Schlagwort: arbeitskritik

Demokratischer Arbeitszwang

[Kolumne Immaterial World in der Wiener Zeitschrift Streifzüge]

Seit einigen Jahren wird erfreulicherweise wieder vermehrt über gesellschaftliche Planung diskutiert. In einer losen Folge will ich mich einzelnen Vorschlägen widmen. Los geht’s mit der Demokratischen Arbeitszeitrechnung (DAZ). Das Konzept geht zurück auf den Text Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung der rätekommunistischen Gruppe Internationaler Kommunisten (GIK) von 1930. Zunächst eine kurze Darstellung.

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Commonismus beim Dissens Podcast

Lukas Ondreka hat mich für den Dissens Podcast interviewt, ich glaub es war etwas wirr, aber mal sehen: „In einer Gesellschaft der Commons wären die Menschen frei vom Zwang zur Arbeit, sagt Simon Sutterlütti. Der Mit-Autor von „Kapitalismus aufheben“ im Gespräch über Commonismus, freiwilligen Mülldienst und Utopie als Computer-Simulation.“ Unterstützt den Podcast gerne mit Spenden!

Tücken der Belohnung

Das ist ein Teil von dem nächsten Buch zu Utopie und ich wollte es mal mit euch diskutieren: In Utopie-Diskussionen erlebe ich häufig Menschen, die der Idee einer arbeitslosen Gesellschaft gegenüber sehr aufgeschlossen sind, aber nicht so wirklich glauben, dass sie funktioniert. Häufig höre ich dann: “Naja, ich kann mir zwar vorstellen, dass viele Aufgaben freiwillig gemacht werden, aber nicht alle. Und für die, die dann übrig bleiben können wir ja dann Leute belohnen“. Diese Aussage ist eher kritisch unterstützend als abstrakt negierend gemeint. Das Ziel wird geteilt und man versucht Lösungen für Probleme zu finden. Eigentlich total gut, genau solch ein gemeinsames Weiterdenken wünschen sich Commonist*innen. Ich befürchte nur, dieser Lösungsvorschlag wird uns nicht weiterhelfen.

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Utopie, Transformation, Kritik

Beim Move Utopia Zusammentreffen 2017 haben wir einen dreiteiligen Vortrag zu Utopie, Transformation und Kritik gemacht. Diese drei Vorträge wurden aufgezeichnet, und anschließend wurden die Vortragenden interviewt. Hier der Trailer, danach folgen Vorträge und Interviews.

Hier die Links zu den einzelnen Beiträgen:

Produktivkraft als Versprechen

Titelseite der PROKLA 185

Notwendiger Niedergang des Kapitalismus oder möglicher Kommunismus ohne viel Arbeit?

[Artikel aus der Ausgabe 185 der PROKLA, S. 621–638.]

Ein Abschnitt der von Karl Marx 1857/58 niedergeschriebenen sogenannten Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie ist als „Maschinenfragment“ in die spätere Debatte eingegangen (MEW 42: 590ff.). Marx überlegt hier, dass mit Voranschreiten der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung materielle Produktionsmittel – Maschinen aller Art – und Wissen im Produktionsprozess zunehmend an Bedeutung gewinnen, während die lebendige Arbeit immer mehr zurückgedrängt wird. Im Maschinenfragment geht Marx davon aus, dass sich der Kapitalismus aufgrund seiner fortschreitenden Produktivkraftentwicklung selbst die Grundlage entzieht – die menschliche Arbeit. Während diese These in Marx’ eigener Zeit geradezu futuristisch erscheinen musste, spielt sie seit der vor knapp zehn Jahren begonnenen großen Krise eine beachtliche Rolle in der Debatte um die Frage, wie es um die Zukunftsfähigkeit des Kapitalismus bestellt ist. Marxistisch geprägte Autor_innen wie Mason (2016) sowie Lohoff und Trenkle (2012) berufen sich explizit auf Marx’ Prognose, während andere Theoretiker_innen wie Rifkin (2014) in ähnlicher Weise argumentieren, ohne sich dabei auf die Arbeitswerttheorie zu beziehen.

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Freie Software und Commons

Titelbild „Navigationen“Digitale Ausnahme oder Beginn einer postkapitalistischen Produktionsweise?

[Artikel aus der Ausgabe 2/2016 der Zeitschrift Navigationen (S. 37–53). Die gesamte Ausgabe zum Thema „Medienwissenschaft und Kapitalismuskritik“ kann frei heruntergeladen werden.]

Zusammenfassung

Eben Moglen sieht mit der Freien Software das Ende des »geistigen Eigentums« heraufdämmern. Digital repräsentierbare Informationen widersetzen sich der Eigentumsform, weil sie frei kopierbar sind. Deshalb sieht Moglen in diesem »anarchistischen« Ansatz, bei dem jeder die Werke anderer nicht nur nutzen, sondern auch verbessern darf, die einzig angemessene Produktionsweise – allerdings nur für Informationsgüter. Yochai Benkler verallgemeinert den Ansatz zur »commons-based peer production« und identifiziert das zugrunde liegende, sehr alte gesellschaftliche Organisationsprinzip: die Commons. Jeremy Rifkin will nichts von einer Begrenzung auf die Informationssphäre wissen, sondern sagt den »kollaborativen Commons« eine große Zukunft voraus, in der sie den Kapitalismus Schritt für Schritt zurückdrängen, bis er in einer »hybriden Wirtschaft« nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Doch Benkler wie Rifkin gehen von einer problematischen Konzeption von »Grenzkosten« aus, die ihre Ergebnisse verzerrt. Warum die Commons trotzdem als Hoffnungsträger gelten können, wird in diesem Text gezeigt.

