(Post-)Operaismus

Ja, genauso heißt ein neues Buch, dass die Autoren Martin Birkner und Robert Foltin heute, 28.9.06, bei einer Veranstaltung in Berlin vorstellten. Viele werden damit heute nichts mehr verbinden, denn die italienische politische Bewegung des »Operaismus« ist Geschichte, während andere im Buch behandelte Nachfolge-Theorien häufig nicht mit dem Begriff »Postoperaismus« bezeichnet werden.

Worum geht’s?

Der Operaismus (wörtlich „Arbeiterismus“ – iih!) bezeichnet eine autonome Arbeiterbewegung jenseits der lenistischen Parteikonzepte, die in Italien in den 1960er und 70er Jahren sehr einflussreich war. Theoretisch verbinde ich damit zwei wesentliche Konzepte, die sie von traditionellen Ansätzen unterscheidet:

  • Die Arbeiterbewegung ist nicht Reaktion auf verschärfte Produktionsbedingungen in der Fabrik, sondern umgekehrt: Die Produktionsbedingungen werden vom Kapital in Reaktion auf die soziale Emanzipation der Arbeiterbewegung verschärft, um diese weiter kontrollieren und ausbeuten zu können.
  • Die Fabrik ist nicht alleiniger Ort der „Wertproduktion“, sondern auch der Bereich der sog. „Reproduktion“ ist für die Kapitalverwertung erforderlich und insofern genauso „kapitalproduktiv“.

Damit bezog sich der Operismus nurmehr metaphorisch auf die marxsche Theorie. Ziel war es, die Unterteilung von „Haupt- und Nebenwidersprüchen“ zu überwinden, in dem das „ganze Leben“ in die Theoriestruktur aufgenommen wurde. Mit dazu beigetragen haben Bezüge auf poststrukturalistische Theorien (Foucault u.a.), die die italienischen Exilanten in Frankreich nach der „Konterrevolution“ (Virno) in Italien 1977ff kennenlernten.

Als bekannteste postoperaistische Werke stellten die Autoren sehr kurz „Empire“ (Michael Hardt, Antonio Negri), „Die Welt verändern ohne die Macht zu übernehmen“ (John Holloway) und „Grammatik der Multitude“ (Paolo Virno) – letzteres nur noch per Erwähnung. Alle drei Werke, v.a. „Empire“ und das Buch von Holloway haben erheblichen Einfluß auf die globalisierungskritische Bewegung ausgeübt und tun es noch.
Eine Diskussion gab es zu meiner Nachfrage nach der Ablehnung des Begriffes der „Vermittlung“ durch Negri sowie generell der Zurückweisung der „Dialektik“ als Denkweise. Denn, so die Begründung, Dialektik sei schlecht, Vermittlung ziele auf Kontrolle durch den Staat. Ziel sei hingegen die „Selbstkonstituion“ der Multitude (der „Menge“). – „Hm, bedeutet nicht aber Selbstkonstitution auch Vermittlung, eben Vermittlung in der Multitude?“ – „Ja schon, das kann man dann ja ‚Kommunikation‘ nennen – Negri geht es um eine Ablehnung der Vermittlung von oben“. In der Pause kam dann Robert Foltin zur mir und bekannte, dass er eine „Re-Dialektisierung“ des Post-Operaismus schon für sinnvoll halte. Aus meiner Sicht ist das unabwendbar – und zwar egal von welcher Theore man jetzt ausgeht. Denn es ist die Frage zu beantworten: In welcher Weise stellt sich der gesellschaftliche Zusammenhang her, wie werden gesellschaftlich notwendige Aufgaben erledigt, wie werden individuelle Bedürfnisse und gesellschaftlicher Reichtum zur Deckung gebracht – wenn nicht durch eine Form der gesellschaftlichen „Vermittlung“?

Der Post/Operaismus hat sich faktisch von einer Werttheorie verabschiedet. Das befreit ihn von mancher Enge, verleitet aber zu einer Art „metaphorischem Theoretisierens“. Das muss nicht verkekrt sein, aber ich finde es gleichzeitig auch immer sehr schwer diskutierbar, weil ich immer nie zu recht weiß, ob ich überhaupt kapiere, was „wirklich“ gemeint ist. Das war auch bei den Autoren öfter mal der Fall, was sie sympatischer Weise aber auch so sagten. So bin ich mir auch bei diesem Blog-Eintrag unsicher, ob das nicht totaler schief ist, was ich da wiedergebe – und ob es überhaupt jemand verstehen kann;-)

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