Autor: ich-tausch-nicht-mehr

Einschluss statt Ausschluss? Diskriminierungssensible Zusammenarbeit jenseits von Öffnungsprozessen

[alle Texte der Broschüre „ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück“]Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

[Dieser Text erschien im Original bereits bei LesMigraS. Da er für die Broschüre Ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück leicht gekürzt und um Querverweise ergänzt wurde, erscheint er hier ein weiteres Mal.]

In NK-Kontexten in Wien und auch anderswo haben wir die Erfahrung gemacht, dass Projekte und Veranstaltungen oft auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet sind und Mehrfachzugehörigkeiten unabsichtlich unberücksichtigt lassen. Trotz dem Anspruch der Offenheit und dem Wunsch möglichst viele unterschiedliche soziale Gruppen anzusprechen, dominieren häufig Zugänge von privilegierten Menschen.

Die Frage, wer sich in Projekten repräsentiert sieht und welche Mechanismen zu Ausschlüssen führen, bildete den Ausgangspunkt unserer Recherchen für einen Beitrag zu dieser Broschüre. Dabei stießen wir auf den Text “Einschluss statt Ausschluss. Diskriminierungssensible Zusammenarbeit jenseits von Öffnungsprozessen” von LesMigraS (lesbische/bisexuelle Migrant_innen, Schwarze Lesben und Trans*), dem allgemeinen Antigewalt- und Antidiskriminirungsbereich der Lesbenberatung Berlin e.V.

Der Text beschäftigt sich mit der Frage, wie Veranstaltungen diskriminierungssensibel gestaltet und Mehrfachzugehörigkeiten mitgedacht werden können. Auch wenn der Fokus nicht auf NK-Ansätzen liegt, hat uns das Lesen neue Sichtweisen auf ein kritisches Hinterfragen der eigenen Projekt- und Lebenspraxen eröffnet. Viele der angesprochenen Strategien können auch in NK-Projekten zu einem Auseinandersetzungs- und Öffnungsprozess beitragen, um tatsächlich möglichst viele unterschiedliche Menschen zu erreichen. Deswegen findet ihr im Folgenden in Absprache mit LesMigraS eine leicht gekürzte Version des Texte[1].

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„So selbstverständlich“ oder Das Problem mit dem Geben und Nehmen

[alle Texte der Broschüre „ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück“]

Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

„Nimm!“

Ich drücke meiner Freundin den Schein in die Hand beim Abschied.

„Nein, nein…“

„Ja sicher, bitte, will jetzt nicht wieder drüber reden.“

Unsere ritualisierte Handlung hat begonnen.

„Nein, ich kann nicht… Und du brauchst es auch.“

Sie nimmt meine Hand, in der ich vorher das Geld gehalten hab. Ich mag wie sich ihre raue, mit Blasen bedeckte Handfläche auf meiner Haut anfühlt.

„Ich hab genug. Und du brauchst es mehr. Nimm jetzt bitte.“

Sie weiß es, ich werde insistieren, ich werde drauf bestehen, sie hat keinen Ausweg.

Sie nimmt den grünen Schein mit Sternchen. Sie schaut mich verschämt an, ihr Kopf senkt sich nach unten. Es kommt ein leises „Danke“. Danach kommt noch ein „bald werde ich mehr verdienen“ oder „bald werde ich einen Job in meiner Profession finden“.

Ich lache sie an, schaue ihr tief in die Augen. Ich lasse ein leises „sicher“ raus. Die Unglaubwürdigkeit meines Wortes fügt mir einen kurzen stechenden Schmerz im Bauch zu.

„Ich werd dich auch bald erhalten können“, sagt sie.

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Die Schenke – Reflexionen über einen Kostnix-Laden in Wien und den Zwiespältigkeiten einer umsonst-ökonomischen Praxis

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Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

Das Schenke Kollektiv ist ein Kost-Nix-Laden mit einem dazugehörigen Café-Raum in Wien. Dies bedeutet, dass Menschen Dinge bringen können und Andere diese mitnehmen, ohne Geld, ohne Tauschlogik. Der Café Raum ist ausgestattet mit Bücherregalen (auch hier können Bücher mitgenommen und gebracht werden) und Sessel und Sofas. Ebenfalls gibt es einen Billardtisch und eine große Küche, in der an geöffneten Tagen des Kost-Nix-Ladens häufig gekocht wird. Auch im Café Raum besteht das Schenk-Prinzip, alle zahlen so viel sie wollen und können. Dass ein Café zum Kost-Nix-Laden gehört, ist auch darauf zurückzuführen, dass es schon bei der Raumsuche das Bedürfnis gab, einen Ort zu schaffen, in dem Menschen einfach sein können ohne konsumieren zu müssen. Das Café ist auch zum Austausch gedacht, um den Kost-Nix-Laden einzubetten. Ebenso wird das Café häufig Gruppen zur Verfügung gestellt, die keine Miete bezahlen können. So gab es einige Jahre eine selbstorganisierte Box-Gruppe, die sich in der Schenke getroffen hat, es werden Geburtstage gefeiert oder Filme gezeigt und Lesungen veranstaltet.