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Vortrag in Münster: Wirtschaft jenseits von Erwerbsarbeit und Verwertungslogik

Beitragen statt tauschenAuf Einladung des ver.di-Erwerbslosenausschusses werde ich in zehn Tagen in Münster vortragen. Hier der Ankündigungstext:

Ideen zu einer Wirtschaft jenseits von Erwerbsarbeit und Verwertungslogik

Am Donnerstag, dem 18. Juni, um 19:30 Uhr lädt der Erwerbslosenausschuss des ver.di-Bezirks Münsterland zu Vortrag und Diskussion mit Christian Siefkes in die Stadtbücherei Münster ein (Alter Steinweg 11). Kooperationspartner der Veranstaltung sind der ver.di-Ortsverein Münster, die DGB-Jugend Münsterland und der Fachhochschul-AStA Münster-Steinfurt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich.

Für den Berliner Autor und Software-Entwickler Christian Siefkes liegen in der gegenwärtigen computergestützten Technikentwicklung Potenziale, die zu einer emanzipatorischen Umwidmung der Produktionsverhältnisse nützlich sein könnten. Im Spannungsfeld von Computertechnologie und Gesellschaftstheorie beschäftigt sich Siefkes in seinen Publikationen mit einer möglichen nachkapitalistischen Zukunft, in der Erwerbsarbeit und Verwertungslogik keine Rolle mehr spielen. Produziert wird hier nicht um des Geldes willen, sondern die Menschen tun dies in „commonsbasierter Peer-Produktion“ für sich selbst und zum gegenseitigen Nutzen ihrer Arbeit.

Was muss sich ändern, damit alles anders werden kann?

Gemälde von Wenzel Hablik: Große bunte utopische Bauten (gemeinfrei, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Wenzel_Hablik_Gro%C3%9Fe_bunte_utopische_Bauten.jpg )Die Kritik am Kapitalismus kann an vielen Punkten ansetzen. Einige wesentliche Aspekte habe ich in Der alte Marx und die Probleme des Kapitalismus zusammengetragen. Zudem basiert der Kapitalismus auf der systematischen Herstellung und Ausnutzung von Zwangslagen, was zweifellos kein schöner Zug ist. Und es gibt noch viele weitere gute Gründe, den Kapitalismus überwinden zu wollen.

Alle diese Aspekte sind grundsätzlich berechtigt und relevant. Für die Frage nach der Möglichkeit einer gesellschaftlichen Transformation über den Kapitalismus hinaus sehe ich aber das Problem, dass bei so vielen Einzelpunkten leicht das Wesentliche aus dem Blick geraten kann: Was genau muss sich eigentlich ändern, damit „alles anders werden kann“, sprich damit die spezifische kapitalistische Logik durch eine andere ersetzt wird?

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Nieder mit der Arbeit!

Wie wir jeden Tag Verhältnisse herstellen, die uns unfrei machen. Ein Vortrag aus Anlass des 1. Mai von Lothar Galow-Bergemann.

 

Bald ist es wieder mal so weit: die einen feiern den „Tag der Arbeit“, die andern gar den „Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse“. Doch wie kritisch auch immer sie sich wähnen mögen – sie stehen den herrschenden Verhältnissen näher, als sie glauben. Denn wie die ganze Gesellschaft pflegen sie ein inniges Liebesverhältnis zu einem der größten Übel unserer Zeit: zur Arbeit.

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Die stigmergische Zukunft

neues deutschlandVon Sabine Nuss

[Erschienen am 11.04.2015 im neues deutschland.]

3D-Drucker in der Küche und eine Welt ohne Geld: über das Potenzial neuer Technologien für die Revolutionierung der Produktionsverhältnisse.

«Tea. Earl Grey. Hot». So lautete das Kommando, mit dem Captain Jean-Luc Picard in Raumschiff Enterprise regelmäßig seinen Tee bei einem sogenannten Replikator bestellte. Dieses schrankhohe Gerät war eine Art Kopiermaschine. Es konnte jeden in seiner atomaren Struktur vorher erfassten Gegenstand herstellen. Wenn nicht gerade aufgrund eines Systemfehlers eine Orchidee statt einer dampfenden Teetasse aus dem Replikator plumpste, stand da binnen weniger Sekunden das Lieblingsheißgetränk des Captains.

Mit der Entwicklung von 3D-Druckern scheinen uns Replikatoren heutzutage nicht mehr ganz so fiktional wie noch in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Im Gegenteil: Auf dem Videoportal youtube finden sich zahlreiche Filme, die zeigen, wie 3D-Drucker dreidimensionale Gegenstände schichtweise aufbauen: von Gipsfiguren über Kunststoff-Trillerpfeifen bis hin zu Pizza oder gestrickten Schals – es wird eifrig mit diesen Geräten experimentiert. Aber kann man damit auch eine neue Gesellschaft ausdrucken?

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