Commons: Die Kernidee

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1. Was ist die Kernidee der Commons-Bewegung?

Commoning: eine andere Art des gemeinsamen Lebens und Handelns – im Kapitalismus, aber über diesen hinausweisend

Commons, das sind gemeinsam hergestellte, gepflegte und genutzte Produkte und Ressourcen unterschiedlichster Art. Der Begriff findet in den letzten zwei bis drei Dekaden wieder vermehrte Verwendung – „wieder“ deshalb, weil Commons als Konzept und Praxis uralt und weltweit vorzufinden sind (vgl. Helfrich/Bollier/Heinrich-Böll-Stiftung 2016). Im deutschsprachigen Raum ist traditionell der seit dem Mittelalter verbreitete Begriff der Allmende bekannt, der die gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Wiesen und Wäldern bezeichnet. Die Erforschung gemeinschaftlich genutzter Naturressourcen ist heute vor allem mit dem Namen Elinor Ostrom verbunden, die für ihre Forschungen im Jahr 2009 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Ostrom (1999: 75-132) hat Best-Practice-Beispiele gesammelt: Selbstgewählte Regeln und eigene Konfliktlösungsmechanismen etwa gehören zu den von ihr formulierten Designprinzipien langlebiger selbstverwalteter Institutionen. Im Unterschied zu Ostrom gehen andere Autor*innen davon aus, dass die wesentlichen Gemeinsamkeiten nicht vornehmlich in den Institutionen und Regeln, sondern in deren praktischen, sozialen Ausgestaltung, dem Commoning, zu suchen sind (vgl. Euler 2016; Meretz 2014a).

Entscheidenden Anteil an der gesteigerten Aufmerksamkeit für Commons in den letzten Jahren hatten die Verbreitung von digitalen wissenszentrierten Commons (zum Beispiel Wikipedia) und die Entwicklung von freier Software (zum Beispiel GNU/Linux und LibreOffice).

Gegenwärtig kann Commons – dieser Begriff ist inzwischen auch im Deutschen gebräuchlich – als ein auf Gleichberechtigung und Selbstorganisation basierendes Konzept verstanden werden, das im Widerspruch zur kapitalistischen Warenlogik steht (vgl. Meretz 2014a). Anstelle des Tausches von Waren wird auf freiwillige Beiträge gesetzt. Auch die im Kapitalismus verbreitete Trennung von Reproduktions- (also Sorge- und Pflegetätigkeiten für andere Menschen und die Natur) und Produktionstätigkeiten sowie von Produktions- und Nutzungsprozessen finden dabei keine Entsprechung: So geht es beispielsweise in urbanen Commons-Gärten in der Regel nicht um die Produktion von Lebensmitteln für den späteren Verkauf, sondern neben der ökologischen Produktion auch um gemeinsames Kochen, Essen und Feiern. Das soll nicht heißen, dass in Commons-Projekten weder Tausch noch besagte Trennungserscheinungen eine Rolle spielen. Allerdings funktionieren Commons primär nach einer anderen Logik: Beide Aspekte sind nicht funktional und werden eher aus dem Außen der kapitalistischen Welt hineingetragen.

Wir möchten betonen, dass es keine allgemeingültigen Patentrezepte gibt, Commons gemeinsam zu organisieren. Wir gehen davon aus, dass sich die Weisen und Regeln in den verschiedenen Zeiten und Kontexten an die Bedürfnisse der involvierten Menschen anpassen und sich daher unterscheiden. Trotzdem lassen sich Gemeinsamkeiten aufzeigen. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu klären, dass es sich beim Commoning nicht einfach um den Umgang mit kollektivem Eigentum handelt, sondern um einen Bruch mit der Exklusionslogik des Eigentums. Anstatt andere mit den Mitteln des abstrakten Rechts auszuschließen (Eigentum), geht es bei Commons um die tatsächlichen, physischen (und potenziell inkludierenden) Verfügungsmöglichkeiten (Besitz). Wesentlich ist hier die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der an Commoning-Prozessen Betroffenen beziehungsweise an ihnen Teilhabenden.(1)

Die Commons-Perspektive nimmt eine Art des Zusammenlebens in den Fokus, in der Menschen einen großen Einfluss auf ihre je eigenen Lebensbedingungen haben und die Tätigkeiten, denen sie nachgehen, überwiegend danach auswählen, wie viel Freude sie ihnen bereiten und wie wichtig und richtig sie diese finden.(2) So ist Wikipedia beispielsweise entstanden, weil Menschen eine für alle frei zugängliche Selbstorganisation von Wissen wichtig fanden und Spaß am Schreiben hatten. Fremdbestimmte, hierarchische und exkludierende Organisationsformen stehen, obschon sie durchaus vorkommen, solchen Motivationen eher entgegen und werden vielfach abgelehnt. Selbstentfaltung statt Selbstverwertung ist das Ziel.

Perspektivisch kann die Selbstorganisationsperspektive der Commons die Grundlage für eine Gesellschaft jenseits von Markt und Staat sein. Zentrale Prinzipien sind dabei: beitragen statt tauschen; Besitz statt Eigentum; teile, was du kannst (Habermann 2015); nutze, was du brauchst.
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(1) Das heißt auch, dass es keine abstrakte Ex-post-Vermittlung („im Nachhinein“) von Angebot und Nachfrage auf einem Markt gibt, sondern eine Ex-ante-Vermittlung („im Vorhinein“), die sich an den konkreten Bedürfnissen der involvierten Personen und nicht-menschlicher Akteur*innen wie Pflanzen ausrichtet.

(2) Dies ist nicht mit einem impulsiven, „reinen“ Lustprinzip zu verwechseln. Es schließt explizit langfristige Verantwortungsübernahme und den Umgang mit den Notwendigkeiten des Lebens ein.

Literatur: im Einleitungsbeitrag

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