ein paar noch ziemlich ungeordnete Gedanken (wie schon der Titel deutlich machen sollte). Und wie es so meine Art ist, mißbrauche ich euch, um sie zu ordnen.

  1. Ein wesentlicher Strang marxscher Analyse des Kapitalismus besteht darin aufzuzeigen, dass im Kapitalismus Herrschaft und Ausbeutung gerade existiert, weil er dem Prinzip des Äquivalenztauschs folgt und nicht etwa, obwohl das so ist. Das ergibt sich aus der Trennung in Produktionsmittelbesitzer („Kapitalisten“) und Produktionsmittelfreie („Arbeiter“). Diese tauschen zwar äquivalent, aber am Ende schöpfen so die Produktionsmittelbesitzer den Mehrwert ab.
  2. Daraus ergibt sich ein theoretisches Problem. Nun muß Marx nämlich erklären, wie es zu dieser Trennung und der Anhäufung von Kapital kam. Diesem Zweck dient dann die Theorie von der „ursprünglichen Akkumulation“. In der ursprünglichen Akkumulation wurde ungleicher Tausch mit Gewalt durchgesetzt. Eher nebenbei widerlegte er dabei noch die eher peinlichen Vorstellungen klassischer Ökonomen, dass die Akkumulation von Kapital durch höheren Fleiß, bessere Kenntnisse oder größeren Ideenreichtum zustande kam.
  3. Rosa Luxemburg (Disclaimer: Von der hab ich noch weniger gelesen als von Marx, das sind also durchaus eher Vermutungen) entdeckte nun, dass es im Kapitalismus ihrer Zeit große Bereiche gab, in denen immer noch ungleich getauscht wurde. Das theoretische Problem von Marx war also für sie ein ganz praktisches: Wie den Kolonialismus erklären? Ihre Antwort: Der Kapitalismus braucht immer ein „Außen“, in dem er ungleich tauschen kann, also eine „fortgesetzte ursprüngliche Akkumulation“. Damit hat sie meiner Meinung nach Recht. Nicht Recht hatte sie offensichtlich damit, dass der Kapitalismus endet, sobald die ganze Welt ins Kolonialsystem integriert ist, weil dann dieses Außen wegfällt.
  4. Maria Mies [2] und andere aus der Bielefelder Schule haben dieses Prinzip übernommen und auf andere „innere Kolonien“ erweitert [3]. Opfer ungleichen Tauschs sind dort vor allem die Frauen. Aber auch die Ausbeutung der Natur ist eine Frage ungleichen Tauschs (da die Natur ja eigentlich allen gehört).
  5. Unklar ist mir die Position der Wert-Abspaltung [4]s-kritikerin Roswitha Scholz, in dieser Frage. Sie kritisiert [5] die Bielefelderinnen zwar, aber nur in Bezug auf ihren Arbeitsbegriff und darin, dass sie Subsistenzwirtschaft als Lösung sehen. Zur fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation äußert sie sich wohl nicht (oder ich habs noch nicht gefunden). Ihre „Abspaltungssphäre“ scheint etwas anderes zu sein als das „Außen“ der Bielefelderinnen. Nur in welcher Weise, das hab ich noch nicht verstanden. Über kenntnisreiche Erläuterungen wäre ich dankbar.
  6. Auch generell ist das Krisis-Argument [6], dass der Kapitalismus in der Krise sei, weil er nicht mehr expandieren könne, ja strukturell ähnlich zu dem von Rosa-Luxemburg (auch wenn im Detail andere Gründe angeführt werden). Bei Krisis findet man aber eher weniger über Nicht-äquivalenten Tausch. Ihr Kapitalismus ist einer des Äquivalententauschs.
  7. Aus all dem würde sich ergeben, dass die Krisis-Krise zwar da ist, aber eben nur innerhalb des Äquivalenztauschs. Die neuen Einhegungen der Commons, seien sie jetzt digitalisierbar oder nicht, wären also eine Strategie diese Krise des Äquivalenztauschs zu vermeiden in dem man wieder verstärkt den nicht äquivalenten Tausch versucht (mit offenem Ausgang).
  8. Spannend finde ich diese Sichtweise auch, weil sie den feministischen Diskurs mit dem Commonsdiskurs verbindet.

Soweit erstmal meine provisorischen Gedanken. Bitte zerrupfen.