Commons-Diskurs: Übergang

commons-jvmus-200Eine siebenteilige Serie mit Fragen an den Artikel Grundrisse einer freien Gesellschaft. Bisher erschienen: Freie Gesellschaft, Individuum und Gesellschaft, Konflikte, Abstimmungsprozesse, Inklusion, Stigmergie.

7. Übergang

Frage: Stefan, Du gehst in diesem Beitrag nicht darauf ein, wie die Übergangszeit zwischen heutigem Kapitalismus und zukünftiger Peer-Commons-Gesellschaft aussehen soll. Wie kann der Weg, den Du vorschlägst, wirklich Schritt für Schritt gegangen werden?

Wie würde beispielsweise ein Weg zu einer Grundversorgung der untereinander anerkannt wichtigsten Lebensbedürfnisse aufgebaut?

Antwort

Das Transformationsproblem, dass ihr ansprecht, ist in der Tat schwieriger zu beantworten als die Frage, ob eine freie Gesellschaft möglich ist. Historische Prozesse haben einen hohen kontingenten Anteil. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die globale Richtung die der Maximierung von Freiheit und Bedürfnisbefriedigung ist. Der aktuelle strukturelle Mechanismus, der dies nur für einen Teil der Menschen auf Kosten von anderen zu erlauben (Exklusionslogik), hat gleichwohl eine Akkumulation von Macht und Herrschaft in einem bisher nicht gekannten Ausmaß hervorgebracht, die nicht leicht zu überwinden sein wird. Letztlich kann dies nur geschehen, wenn das alte System sich nicht mehr auf seiner Grundlage erhalten kann und ein neues System der vorsorgenden Produktion der Lebensbedingungen herangereift ist, dass es zu einem Dominanzwechsel kommen kann. Kurz gesagt: Ohne Krise geht es nicht, und das ist keine Vorhersage, sondern sich bereits vollziehender Prozess. Dies ist im Fünfschrittmodell näher ausgeführt.

Dabei wird es keinen Weg zu einer Grundversorgung getrennt von anderen Bedürfnissen geben, die „anerkannt“ (von wem?) nicht zu diesen gehören. Sondern es werden sich die Bedürfnisse als prioritär herausstellen, die den Menschen am wichtigsten sind, und nicht solche, die irgendeine Instanz als „wichtig“ deklariert.

Die für mich entscheidende Frage ist, ob es uns gelingt, eine selbsttragende Commons schöpfende Vernetzung aufzubauen, die im Kollapsfall an die Stelle vergehenden alten Logik treten kann. Was wir heute tun können, ist damit klar und leicht gesagt: die Peer-Commons aufbauen, also in den Prozess der Transformation eintreten, praktisch und überall. Und da gibt es bereits eine große Vielfalt von Ansätzen. Ob diese wirklich immer im Sinne einer qualitativen Transformation raus aus dem Kapitalismus zielführend sind, darf bezweifelt werden. Aber am Ende entscheidet die Praxis.

* * *

Vielen Dank für die Fragen! Ich hoffe, dass meine Antworten zu neuem Nachdenken und neuen Fragen Anlass geben, denn wir brauchen mehr Reflexion und Selbstverständigung über den Prozess, dessen Teil wir sind.

11 Kommentare

Einen Kommentar hinzufügen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Entdecke mehr von keimform.de

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen