Monat: März 2016

Ko.Sy – Kollektives Syndikat – oder kollektives Synapsen zusammenbasteln

Ein Gespräch.

[alle Texte der Broschüre „ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück“]
Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

Landfreikaufen. Land-frei-kaufen. Bitte was? Welches Land? Helgoland? Das schöne Land Tirol? Oder Schlaraffenland? Na das wäre schön. Wäre doch eine ideale Basis für ein gutes Leben. Zumindest über die Nahrungsmittelproduktion bräuchten wir uns keine Gedanken zu machen. Und frei? Frei von was? Von Pestiziden und Fungiziden? Frei von der kapitalistischen Verwertungslogik, von Immobilienspekulationen, vom Wachsen oder Weichen? Und warum schon wieder kaufen? Warum nicht schenken oder sogar besetzen? Viele Fragen auf einmal. Aber was hat das mit einem Kollektiven Syndikat zu tun?

Vor einiger Zeit haben sich Menschen zusammengefunden und sich diesen Fragen gewidmet. Daraus entwickelte sich die Idee von Ko.Sy. Es gibt einen Trägerverein, bei dem die Eigentumstitel von Objekten jeglicher Art liegen und der diese zur Nutzung zur Verfügung stellt. Diese werden auf der formellen Grundlage einer Nutzungsübereinkunft wiederum an die jeweiligen Nutzungsvereine übergeben, die ihre Projektinhalte und Zielvorstellungen eigenständig definieren, aber gemeinsam reflektieren.

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Die Arbeit und der fiktive Tropf

Titelbild der Krisis-Ausgabe (zum Vergrößern klicken)Norbert Trenkle hat für die (nur noch digital erscheinende) Krisis einen Antwortartikel auf meine Untersuchung Geht dem Kapitalismus die Arbeit aus? (1, 2) geschrieben: Die Arbeit hängt am Tropf des fiktiven Kapitals.

In meinen Artikel hatte ich vorsichtig geschlossen, dass „Lohoff und Trenkle […] im Vergleich zur von Heinrich (2007) postulierten tendenziell unendlichen Ausdehnungsfähigkeit des Kapitalismus […] der Wahrheit näher zu kommen“ scheinen. Dieses abwägende Fazit befriedigt Trenkle nicht – er argumentiert, dass die Zahlen eine deutlichere Sprache sprechen. Dafür führt er im Wesentlichen zwei Argumente an, von denen mir das eine mehr, das andere weniger einleuchtet. (mehr …)

Warum entwickeln sich NK-Aktivitäten im Umfeld der PAG?

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1. Was ist die PAG?

Die „Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit“ wurde von interessierten Kreisen (ich bin mit gekreist) als ein Solidarfonds entwickelt, über den sich Gruppen mit den Zielen kooperativer Lebensgestaltung gegenseitige Hilfe bei der Verwirklichung ihrer Projekte geben. Kernpunkt der Bemühungen war zunächst, Möglichkeiten dafür zu finden, benötigte Gebäude und Grundstücke zu erwerben, ohne dabei Privateigentum für einzelne Personen oder Gruppen zu schaffen. Wir nannten dies: „Entschärfung des Privateigentums“. Gerade um deutlich zu machen, dass die „Abschaffung des Privateigentums“ (an Immobilien) als begrenztes gesellschaftliches Experiment nicht zu haben ist.[1 ]

Es wurde, in einer Art Trockenschwimmen, über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg (zwischen 1996 und 2001) an Formen und Regeln gebastelt, die das gleichberechtigte Miteinander der später in der PAG organisierten Gruppen ermöglichen sollten. Für die PAG wurden Entscheidungsstrukturen gefunden, die Eigenverantwortung und Gleichberechtigung der beteiligten Projektgruppen ermöglichen und fordern. Eine Stiftung verleiht Gebäude und Gelände – so sollte der Rückfall von Wohn- und Lebensräumen in das Privateigentum einzelner (Gruppen) vermieden werden.

