Contraste: »Beitragen statt Tauschen«

In der Sommer-Ausgabe der Contraste geht es im Schwerpunkt um Commons. Hilmar Kunath hat eine Einführung geschrieben, die die Beiträge vorstellt. Dankenswerter Weise bringt der Commons-Blog alle Beiträge, so dass wir hier die einzelnen Artikel des Schwerpunkts (nach und nach) einfach rüber verlinken – direkt aus Hilmars Einführung heraus. Und die kommt jetzt:

Commons bedeutet freiwillig beitragen zu einer gemeinsamen Sache. Es kann genauso gut teilen oder gemeinsam etwas nutzen bedeuten, das Wichtige daran: Es kann nur mit anderen zusammen geschehen, alleine ist es unmöglich. Deshalb ist Commons immer ein sozialer Prozess. Die Gruppe Tomatenretter aus Hamburg stellt vor, wie sie teilen und beitragen. Geprägt durch die kapitalistische Gesellschaft ist das nicht immer so einfach. Dennoch beteiligen sich immer mehr Menschen an Commons, manchmal zeitweise, manchmal nur in bestimmten Bereichen. In den verschiedenen Beiträgen im Schwerpunkt (Seite 9 bis 12) werden unterschiedliche Standpunkte und Sichtweisen auf Commons vorgestellt, die einen breiten Zugang zum Thema ermöglichen.

Im Beitrag »Care Commons« von Nicole Lieger wird ein sozialer Prozess dargestellt, in dem die in der vorherrschenden Gesellschaft abgewertete und überproportional auf Frauen abgeschobene gesellschaftlich notwendige »Sorge- und Betreuungsarbeit« in selbstorganisierten Projekten in Tätigkeiten ALLER überführt werden kann, die dann keine fremdbestimmte »Arbeit« mehr ist.

»Vorläufer« dafür sind Projekte, die begonnen haben die »Sorge«-Arbeit gesellschaftlich sichtbarer zu machen und »aufzuwerten«. Unter »Commons: Zugang und Verteilung« werden am Beispiel eines Dorfes Fragen hinsichtlich einer gemeinsamen Verantwortungspraxis vorgestellt. Es könnte auch die Betreuung eines Ackers, die Nutzung einer Kuhweide oder die gemeinsame Pflege von samenfestem Saatgut sein. Ein Ausschnitt aus einem gerade in Arbeit befindlichen Wikipedia-Artikel über Commons dient zum orientierenden Grundverständnis. T.M. hat den Beitrag »Commons und Selbsterkenntnis« hinzugefügt. Der offene, soziale Prozess der verabredeten Gemeinschaftsbildung fördert auch die Selbsterkenntnis der einzelnen Beteiligten, …. wenn sie sich nicht aus Angst dagegen sperren.

Bislang wird wenig zu den stattfindenden sozialen Prozesse beim Commoning geforscht, merkt Silke Helfrich in ihrem Beitrag an. Sie bemängelt, dass in den Geisteswissenschaften das Individuum im Vordergrund steht und deshalb Commons nur schwer fassbar sind. Die zentralen sozialen Prozesse auf Augenhöhe, die Menschen organisieren, um zu teilen, geraten so aus dem Blickfeld. Commons als gemeinsames Handeln kann Silke Helfrich zufolge niemals fertig sein, sondern bringt sich immer neu hervor.

Wolfgang Höschele nähert sich in seinem Beitrag zu »Rückkopplungen« den Commons mit systemtheoretischen Fragestellungen: Wie können sie funktionieren und gelingen? Das bezieht sich einerseits auf ein achtsames Verhältnis zu den natürlichen Lebensgrundlagen, andererseits auf den konkreten Umgang miteinander. Im Beispiel der Tomatenretter arbeitet die Gruppe nicht nur an der »Naturressource« Saatgut, sondern auch an der Überwindung des gegensätzlichen Verhältnisses von Produzenten und Konsumenten.

Beide Seiten sollen hier ihren einseitigen Standpunkt überwinden. Das ist sicher nicht so einfach, setzt aber offenbar neue Erfahrungen frei, über die zu berichten wäre. Wenn wir unseren Erdball als »gefährdete Common« betrachten, können gefährliche Rückkopplungen durch die vorherrschende Produktions- und Lebensweise von Beteiligten erkannt werden. Wenn viele Menschen in ihrem jeweiligen Nahbereich zusammen praktisch wirksamen Kontakt miteinander aufnehmen, können sie das Common Erde vielleicht »retten« und einen Prozess vertiefter Menschlichkeit freisetzen, der vielleicht ohne die Gefährdung gar nicht möglich gewesen wäre: »Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.« (Friedrich Hölderlin; 1803).

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