Schlagwort: karl polanyi

Nehmen, Geben, Opfern

Besprechung eines Abschnitts aus dem Buch von Georges Duby (1977): Krieger und Bauern. Die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter, Frankfurt am Main: Syndikat, dort: Nehmen, Geben, Opfern (S. 52 -60).

Den Text habe ich vor ein paar Jahren für mich zusammengefasst und möchte ihn nun gerne teilen.

Duby steht in der Tradition der Historikerschule Annales (Marc Bloch, Febvre, Braudel, Pirenne, Ariès, LeGoff, …). Er geht der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter nach. Das ist die vorkapitalistische Periode, in der kapitalistische Keimformen noch nicht vorkommen.

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Märkte für reale, aber nicht für „fiktive“ Waren wie Arbeitskraft und Land?

Reale Waren auf einem Marktplatz in Äthiopien (eigenes Foto) (Voriger Artikel: Vorüber­legungen)

Karl Polanyi weist darauf hin, dass es Ware­nmärkte in sehr vielen Gesell­schaf­ten gegeben hat, sich aber erst mit der Ver­brei­tung des Kapi­ta­lismus auch Märkte für fiktive Waren im großen Stil durchgesetzt hätten. Als „fiktive Waren“ bezeichnet er Arbeits­kraft, Boden und Geld, da sie nicht für den Verkauf produziert werden, auch wenn sie im Kapi­ta­lismus wie Waren gehandelt werden (Polanyi 1978, 108). Diese fiktiven Waren sind zu unter­scheiden von echten Waren (Real­waren), die in Betrieben oder von Einzel­produzen­tinnen für den Verkauf produziert werden.

Der Kapitalismus braucht augenscheinlich Märkte für fiktive Waren, während andere Gesellschaften weitgehend ohne diese auskamen. Eine zu untersuchende These ist somit, dass eine Gesellschaft, in der fiktive Waren nicht mehr (oder jedenfalls nicht in erster Linie) auf Märkten erhältlich sind, nicht mehr kapitalistisch wäre, selbst wenn es noch Märkte für Realwaren gäbe.

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Das Geld, eine historische Anomalie?

Über 2500 Jahre alte Münze[Dieser Text entstand im Rahmen des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts Die Gesellschaft nach dem Geld.]

Die Vorstellung einer „Gesellschaft nach dem Geld“ impliziert, dass Geld ein historisches Phänomen von begrenzter Dauer ist. Alle von Menschen verwenden Werkzeuge (in einem weiten Sinne) sind irgendwann entstanden. Grundsätzlich macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, unter welchem Umständen sie künftig wieder verschwinden können und ob dann etwas anderes an ihre Stelle treten oder aber ihre Funktion komplett überflüssig werden würde. Spekulieren ließe sich etwa über eine „Gesellschaft nach dem Auto“, in der die heute unter anderem von Automobilen erfüllte Funktion (der Transport von Personen und Dingen) vollständig von anderen Arten von Fahrzeugen übernommen wird (z.B. Bahnen, Fahrrädern und Drohnen). Dabei muss man allerdings auch begründen, warum man es für plausibel hält, dass eine solche Entwicklung eintreten wird.

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Was muss sich ändern, damit alles anders werden kann?

Gemälde von Wenzel Hablik: Große bunte utopische Bauten (gemeinfrei, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Wenzel_Hablik_Gro%C3%9Fe_bunte_utopische_Bauten.jpg )Die Kritik am Kapitalismus kann an vielen Punkten ansetzen. Einige wesentliche Aspekte habe ich in Der alte Marx und die Probleme des Kapitalismus zusammengetragen. Zudem basiert der Kapitalismus auf der systematischen Herstellung und Ausnutzung von Zwangslagen, was zweifellos kein schöner Zug ist. Und es gibt noch viele weitere gute Gründe, den Kapitalismus überwinden zu wollen.

Alle diese Aspekte sind grundsätzlich berechtigt und relevant. Für die Frage nach der Möglichkeit einer gesellschaftlichen Transformation über den Kapitalismus hinaus sehe ich aber das Problem, dass bei so vielen Einzelpunkten leicht das Wesentliche aus dem Blick geraten kann: Was genau muss sich eigentlich ändern, damit „alles anders werden kann“, sprich damit die spezifische kapitalistische Logik durch eine andere ersetzt wird?

