Monat: Juli 2018

Kapitalismus aufheben

Streifzuege 70[Kolumne Immaterial World in der Wiener Zeitschrift Streifzüge]

von Simon Sutterlütti und Stefan Meretz

Ohne Ziel kein Weg. Ohne Utopie ist die Überwindung des Kapitalismus nicht erforschbar. Der Großteil der emanzipatorischen Bewegungen versucht die Utopie einer befreiten Gesellschaft durch negative Bestimmungen – kein Staat, kein Markt, keine Vergesellschaftung über Arbeit etc. – anzudeuten. Innerhalb der Utopietheorie gibt es zwei Positionen.

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Ist Kapitalismus ohne Klassen möglich?

Disclaimer: Dieser Text ist ein Diskussionstext. Ich möchte hier nicht eine klare Meinung darstellen und glaube nicht, dass meine Analyse präzise ist, aber ich finde die Frage spannend und der Artikel soll quasi ein Aufschlag zur Diskussion sein.

Wir hatten bei dem letzten Treffen der Commons-Theorie-Gruppe eine Diskussion zu eben dieser Frage. Dieser Text möchte diese Fragen noch einmal explizit stellen und etwas (aber bloß ein bisschen) bearbeiten. Wichtig ist für mich diese Diskussion, weil die Utopie einer Marktwirtschaft ohne Klassen (und ohne andere Exklusionsverhältnisse wie Sexismus, Staatsbürgerschaft, Rassismus, etc.) oft als eine nicht-kapitalistische Zielgesellschaft ohne Verwertungszwang verhandelt wird. Nachdem eine staatliche Plan-Gesellschaft ihr Versprechen im Laufe des 20. Jh. nicht gehalten hat, haben sich selbst kritische Linke immer mehr mit dem Gedanken angefreundet, dass Markt und Tausch auch in einer (zumindest viel) freie(re)n Gesellschaft weiter benötigt sind um Komplexität und globale Arbeitsteilung zu erhalten. Die konsequente Frage ist dann: In welchem Rahmen muss sich Markt und Tausch bewegen um keinen Verwertungszwang zu bilden, oder zumindest um nicht mehr so destruktiv zu wirken. Die Abschaffung von Klassen, als eine der zentralen Linie der Ungerechtigkeit, ist oft Teil dieser Utopien einer Genossenschafts-Marktwirtschaft, eines Marktsozialismus, etc. Dieser Text stellt nun die Frage: Ist nicht auch ein Kapitalismus ohne Klassen denkbar? Und somit: Führt eine Abschaffung der Klassen aus dem Kapitalismus? (mehr …)

Märkte für reale, aber nicht für „fiktive“ Waren wie Arbeitskraft und Land?

Reale Waren auf einem Marktplatz in Äthiopien (eigenes Foto) (Voriger Artikel: Vorüber­legungen)

Karl Polanyi weist darauf hin, dass es Ware­nmärkte in sehr vielen Gesell­schaf­ten gegeben hat, sich aber erst mit der Ver­brei­tung des Kapi­ta­lismus auch Märkte für fiktive Waren im großen Stil durchgesetzt hätten. Als „fiktive Waren“ bezeichnet er Arbeits­kraft, Boden und Geld, da sie nicht für den Verkauf produziert werden, auch wenn sie im Kapi­ta­lismus wie Waren gehandelt werden (Polanyi 1978, 108). Diese fiktiven Waren sind zu unter­scheiden von echten Waren (Real­waren), die in Betrieben oder von Einzel­produzen­tinnen für den Verkauf produziert werden.

Der Kapitalismus braucht augenscheinlich Märkte für fiktive Waren, während andere Gesellschaften weitgehend ohne diese auskamen. Eine zu untersuchende These ist somit, dass eine Gesellschaft, in der fiktive Waren nicht mehr (oder jedenfalls nicht in erster Linie) auf Märkten erhältlich sind, nicht mehr kapitalistisch wäre, selbst wenn es noch Märkte für Realwaren gäbe.

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