Contentklau, was ist das?

Willkommen im Zeitalter des Remix! Was Stefan Weber das Google-Copy-Paste-Syndrom nennt, ist und wird für die Generation, die mit dem Netz aufgewachsen ist, selbstverständlicher Alltag. Doch der Medienwissenschaftler wundert sich:

»Rätselhaft ist … das beängstigende Ignorieren des Plagiats- und Contentklau-Problems in zahlreichen Debatten zur freien Informationskultur im Netz … Eine neue Ära der Netzkritik wäre hier dringend erforderlich.«

Warum ist es »rätselhaft«? Plagiat und Contentklau ist vor allem ein Problem der Verwertung: Der/die Ur-Autorin sieht sich um das Alleinstellungsmerkmal und Einkünfte gebracht, wenn es andere etwas nachmachen oder schlicht kopieren. Wenn wir uns einmal gedanklich von der Verwertungsprobematik lösen, die als »invisible hand« unser Denken formiert, dann bedeutet Remix und Kopie Vermehrung und Verbreitung von gesellschaftlichem Reichtum, der sich gleichwohl nicht mehr monetär ausdrückt: »Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt.« (unbekannter kluger Mensch, wahrscheinlich vor unserer Zeitrechnung).

Wenn unter Bedingungen des »Terrors der Ökonomie« (Viviane Forrester) nun total schlampig, dumm und unfreundlich mit Remix und Kopien umgegangen wird — was Plagiatskritiker wie Stefan Weber ausführlich vorführen können –, dann ist das kein Wunder. Es hilft überhaupt nichts, das Problem zu personalisieren und die Remix-Generation dafür verantwortlich zu machen. Und es hilft auch kein Ruf nach Netzmoralisten (aka »Netzkritik«).

Universalgüter wie Wissen und Kultur generell taugen sui generis nicht zur Verwertung. Wird es trotzdem betrieben, wird Knappheit künstlich oktroyiert, werden Copy-Kids verfolgt, wird der Polizeistaat aufgerüstet, dann werden sich notwendig jene Formen des Umgehens herausbilden, die wir kennen: Filesharing in Peer-to-Peer-Netzen, Freie Software, Kopieren ohne Ende, Remixing usw. Der Schritt, der zu gehen ist, wird von Weber selbst benannt:

»Sollten die Vorstellungen von Autorschaft, Original und Plagiat denn endgültig ausgedient haben, dann müsste dies offen gelegt werden. Denn die Abschaffung dieser Konzepte hätte revolutionäre Auswirkungen auf die gesamte Text- und Wissenskultur – von Fragen der Entlohnung der „Textarbeiter“ (und der zunehmenden Prekarisierung der Content-Produzenten!) bis hin zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft.«

Ja, genau darum geht es mindestens, es gibt ohnehin keine Alternative. Doch meint Weber den Vorschlag ernst oder ist es nur eines üblichen »Horrorgemälde«, das den üblichen Reflex »Kreisch, das wäre ja unkapitalistisch« auslösen soll?

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