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The Structural Communality of the Commons

[Diesen Artikel gibt es auch auf Deutsch. Originally published in The Wealth of the Commons (eds. David Bollier and Silke Helfrich; Levellers Press, Amherst, MA, pp. 28–34). License: CC-by 3.0.]

The commons are as varied as life itself, and yet everyone involved with them shares common convictions. If we wish to understand these convictions, we must realize what commons mean in a practical sense, what their function is and always has been. That in turn includes that we concern ourselves with people. After all, commons or common goods are precisely not merely “goods,” but a social practice that generates, uses and preserves common resources and products. In other words, it is about the practice of commons, or commoning, and therefore also about us. The debate about the commons is also a debate about images of humanity. So let us take a step back and begin with the general question about living conditions.

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Ubuntu-Philosophie

[(Teil-)Beitrag zu dem neuen Commons-Buch (Commons – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat, Hg. Silke Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung); Lizenz: CC BY-SA. Beide Teile gibt’s in einem PDF. There is also an English version.]

Die strukturelle Gemeinschaftlichkeit der Commons

Gemeingüter sind so vielfältig wie das Leben, und dennoch teilen alle Mitwirken­den, alle »Commoners«, gemeinsame Grundüberzeugungen. Um diese verstehen zu können, muss man sich klarmachen, was Gemeingüter praktisch bedeuten, welche Funktion sie haben und schon immer hatten. Das wiederum schließt ein, dass wir uns mit den Menschen befassen, denn Gemeingüter sind eben nicht nur »Güter«, sondern auch eine soziale Praxis, in der gemeinsam Ressourcen und Gü­ter genutzt, erzeugt und bewahrt werden. Es geht also um die Commons-Praxis, das »Commoning« – und damit um uns. Die Debatte um die Commons ist auch eine um Menschenbilder. Treten wir deshalb einen Schritt zurück, um mit der all­gemeinen Frage nach den Lebensbedingungen zu beginnen.

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Einschluss statt Ausschluss

[Vgl. dazu auch: »Which Commons Sense?«]

In der entwicklungspolitischen wie in der linken Szene ranken sich die Diskussionen oft entlang griffiger Begriffe. Nach Nachhaltigkeit, Neoliberalismus, Globalisierung und Multitude geht ein weiteres Zauberwort herum: die Commons. Und schon haben die Stars der Globalisierungskritik, Antonio Negri und Michael Hardt, mit „Common Wealth“ den Bestseller zur Debatte veröffentlicht (siehe iz3w 319).

Doch was sind die „Commons“ eigentlich? Sind dabei vor allem Gemeingüter wie Wasser und Boden gemeint, die allen gehören sollen? Geht es um frei verfügbare Dienstleistungen wie z.B. Freie Software oder Bildung für alle? Was ist am Gemeinschafts-Konzept der Commons kapitalismuskritisch, was nicht?

Einschluss statt Ausschluss — Commons jenseits des Kapitalismus

Von Stefan Meretz

Der Kapitalismus hat mit seinen Imperativen erfolgreich Handeln, Denken und Fühlen der Menschen besetzt – weltweit. Seine unerbittliche Logik gibt sich wie ein natürlicher Zusammenhang. So erscheint auch den kritischsten KritikerInnen »Wirtschaft« als das Selbstverständlichste von der Welt. Gleichzeitig ist der Kapitalismus in einer ökonomischen Krise, und auch seine Akzeptanz schwindet. Dies allerdings bedeutet nicht, dass seine Imperative zur Disposition stehen. Die scheinbar in Beton gegossene Unhinterfragbarkeit seiner grundlegenden Mechanismen wurde und wird immer wieder auch durch antikapitalistische Ansätze bestätigt. Alle Erzählungen sind erzählt und probiert: Die Linke in ihrem Lauf hält den Kapitalismus dennoch nicht auf.

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Was ist »Information«?

Streifzüge 46Um die »Information« geht es in der aktuellen Kolumne »Immaterial World« in den Wiener »Streifzügen«. Themenschwerpunkt des aktuelle Heftes sind die »Ressourcen«. Obwohl vorher nicht geplant, passt die Kolumne ganz gut in das Thema rein, handelt es sich bei der Information doch um eine spezielle Ressource.

Die umstrittene Kernthese der Kolumne lautet: Information ist keine Erscheinung der unbelebten Natur, sondern an das Leben gebunden. Damit werden alle »physikalistischen« Ansätze (also die allermeisten) zurückgewiesen. Warum ist das wichtig?

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