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Die Wukania Lernwerkstatt – frei.utopisch.widerständig

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Vor fünf Jahren fanden sich acht Menschen zusammen, um ein „Experiment“ zu starten. Im Mittelpunkt sollte das gegenseitige und nicht kommerzialisierte Lernen stehen, möglichst unabhängig von Markt, Staat und herrschenden Normen gängiger Lernverhältnisse und -Beziehungen. Wir betitelten unser Experiment mit dem Namen Lernwerkstatt und ergänzten drei programmatische Adjektive: frei – utopisch – widerständig. Der Weg zu diesem Untertitel war bereits ein erster Akt des gemeinsamen Lernens und Debattierens. Räumlich verorten wollten wir uns hauptsächlich auf dem Projektehof Wukania. Die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten inspirierten uns und wir wollten an der lebendigen Aufbruchstimmung auf dem Gelände teilhaben. (Ist es nicht immer wieder bemerkenswert, wie wichtig solche Orte als Keimzelle und Schnittstelle für die facettenreichsten Experimente sind?)

Ein fixes Lern- oder Seminarprogramm wollten wir uns nicht geben, sondern vielmehr den Raum öffnen für Lernexperimente. Wir wollten uns gegenseitig ermutigen mit Inhalten, Umgang, Form und Organisation sowie mit Vernetzung und Verankerung zu experimentieren. Unsere Erfahrungen wollten wir dabei kontinuierlich kritisch reflektieren und dokumentieren. Die Unterschiede zu herkömmlichen Lernverhältnissen sollten beleuchtet werden. Soviel zu den Anfängen und Ursprungsgedanken.

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Geld für den persönlichen Bedarf?!

Auseinandersetzung mit dem Thema persönlicher Geldbedarf im Rahmen nichtkommerzieller Projekte und ein laufendes Experiment der Wukania-Lernwerkstatt

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Einleitung

Im Rahmen des Netzwerkes nichtkommerzieller Projekte, aus dem diese Broschüre entstanden ist, aber auch weit darüber hinaus (weltweit) gibt es vielfältige praktische Versuche eines nichtkapitalistischen Wirtschaftens. Mit den Versuchen, auf die ich mich hier beziehe, wollen wir Perspektiven aufzeigen und Debatten darüber anstoßen, wie eine Welt jenseits von Tauschlogik und Tauschwert und auch jenseits von Lohnarbeit aussehen kann.

Da unsere Projekte bisher nur wenige und klein sind, ist es noch ein ganzes Stück Weg hin zu einem nichtkommerziellen Netzwerk, das alle unsere materiellen Bedürfnisse durch eigene Produkte stillen könnte. Auch ein Zwischenziel, nämlich so viele Produkte und Anderes nichtkommerziell zur Verfügung zu stellen, dass Menschen merklich weniger Geld zum Leben brauchen, ist noch unerreicht (auch wenn Kartoffeln, Gemüse, Heilbehandlungen, Brot, Seminarräume, Werkstätten, Bildungsveranstaltungen, freie Software, Umsonstläden u.v.m. … schon ein wirklich guter Anfang sind).

Solange das so ist, bewegen wir uns in dem Widerspruch, dass (fast) jede Person, die sich in solchen Projekten engagiert, eine Menge tun muss, um ihren Lebensunterhalt abzusichern – in den meisten Fällen heißt das, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, die viel Lebenszeit in Anspruch nimmt und häufig nicht oder nur in Ansätzen das ist, was mensch gerne mit ihrer Zeit machen möchte. Und häufig ist das einer der Hauptgründe, warum nicht viel Zeit übrig bleibt, sich zu engagieren.

Wir haben uns u.a. ein ganzes Tagestreffen lang unsere persönlichen „Geldbiographien“ erzählt

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Kaskade

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Eine Kaskade (von italienisch cascare „fallen“) ist … ein Wasserfall, … der über mehrere Stufen fällt.“ (Wikipedia)

Alle geben ihre Überschüsse in eine gemeinsame Schale, alle können sich bei Bedarf aus der Schale nehmen. Was dann noch übrig bleibt, fließt in die nächste Schale. Aus dieser werden dann Projekte aus dem direkten Kaskaden-Umfeld unterstützt. Auch von hier kann Geld in die nächste Schale für Projekte in weiterer Entfernung zur Kaskade fließen.