Der Raum wurde 2010 eröffnet und hat seitdem 2-3 mal pro Woche geöffnet – an einem der Tage mit einer F*L*I*T*-Einladungspolitik. Das bedeutet, dass an diesem Tag versucht wird einen geschützten Raum für Frauen*, Lesben*, Inter*- und Trans*-Personen zu schaffen. Männer, die sich mit ihrem zugeschrieben Geschlecht identifizieren, sind an dem Tag ausgeschlossen.

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Die Kartoffel ist im Weg? Zur Geschichte der NK-Kartoffel

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Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

Das Experiment der NK-Kartoffeln gibt es schon eine ganze Weile – und wurde von der „Lokomotive“-Gruppe gestartet.[1]

Hinein ins Ungewisse im Jahr 2012

Im Jahr 2012, nachdem der damaligen Hofgruppe klar wurde, dass sie keinen Kartoffel-Anbau sicherstellen könne, fand sich ein Kreis von anfänglich ca. 30 Menschen zusammen, den Anbau in diesem Jahr zu übernehmen.

Viele brachten sich unterschiedlich verantwortlich in die Kampagne ein. Durch das Fehlen einer festen Gruppe kam es dazu, dass immer wieder andere Menschen die Arbeiten vor Ort ausführten und koordinierten. In der späteren Reflexion wurde das als „fließender Kern“ bezeichnet [2]. Da dieser Kern doch recht klein war und es oft unklar war, wer sich denn nun als Kartoffel-AG angesprochen fühlt und wer nicht, entstand in der Winterreflexion 2012 der Wunsch nach mehr Kontinuität und Verbindlichkeit.

Versuch der Konsolidierung im Jahr 2013

2013 hatte sich aus diesem fließenden Kern eine feste Gruppe aus acht Leuten herausgeschält, die im Rahmen des Initiativen-Hofs Karla*Hof [3] als Kartoffel-Ini die nichtkommerzielle Kartoffelproduktion weiterführte.

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Die Rebäcka …

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Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

… ist all das, was in der „ganzen Bäckerei“ [1] in Leipzig rund ums Brotbacken läuft.

Begonnen hat dies vor vier Jahren, als zur Megabaustelle im Haus auch ein Altmärck‘scher zwei-etagiger Holzbackofen und die dauergeliehene Knetmaschine installiert wurden. Förderndes Umfeld und angezapfte Fördertöpfe sorgten für Mühlen und allerlei Schätze aus Backstubenauflösungen gesellten sich dazu. Bald soll ein zusätzlicher Elektroofen plus Gärschrank das Backen erleichtern.

Diese toll ausgestattete Backstube bietet verschiedenen Menschen Raum für ihre unterschiedlichen Backbedürfnisse.

So konnte einige Monate euphorisch gebacken werden. Nach einiger Zeit drohte der Ofen jedoch auseinanderzufallen und mit dem erkalteten Ofen lag nun auch das Backen auf Eis, löste Überforderung aus und es trat ein mehrmonatiger Stillstand ein. Irgendwann war diese Durststrecke dann aber zum Glück überwunden, der Ofen wurde repariert und die Gruppe bekam Zuwachs. Seitdem wird kräftig weiter gebacken und auf allen Ebenen an der „Struktur“ gebastelt.

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SISSI – SommerInfraStrukturSuperInitiative

[alle Texte der Broschüre „ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück“]Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

Den ganzen Sommer über, von Mai bis September, treffen sich auf dem Wukania-Projektehof Gruppen, um dort ihre Treffen, Seminare oder Feste zu machen. Sie nutzen dafür einen eigenen Bereich auf dem Projektehof, die Sissi. Es gibt zwei Zeltwiesen, eine überdachte Sommerküche, Kompostklos, Solarduschen und einen Lehmbackofen. Die Sissi ist attraktiv und fast den ganzen Sommer ausgebucht. Es lockt der Badesee, die Möglichkeit Wukania kennenzulernen, die gute Verkehrsanbindung und die Nähe zu Berlin. Sicherlich lockt die Gruppen aber auch, dass die Nutzung der Sissi grundsätzlich nichts kostet. Die Sissi ist ein „nicht-kommerzielles“ Projekt.

Der Aufbau der Infrastruktur hat natürlich Geld gekostet und auch die Erhaltung und der Betrieb verursachen einiges an Kosten. Dafür werden Spenden gesammelt. Bisher spenden vor allem die Nutzer_innen der Sissi. Nur wenige zusätzliche Spender_innen konnten bisher gewonnen werden. Doch grundsätzlich sind Nutzung und Spenden voneinander entkoppelt. Es ist egal, wer spendet, wichtig ist nur, dass genug Geld zusammenkommt und das funktioniert zur Zeit.

