Joachim Hirsch „Über Reform und Revolution“

Joachim Hirsch schreibt in einem ebenso knappen wie richtigen Artikel auf linksnetz.de:

„Statt auf staatliche Macht zu setzen, kommt es also vorrangig darauf an, die Gesellschaft „praktisch zu revolutionieren“, wie Marx das ausgedrückt hat. Man kann dies als „radikalen Reformismus“ bezeichnen, „radikal“ deshalb, weil auf die Wurzel der gesellschaftlichen Verhältnisse gezielt wird, „reformistisch“, weil dies ein langwieriger und konflikthafter Prozess ist. Es ginge um eine Selbstrevolutionierung der Gesellschaft.“

Als aktuelles Aktionsfeld macht er die globalen Kämpfe um Privatisierung aus, aber in einer ungewohnten Sicht, die nicht auf den Staat setzt, sondern:

„Gegenwärtig bildet der Kampf um öffentliche Güter ein entscheidendes Konfliktfeld. Dies resultiert aus der neoliberalen Strategie, dem Kapital umfassend und global neue Anlage- und Profitmöglichkeiten zu erschließen. Es geht aber nicht nur darum, den katastrophalen sozialen Folgen des neoliberalen Privatisierungswahns zu begegnen. Vor allem müsste es dabei auch um andere, nicht vom Markt- und Geldverhältnis bestimmte Formen der Vergesellschaftung gehen. Dabei spielt die Privatisierung des geistigen Eigentums, z.B. bei den Auseinandersetzungen um die freie Software, eine wichtige Rolle. Hier hat sich eine Form gesellschaftlicher Arbeit entwickelt, die nicht der Logik von Markt und Profit folgt und damit durchaus zukunftweisende Qualität hat. Entscheidend wäre ein Ausbau der sozialen Infrastruktur, d.h. des Angebots an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, die allen Menschen unabhängig von sozialem Status und Arbeitsleistung ein würdiges und gesellschaftliche Teilhabe garantierendes Leben ermöglicht – von Gesundheit, Wohnen, Verkehr bis hin zu Bildung und Kultur. Das geht weit über eine Wiederherstellung des herkömmlichen Sozialstaats hinaus und zielt auf ein anderes Verhältnis zum gesellschaftlichen Reichtum, auf andere, selbstbestimmte Lebensformen und nicht zuletzt auf demokratische Selbstorganisation. Wenn dafür gekämpft würde, gäbe es auch die Chance, dass durch die damit verbundenen Konflikte hindurch die Menschen sich selbst, ihre wechselseitigen Beziehungen und ihre Vorstellungen von einer guten Gesellschaft und ihre Lebensformen insgesamt neu definieren.“ (Hervorhebung von mir)

Das finde ich eine spannende Sichtweise, wie Keimformansätze auch in der aktuellen politischen Diskussion wichtig werden könnten – auch wenn sie selbst nur in einem sehr weiten Sinne politisch sind. Das ist auch eine ganz ähnliche Richtung, wie sie in der Commonsdebatte sichtbar wird. Vielleicht könnten da für uns Möglichkeiten liegen im guten Sinne „anschlußfähig“ zu werden?

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