Das Ziel ist die Absicherung der Menschen,
die in nichtkommerziellen Projekten aktiv sind

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Zur Finanzierung von NK-Projekten

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In NK-Projekten soll das Geld möglichst keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen… so wünschen wir uns das. Im konkreten Alltag spinnen jedoch die Euros ein kräftiges Netz um die Vorhaben und definieren nachdrücklich den Handlungsspielraum und die Entwicklung! Ein unlösbarer Widerspruch?

Nicht ganz zufällig landet dieses Thema auf meinem Schreibtisch. Nicht nur, weil ich mich seit Jahren mit Projektfinanzierung beschäftige, sondern – so vermute ich – auch weil Fragen zur Finanzierung nicht sehr hoch im Kurs stehen und das begründet.

Die Motivation für eine Mitarbeit (nicht nur) in NK-Projekten ist individuell sehr unterschiedlich. Doch der Wunsch nach Betätigung ohne marktwillige Verwertungslogik, ohne Bezahlung, ohne marktförmige Betriebsstruktur und Leistungsanforderungen, letztlich also möglichst ohne direkten Geldeinfluss ist dagegen flächendeckend. Da entsprechende Freiräume in Deutschland momentan weder erstritten, besetzt, angeeignet oder sonst wie eigenmächtig akquiriert werden – jedenfalls nicht in einem systemischen Umfang – bleibt den Projekten nur die Pacht von Land, die Miete/Kauf von Gebäuden bzw. Räumen und der Kauf von Maschinen, Geräten, Fahrzeugen, Ausstattung, usw. Die Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit [1], die nahezu kostenlos Ressourcen ausleiht, bleibt wohl eine einmalige Ausnahmeerscheinung. Und letztlich ist da die Sicherung der Lebensunterhalte aller aktiv Beteiligten, die ihre Zeit, Energien und Arbeit einbringen, doch auf Kino, Socken und Smartphones nicht verzichten wollen oder können. Und schon stehen wir mittendrin im Thema Geld.

Im konkreten Alltag spinnen jedoch die Euros ein kräftiges Netz um die Vorhaben und definieren nachdrücklich den Handlungsspielraum und die Entwicklung!

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Bedürfnisse statt Waren – geht das so einfach?

Konzeptuelle Probleme einer unkritischen Bedürfnisorientierung in der Phase der Koexistenz mit der kapitalistischen Warenproduktion

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Vorbemerkung:

Ausgangspunkt für meinen Beitrag waren Probleme und Mängel, die ich in der Theorie und Praxis des NK-Projekts Lokomotive Karlshof zu erkennen glaubte. Ein theoretischer Mangel unseres Konzeptes einer „nichtkommerziellen Landwirtschaft“ (NKL) war, dass wir zwar eine gesellschaftliche Zielvorstellung entwickelt hatten und diese mit unserer NKL exemplarisch und auf der gesellschaftlich untersten Ebene direkter sozialer Beziehungen in eine experimentelle Praxis umsetzen wollten. Eine theoretische Vorstellung von der Ausweitung des NK-Gedankens auf weitere gesellschaftliche Ebenen – unerlässlich für die Entwicklung zu einer echten Alternative zur kapitalistischen Warenproduktion – hatten wir jedoch absichtlich nicht entwickelt. Wir wollten nicht noch einen weiteren „Königsweg“ heraus aus dem Kapitalismus entwerfen.

Vielmehr waren wir überzeugt, dass es in einem solchen Aufhebungsprozess eine Vielzahl von möglichen Praxiswegen geben würde, solange darauf geachtet würde, dass diese nicht wieder in die Verwertungsökonomie zurück führten. Da sich mit der dauerhaften Begrenzung der NK-Praxis auf unser kleines Experiment aber keine emanzipatorische Vorstellung verbinden ließ, führte diese Weigerung, eine Ausweitung theoretisch zu formulieren, bei den Beteiligten zur Entwicklung relativ vager und individuell unterschiedlicher Vorstellungen von einem sich (qualitativ und quantitativ) ausdehnenden Netzwerk nicht wertvermittelter Austauschbeziehungen. Beflügelt von unserem Erfolg gesellte sich dazu bald die Vorstellung, dass sich solche nichtkommerzielle „Inseln“ gesellschaftlich vervielfältigen und wir allein dadurch unserem Ziel näher kommen würden. Da diese Vorstellungen aber keiner theoretischen Überprüfung unterzogen wurden, kamen auch die Probleme und Widersprüchlichkeiten, die sie für die Theorie einer gesamtgesellschaftlichen Aufhebung der Wertvergesellschaftung beherbergen könnten, nicht in unser Blickfeld. Dies ist jedoch nicht das Thema des hier vorgelegten Beitrags.

