Peering

Peers support each otherIn der Informatik gibt es den Begriff des Peering. Damit ist der Zusammenschluss und Datenaustausch von gleichrangigen Netzwerken gemeint. Ich möchte nun vorschlagen, diesen Begriff auch für soziale Prozesse zu verwenden, ihn also zu übertragen.

Der Begriff Peer (Gleichrangige/r) ist schon länger bekannt. Insbesondere in der von Yochai Benkler geprägten Kennzeichnung der neuen Produktionsweise als commonsbasierte Peer-Produktion ist er vielen schon untergekommen. Mit Peers sind dabei die Menschen gemeint, Peer ist ein Substantiv. Wie bezeichnen wir aber die Tätigkeit — »gleichrangeln«?

Ok, also peeren als Verb oder Peering als Substantiv der Tätigkeit. Interessant finde ich dabei die Möglichkeit, Peering sowohl auf die sozialen Prozesse innerhalb von Commons-Projekten wie zwischen diesen zu beziehen. Peering erfasst dabei den Aspekt der Vermittlung, also Verhandlung und Kommunikation über u.U. unterschiedliche Bedürfnisse und Ziele. Es ist also ein spezieller Teil des Commoning, mit dem alles bezeichnet wird, was Commoners so tun.

Peering, also die Vermittlung u.U. unterschiedlicher Bedürfnisse und Ziele, findet zwischen Commoners und Commons-Projekten statt. Das Peering begrifflich identifizieren zu können, ist deswegen so wichtig, weil es das Äquivalent zur Vermittlung der Waren auf dem Markt (Kauf und Verkauf) darstellt. Der wesentliche Unterschied: Peering findet vor der Herstellung des Gutes statt (ex ante), Vermarktung erst danach (ex post).

Die Ex-Ante-Vermittlung ermöglicht die Vermittlung unterschiedlicher Bedürfnisse bevor Ressourcen genutzt werden und Menschen produktiv loslegen, während die Ex-Post-Vermittlung erst einsetzt, wenn Ressourcen und Arbeitskraft schon verbraucht wurden. Hinzu kommt bei der Ex-Post-Vermittlung, dass durch den notwendigen Tausch all jene verselbstständigten Formen entstehen, die uns allen als fremde Sachzwänge zurückgespiegelt werden: Wert, Geld, Zwang zum Verkauf von Lebensenergie usw. Das wäre ausführlicher darzustellen, hier geht es mir aber zunächst nur um die Bedeutung des Peering-Begriffs.

Das Peering zwischen Projekten könnte eine Dimension herausheben, die bisher noch völlig unterbelichtet ist: Die Bildung von Commons-Ketten, Meta-Commons und Commons-Netzwerken. Das hat sicherlich damit zu tun, dass sich Commons nach wie vor in einer randständigen Situation befinden — von Ausnahmen abgesehen (Wikipedia etwa). Die Frage, wie die Vernetzung der Commons stattfinden kann und wie das Peering gestaltet wird, ist aus meiner Sicht entscheidend für die weitere Entwicklung der Commons und der Commons-Bewegungen.

Ein weiterer inhaltlicher Aspekt des Peering, den ich herausheben möchte, ist die Gleichrangigkeit. Gleichrangigkeit bedeutet nicht Gleichheit, sondern Unterschiedlichkeit auf gleicher Ebene. Niemand hat die Möglichkeit, anderen Befehle zu erteilen, denn Gleichrangigkeit setzt Freiwilligkeit voraus. Unter Gleichrangigen gibt es keine »Anderen« im Sinne von »Fremden« und »Nichtdazugehörigen«. Die Konstruktion von »Anderen« ist ein zentrales Herrschaftsinstrument: Entlang nahezu beliebiger Dimension (Geschlecht, Hautfarbe, Lebensweise, Alter, Fitness usw.) werden Menschen jeweils als »Andere« konstruiert und ausgegrenzt. Peering ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Sexismus, Rassismus und anderen Ismen der Boden entzogen wird. Es ist allerdings unter unseren aktuellen Bedingungen keineswegs eine Garantie.

Zu diesem Artikel (und insbesondere zu dem letzt genannten Gedanken) wurde ich durch den Artikel »Wir werden nicht als Egoisten geboren« von Friederike Habermann im neuen Commons-Buch inspiriert. Sie nennt ihr Konzept Ecommony und fragt sich in dem Artikel nachdenklich, »ob das „peer“ nicht zu wichtig ist, um es auszulassen«. Genau das denke ich.

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