Schlagwort: revolution

Die vierte Internet Revolution passiert jetzt

Dieser Artikel wurde geschrieben auf Anfrage von Leuten des Debattenblogs der IL. Da deren Mühlen etwas langsam mahlen und es um aktuelle Ereignisse geht, veröffentliche ich ihn schon mal hier. Dass nur als Erklärung vorne weg, weil die Zielgruppenansprache vielleicht ein bisschen off wirkt 😉

Bekanntlich rennt die Zeit im Internet schneller als anderswo. Was eben noch Gewissheit war, ist jetzt schon überholt. Ein Trend jagt den nächsten. Doch grob lässt dich die Geschichte des jungen Mediums in drei Phasen einteilen. Interessanterweise korrespondieren diese Umbrüche auch mit den historischen Umbrüchen, die mehr oder weniger gleichzeitig in der größeren Welt „draussen“ passierten.

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Chronos & Kairos – unite!

Auf Einladung der Gesprächsrunde „Solawi & Gesellschaftliche Transformation“ des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft habe ich einen Vortrag mit dem unscheinbaren Titel „Mit Solawis die Gesellschaft ändern“ gehalten. Der Vortrag wurde aufgezeichnet: Ihr könnt ihn HIER anschauen und anhören, und HIER gibt es die verdichteten Folien (im Vortrag habe ich die Seiten schrittweise aufgeblättert).

Ich habe die Gelegenheit genutzt, ein paar grundsätzliche Überlegungen zur gesellschaftlichen Transformation vorzustellen, die keineswegs alleine auf meinem Mist gewachsen sind, sondern in vielen Zusammenhängen entwickelt wurden (explizit nennen möchte ich die AG „Verschränkung von Commons und Sozialen Bewegungen“ der Assoziation Kritik, Utopie und Transformation).

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Utopisches Denken und der Rechteansatz

Mary Wollstonecraft,
Mary Wollstonecraft, Autorin von „A Vindication of the Rights of Woman“ (Gemälde von John Opie, gemeinfrei)

[Voriger Teil: Konkrete Utopien und utopische Potenzialitäten]

„Ohne utopisches Denken gibt es kein Ziel gesellschaftlicher Transformation, und ohne Ziel wird der Weg in eine freie Gesellschaft fragwürdig – denn wohin sollte er gehen?“, fragen Simon und Stefan (Sutterlütti und Meretz 2018, 16). Jedoch ist utopisches Denken von der Entwicklung und Darlegung einer vollständigen Utopie, einem imaginierten Gesellschaftsentwurf zu unterscheiden. Utopisches Denken bedeutet zunächst nur die Vorstellung und das Anstreben von etwas, das noch nicht, oder jedenfalls nicht vollständig realisiert ist – die U-Topie bezeichnet ja wortwörtlichen den Nicht-Ort.

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Konkrete Utopien und utopische Potenzialitäten

Utopietheoretiker mit Pfeife: Ernst Bloch
Utopietheoretiker mit Pfeife: Ernst Bloch (Fotograf: Krueger, Lizenz: CC-BY-SA)

[Voriger Teil: Utopiekritik, Utopistik und die Probleme des „Modells Zukunftswerkstatt“]

Ohne einen Bezug auf Ernst Blochs Begriff der „konkreten Utopie“ wäre jede Debatten über Utopien unvollständig. Bloch grenzt die konkrete Utopie vom bloß „Utopistischen“ bzw. der „abstrakten Utopie“ ab (Bloch 1959, 1:179–180) – sie beschreibt „real Mögliche“ und hat dabei eine „Prozeßwirklichkeit“: „ die konkrete Phantasie und das Bildwerk ihrer vermittelten Antizipationen sind im Prozeß des Wirklichen selber gärend und bilden sich im konkreten Traum nach vorwärts ab“ (ebd., 226). Die konkrete Utopie steht als „reale Möglichkeit“ am „Horizont jeder Realität“ (ebd., 258).

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Wie verhindern wir die Klimakatastrophe?