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Zur Auseinandersetzung mit verinnerlichten Herrschaftsverhältnissen oder Stichprobe einer NK*Innerei

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Dieta: Die Sensoren zeigen chronometrische Partikel, die die Sphäre verlassen!
Pieta: Die wiederum erzeugen einen Zeitwirbel.
Namba One: Booaah! Eine Zeitreise!
Pieta: Halten sie Kurs, Mr. Hawk! [1]

Nachdem sich das Raumschiff Enterprise durch einen Zeittunnel mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit verirrt hatte, erklärt der Kapitän des Raumschiffs einer Erdenbewohner*in, dass in der Zukunft, aus der er kommt, die Menschheit das Geld längst abgeschafft habe.

Die Menschen strebten schon lange nicht mehr nach Reichtum und Macht, sondern nach individueller Verbesserung und nach der Entwicklung der gesamten Menschheit.

Die Szene stammt aus dem Film Star Trek: First Contact.

In einer militärisch-hierarchisch organisierten Welt wie in dieser Filmstory bleibt diese Utopie für mich jedoch nichts weiter als eine romantisierte Illusion.

In angestrebt hierarchiefreien, selbstorganisierten Gemeinschaften wird die Vision eines Miteinanders, welches nicht auf Geld, einem anderem Gegenwert oder Zwang beruht, für mich schon eher denkbar. In den bisherigen Versuchen „nicht-kommerziellen Lebens“ [2], denen ich beiwohnen durfte, entdeck(t)e ich allerdings viele Probleme.

Diese Probleme will ich grob unter dem Begriff „verinnerlichter Kapitalismus[3] zusammenfassen, wenngleich auch andere Prägungen, wie z.B. religiöse und kulturelle eine Rolle spielen. In der Begrenzung des hier gesetzten Rahmens werde ich jedoch nur stichprobenartig einen Einblick in diese Probleme versuchen und bin mir der Begrenztheit dessen bewusst.

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Bedürfnis – und Prozessorientierung

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Ich habe mich entschlossen, einen Text zu genau diesem Thema zu schreiben, weil es mir in meiner ganz persönlichen NK-Praxis immer wieder begegnet.

Mir scheint, NK ist als Experimentierfeld bestens geeignet, um darin auch den eigenen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen. Die Auseinandersetzungen im Kost-Nix-Laden Schenke [1], meine Besuche auf dem Karlshof [2], die Entwicklungen rund um Ko.Sy [3], die Problemstellungen, die sich in meiner gemeinsamen Ökonomie ergeben und vieles mehr zeigt mir immer wieder auf, wie wichtig es ist, mir meiner Bedürfnisse bewusst zu sein. Denn präsent sind sie so oder so. Einfluss auf mein Handeln und Verhalten haben sie auch. Jetzt brauch ich sie mir nur noch bewusst zu machen und dann klar kommunizieren und dann noch andere in ihren Bedürfnissen wahrnehmen und dann schaun, wie das zusammen passt und schwubbs, haben wir ein großartiges Zusammensein. Wenns denn so einfach wäre, was?

Aber nochmal von vorne:

Wenn von Bedürfnisorientierung gesprochen wird, entstehen ganz unterschiedliche Bilder. Vielleicht gibt es unter jenen, die sich mit gewaltfreier Kommunikation (GFK)[4] beschäftigt haben, ein spezifischeres Bild als bei jenen, denen diese nicht geläufig ist. Denn in der GFK werden Bedürfnisse von Wünschen und von Strategien zur Bedürfnisbefriedigung abgegrenzt. Ein Bedürfnis ist in der GFK allgemein gültig und nachvollziehbar. So kann zum Beispiel ein Auto besitzen oder Party machen kein Bedürfnis sein, sondern dies wären Strategien zur Befriedigung derselben. Bedürfnisse sind zum Beispiel Anerkennung, Selbstverwirklichung oder Nahrung [5].

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