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Nicht-Kommerzialität im Gesundheitsbereich: die Friedelpraxis

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Friedelpraxis ist ein Experiment unter dem Motto „Gesundheit für Alle“, das wir in unserer Praxis für chinesische und osteopathische Medizin in Berlin-Neukölln im März 2013 gestartet haben. Ziel ist es, Menschen bedarfsorientiert ganzheitliche medizinische Behandlungen unabhängig ihrer ökonomischen Hintergründe zu ermöglichen. Dabei wollen wir als Behandelnde weder bedeutende materielle Einbußen erleiden, noch wollen wir, dass unsere Arbeit ein individueller Akt der Wohltätigkeit ist. Die Reflexion unseres ersten Jahres hat Anfang 2014 ergeben, dass wir weitermachen wollen.

Wesentlich dazu beigetragen hat eine wirksame Unterstützung durch Menschen, in deren Zusammenhang unsere Praxisidee entstanden ist. In regelmäßigen Abständen treffen wir uns, um alle auftauchenden Fragen und Probleme gemeinsam zu bearbeiten, politische Visionen mit unserem Handeln abzugleichen und Informationstexte zu formulieren. Die kontinuierliche Begleitung ist für uns zwei Behandelnde in vielerlei Hinsicht ein tragendes Fundament.

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„Solidarische“ als „Nicht-Kommerzielle“ Landwirtschaft

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Jeder nach seinen Fähigkeiten,
jedem nach seinen Bedürfnissen!

Karl MarxKritik des Gothaer Programms

Unser Projekt [1]

Die CSA Freudenthal [2] ist ein jährlich wechselndes Kollektiv von bisher 5–7 „Gärtner*Innen“, das mit einer Gruppe von ca. 90 Personen, den „Begärtnerten“ eine Gemeinschaft bildet, die durch die Bearbeitung von knapp 1,5 ha Ackerfläche im nordhessischen Witzenhausen-Freudenthal ganzjährig mit Gemüse voll versorgt wird. Es besteht nun seit gut 4 Jahren und ist beständig gewachsen.

Wann und wie viel die Gärtner*Innen in diesem Projekt arbeiten; nein besser, tätig sein wollen, wird von jeder*m einzelnen selbstverantwortlich und je nach Bedürfnissen (flexibel) festgelegt und im Kollektiv vereinbart. Der Teil der finanziellen Bedürfnisse, der über das Projekt befriedigt werden soll, wird weitgehend unabhängig von dieser Tätigkeitszeit bestimmt. Es gibt also einen Bedarfslohn, der mit den laufenden Betriebskosten (inkl. Abschreibungen für Investitionen) zu den Gesamtkosten, dem sogenannten „Budget“ einer Jahresproduktion zusammengerechnet wird.

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SoliLa! Gutes Essen für Alle – und zwar umsonst!

[alle Texte der Broschüre „ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück“]

Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"SoliLa! steht für Solidarisch Landwirtschaften! und ist ein Kollektiv, das aus einer Landbesetzung 2012 in Wien entstand. Unser Anliegen ist es, uns die Gestaltung von Lebensmittelproduktion (wieder)anzueignen und eine antikapitalistische, kleinstrukturierte, solidarische StadtLandwirtschaft aufzubauen. Wir wollen Grün- und landwirtschaftliche Flächen in der Stadt erhalten und einen emanzipatorischen Ort schaffen, an dem der Austausch und die Weitergabe von dissidentem Wissen möglich ist.

Solidarisch Landwirtschaften bedeutet für uns, bedürfnisorientiert, nicht-kommerziell und kollektiv zu arbeiten, die Trennung zwischen Konsumierenden und Produzierenden ein Stück weit aufzubrechen und das geerntete Gemüse all jenen zur Verfügung zu stellen, die es benötigen.

Solidarisch Landwirtschaften heißt für uns auch, bestehende linke autonome Strukturen und Netzwerke in Wien um die selbstbestimmte Produktion von Essen zu bereichern und verschiedene politische Gruppen und Räume mit Gemüse zu versorgen. Diese Saison (2014) zählten zwei Wagenplätze, zwei Hausprojekte, zwei Kost-nix-Läden, ein selbstverwaltetes Café sowie unsere eigenen Mägen zu den un/regelmäßig Abnehmenden.

Im Sinne einer solidarischen StadtLandwirtschaft setzen wir uns außerdem mit stadtpolitischen Fragen auseinander und verstehen uns als Teil der Recht-auf-Stadt-Bewegung ebenso wie der Bewegung für Ernährungssouveränität.

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Ackerkollektiv Wurzeltrotz

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Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"Das Ackerkollektiv Wurzeltrotz ist eine Marburger Gruppe, die seit fast 2 Jahren gemeinsam Gemüse anbaut, verteilt, isst und darüber diskutiert.

Wir bewirtschaften eine Fläche von ca. 700 m2, die wir bisher umsonst nutzen konnten, und kultivieren dort verschiedenstes Gemüse, Kartoffeln, Getreide, Saaten und Tabak. Dabei ist es uns wichtig, vegan und umwelt-, vor allem bodenschützend zu arbeiten. Außerdem probieren wir hier neue kollektive Arbeits- und Lernformen aus, versuchen zum Beispiel, mit Geschlechter- und Wissenshierarchien anders umzugehen und ohne Druck zu arbeiten. Wir hatten zwar bisher einen „harten Kern“ von drei bis fünf Leuten, aber meist kommen auch andere Menschen dazu, um mitzumachen.

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