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Birma-Sein und Keimform-Bewußtsein

Puh, das ist mal ne sperrige Überschrift! Ok, die Aktion „Free Birma“ [1] haben wir wohl verschlafen. Obs schade drum ist? Keine Ahnung. Sowas ist sicherlich nicht ganz ohne Wirkung aber sicherlich wohl auch eher ein Akt der Hilflosigkeit angesichts von medientransportierter Grausamkeit am anderen Ende der Welt. Dennoch durchaus verständlich finde ich.

Es war ja auch bizarr. In Berlin demonstrieren 15000 gegen Überwachungsstaat und keinen interessierts (zumindestens die Medien nicht) und in Birma protestieren 15000 im Überwachungsstaat und alle berichten groß. Ich freu mich ja immer, wenn das Grundprinzip der Aufmerksamkeit, dass alles was nah ist interessiert mal gebrochen wird, aber an dem Tag hätte ich mir eine Berichterstattung über beides gewünscht.

Zunächst noch nicht wirklich mit diesen Ereignissen verbunden habe ich in den letzten Tagen drüber gegrübelt woran es denn liegt, dass unsere an sich wie ich finde sehr simplen, nötigen und möglichen Überlegungen nicht so richtig durchdringen. Ob das jetzt eine Demo für Bürgerrechte und gegen Überwachungsstaat ist oder unsere weitergehenden Überlegungen hier im Blog. Ich hab drüber gegrübelt, was mich denn dran hindert mehr zu tun als bisher, was andere dran hindert von denen ich weiß, dass sie gerne mehr tun würden etc… Sicherlich nicht besonders originell ist es meistens der stressige Alltag in den man eingebunden ist, sei es jetzt Familie oder Arbeit. Auffällig ist außerdem, dass auffällig viele, die in unserem weiteren Kreis hier gelegentliche Keimform-Aktivitäten entfalten oder entfaltet haben ziemlich priviligiert sind. Viele haben geerbt oder kriegen großzügig das Studium von der Verwandtschaft finanziert oder haben unkündbare Stellen, die ihnen viel Zeit lassen oder wohnen billig oder haben einen bildungsbürgerlichen Hintergrund oder … trotzdem ist soweit ich das weiß niemand dabei, der Genug Geld hätte um garnicht mehr arbeiten zu müssen aber die allermeisten müssen sicher weniger in die Mühle als üblich. Bestimmt dieses Sein unser Bewußtsein? Sicher. Nur wie?

Es ist offensichtlich, dass es umso schwerer ist, über die Mühle hinauszudenken, je mehr man alltäglich in ihr gefangen ist. Ebenso offensichtlich ist es wohl auch, dass die Neigung über die Mühle und ihre Abschaffung nachzudenken sinkt, je weniger man mit ihr zu tun hat. So gesehen ist es alles andere als Zufall, dass sich hier Leute versammeln die von ihrer materiellen Situation her zu keiner dieser beiden Seiten neigen.

Als ich gerade so grübelte stolperte ich über den Schlußabsatz in einem Artikel über Birma [2] (der ansonsten ziemlich radikal aufräumt mit dem westlichen Vorurteil von den friedlichen harmlosen buddhistischen Mönchen):

Dass sich der Zorn der Mönche nun auch gegen die Regierung richtet, könnte damit zu tun haben, dass das Mönchstum im Terayama-Buddhismus nicht lebenslang andauert, wie im Katholizismus. Oft bleiben junge Männer nur wenige Wochen lang Mönch. Dafür ist es sozial verpflichtend, dass möglichst jede Familie ihre Söhne den Mönchsdienst absolvieren lässt. Insofern dürfte das buddhistische Mönchstum näher an den ökonomischen Nöten der Bevölkerung sein, als das sehr abgeschottete europäische Äquivalent.

Das brachte mich auf die Idee ob wir vielleicht sowas wie Keimform-Klöster brauchen, also Orte an denen auf Zeit ein Ausstieg aus der Mühle möglich ist, wo man nicht das Nirvana anstrebt aber eben die Suche nach Keimformen. Auch die mittelalterlichen europäischen Klöster waren ja Keimform-Orte. Dort wurden durchaus in vieler Hinsicht die Grundlagen für die Moderne gelegt.