Mein Eindruck der ganzen Diskussion ums Klima ist, dass sich tatsächlich fast niemand ernsthaft der Problematik stellt. Es gibt viele Varianten der Verdrängung des Problems und die Klimaleugner sind nur die offensichtlichste davon und alle haben sie durchaus einen rationalen Kern. Ich finde diese Haltungen bis weit in die Klimagerechtigkeitsbewegung hinein und würde auch niemals behaupten, dass ich frei davon bin.
Ok, um zu erklären was ich meine, möchte ich erst einmal ein paar Voraussetzungen setzen mit denen ich im folgenden operieren werde. Die lassen sich meiner Meinung nach alle sehr gut begründen, aber das werde ich im Rahmen dieses Artikels nicht tun:

  1. Wenn alles so weiter läuft wie bisher also mit halbherzigen Klimaschutzmaßnahmen steuern wir auf eine Welt zu in der sämtliche Kippunkte des Klimasystem gerissen werden. Das bedeutet eine Welt in der nur noch ca. 1 Milliarden Menschen ernährt werden können und nicht wie heute 11.
  2. Die ersten Folgen der Klimakrise sind bereits zu spüren. Schon jetzt sterben Menschen. Die ersten extrem drastischen Folgen dieses Worst-Case-Szenario werden wir noch erleben und bereits unsere Kinder werden einen Großteil der Wucht zu spüren bekommen.
  3. Um dieses Worst-Case-Szenario zu verhindern muss die Zunahme von CO2-Äquivalenten in der Atmosphäre (CO2e) sofort gestoppt werden und in vergleichsweise kurzer Zeit reduziert und innerhalb von wenigen Jahren auf Null gebracht werden. Ich leg mich jetzt hier nicht auf Jahres- oder Gradzahlen fest, das ist im wesentlichen Statistik. Wichtig ist nur: Je schneller das geht um so größer ist die Chance das Worst-Case-Szenario zu verhindern.
  4. Es gibt keine Möglichkeit BIP-Wachstum global und langfristig von den CO2e zu entkoppeln.
  5. Das Pariser Klimaabkommen hat sicherlich viele Schwächen und ist alles andere als perfekt, aber die Zielrichtung ist schon im Prinzip richtig. Diese Ziele einzuhalten ist also Mindestvoraussetzung jeder Lösung des Problems.

Wenn man diese Voraussetzungen annimmt, dann folgt daraus außerdem direkt für jede denkbare Lösung des Problems:

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Revolutieren, Reformieren oder Commonisieren?

Auf der Attac-Sommerakademie durfte ich kurz Commons vorstellen. Aber v.a. nachher die inszinierte Diskussion ist nett wo Reforma (Antikapitalistische Sozialdemokratin), Revoluzza (Sozialistische Revolutionärin), Anarchia (Antistaatliche Revolutionärin) und Commuja (könnt ihr euch ja denken) miteinander diskutieren. Für die Attacis haben wir geschaut, dass es keine klare Entscheidung gibt :). Den Text will ich eigentlich nochmal überarbeiten und einsprechen … Danke MrMarxismo für die Aufnahme (aber nicht für den Zwischenruf) und Mischa und Jojo für die Teilnahme!

Zur Kritik der Aufhebungs- und Keimformtheorie

Cover des Buchs „Kapitalismus aufheben“Dieser Artikel setzt sich kritisch mit den Kapiteln 3 und 7 des Buchs Kapitalismus aufheben von Simon Sutterlütti und Stefan Meretz (2018) auseinander. Vorab ist festzuhalten, dass ich die Frage, wie der Kapitalismus überwunden bzw. „aufgehoben“ werden kann (wobei zum Aufheben auch gehört, dass positive Aspekte beibehalten und weiterentwickelt werden) für sehr wichtig halte und dem Anlagen des Buchs deswegen positiv gegenüberstehen. Das sollte jedoch nicht heißen, dass Schwächen und fragwürdige Momente der Argumentation unter den Teppich zu kehren sind – problematische Annahmen können leicht zu wenig zielführenden Praktiken führen, weshalb sich Bemühungen um die Aufhebung des Kapitalismus selber schaden würden, wenn sie ihre theoretischen Grundlagen nicht möglichst kritisch überprüfen und bei Bedarf korrigieren.

