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Fundi-Liberale gegen geistiges Eigentum

Es gibt eine Strömung im Liberalismus, die sich gegen das »geistige Eigentum« ausspricht. In den USA heißen sie »Libertarians« [1], in D-Land verwahren sich viele Anarchisten [2] davor, den Begriff »Libertäre« für diese Strömung des fundamentalen Liberalismus [3] bzw. Anarchokapitalismus [4] zu verwenden. Interessant an dieser Strömung ist, dass sie im Gegensatz zum Neoliberalismus [5] gegen Konzept und Praxis des »geistigen Eigentums« als Monopolrecht ist und folglich Patente, Copyright, Markenschutz etc. ablehnt.

Ein Beispiel dafür ist der Artikel »Is Intellectual Property the Key to Success?« [6], in dem es heisst:

»…was dir in einem freien Markt nicht erlaubt ist, ist Gewalt bei dem Versuch zu nutzen, künstliche Knappheit zu erzeugen, was in der Tat geistiges Eigentum tut. Benjamin Tucker sagte im 19. Jahrhundert, dass es — wenn du deine Erfindung für dich behalten möchtest — nur die Möglichkeit gibt, sie aus dem Markt raus zu halten.« (eigene Übersetzung)

Dieser Schluss basiert auf folgender Annahme:

»Wahres Eigentum ist knapp. Die Gegenstände von geistigem Eigentum sind nicht knapp.«

Diese Kennzeichnung von stofflichen Gütern (»wahres Eigentum«) als »knapp« und nicht-stofflichen Gütern (»geistiges Eigentum«) als »nicht-knapp« liegt auch den meisten »gemäßigten« Kritiken des »geistigen Eigentums« zu Grunde. Sabine Nuss hat diesen scheinbaren »naturgegebenen« Gegensatz in ihrem Buch »Copyright & Copyriot« [7] auseinander genommen und kritisiert — allerdings nicht konsequent genug wie ich meine [8].

Interessant wie gleichzeitig bestürzend finde ich die Tatsache, dass die soziale Fantasie offensichtlich nicht ausreicht, aus der Produktion und Verteilung stofflicher und nichtstofflicher Güter gewissermaßen umgekehrt den Markt rauszuhalten. Die Empfehlung von Tucker aus dem 19. Jahrhundert, seine Erfindung nicht auf den Markt zu bringen, adressiert ja eigentlich die Klage der Unternehmer über Kopisten, die Profit mit der fremden Erfindung machen. Es geht also nicht darum, »eine Erfindung für sich zu behalten«, sondern um die Angst, dass man selbst mit seiner eigenen Erfindung wegkonkurriert wird. Unter Bedingungen, unter denen sich strukturell die Einen nur auf Kosten der Anderen durchsetzen können, ist eine solche Angst völlig nachvollziehbar.

Unter Bedingungen jedoch — und hier setzt mein Ruf nach sozialer Fantasie ein — unter denen sich die Einen nur dann entfalten können, wenn sich auch die Anderen entfalten, sieht die Beziehung von mir zu diesen Anderen schon ganz anders aus. Sie ist völlig anders strukturiert. Meine Erfindung, die ich nicht für mich behalten will, kommt nur dann zur Geltung — und mit ihr ich selbst –, wenn Andere sie aufgreifen und umsetzen. Dies gilt umso mehr in einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft, wo eigentlich sowieso jede/r auf jede/n angewiesen ist. Statt uns gegenseitig zu belauern und misstrauisch zu begegnen, bringt uns Offenheit insgesamt weiter. Das allerdings geht nur ohne Markt. Wie bei Freier Software, zum Beispiel.

[via open… [9]]