In Kapitel 3 („Aufhebungstheorie“) fragen Simon und Stefan zunächst allgemein, wie eine neue bzw. in ihrer Terminologie „befreite“ Gesellschaft „entstehen und sich durchsetzen“ kann (ebd., 18), während sie in Kapitel 7 („Keimformtheorie“) diesen relativ allgemeinen „Rahmen“ mit einem konkreteren Inhalt zu füllen versuchen. Gegen diese Zweiteilung ist grundsätzlich nichts einzuwenden, doch wäre dabei zu fragen, wie gut der Inhalt „Keimformtheorie“ zum Rahmen „Aufhebungstheorie“ passt und – wenn er nicht passt – was die theoretischen Konsequenzen sind. Dieser Rückkopplungsprozess fehlt im Buch aber. Unabhängig von der Frage der internen Konsistenz sind auch die Argumentationslinien im Rahmen der einzelnen Kapital kritisch zu prüfen. (mehr …)

Kapitalismus aufheben

Streifzuege 70[Kolumne Immaterial World in der Wiener Zeitschrift Streifzüge]

von Simon Sutterlütti und Stefan Meretz

Ohne Ziel kein Weg. Ohne Utopie ist die Überwindung des Kapitalismus nicht erforschbar. Der Großteil der emanzipatorischen Bewegungen versucht die Utopie einer befreiten Gesellschaft durch negative Bestimmungen – kein Staat, kein Markt, keine Vergesellschaftung über Arbeit etc. – anzudeuten. Innerhalb der Utopietheorie gibt es zwei Positionen.

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42 Thesen zu Geschichte, Weltraum und Kommunismus

Elementarformen

  1. Seit der Kritischen Theorie und der Erfahrung des Faschismus gibt es eine Angst der Linken vor der Geschichtsphilosophie. Deswegen vorneweg: Geschichtsphilosophie ist unverzichtbar. Auch wenn man keine hat, hat man eine. Es ist wie mit jeder Theorie: Wenn man sie ignoriert, hat man die der anderen.  Im folgenden werde ich deshalb einige Thesen aufstellen, von denen die ein- oder andere durchaus steil ist. Gegen Ende werden es dann aber eher Fragen als Thesen.
  2. Gesellschaften entwickeln sich weiter. Dabei unterliegen sie einem Evolutionsprozess von Mutation und Selektion. Das macht den Vorgang nicht zu einem biologischen, aber dennoch hat in der gesamten Menschheitsgeschichte ein Prozess stattgefunden, der manche Gesellschaften anderen gegenüber bevorteilt hat. Es gab Situationen in denen Gesellschaften nicht mehr überlebt haben (was nicht gleichbedeutend sein muss mit dem Tod der Individuen) und sich deswegen ihre Prinzipien nicht halten konnten oder an den Rand gedrückt wurden. Um so einen Prozess über einen Zeitraum von Jahrtausenden wirksam zu machen reicht es auch völlig aus, dass er im statistischen Mittel wirkt. Es wird also auch immer Gegenbeispiele geben.
  3. Die Erfahrung des Faschismus und die Kritische Theorie haben uns aber dennoch gelehrt: Es gibt keine Automatismen, der Fortschritt ist nicht automatisch auf unserer Seite. Dennoch folgt daraus nicht, dass es keinen Fortschritt gibt oder dass wir nicht bestimmen könnten welche Art von Fortschritt auf unserer Seite ist. Tatsächlich ist das Bewusstsein darüber zentral für jeden Kommunismus. Es ist sehr wichtig, dass man das Kind des Kommunismus nicht mit dem Bad von Determinismus und Teleologie ausschüttet.
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