GPL-Anteil schwindet — gut oder schlecht?

Seit einiger Zeit sinkt der Anteil der GNU General Public License (und verwandte) an Projekten Freier Software. Wie ist dieser Trend zu bewerten?

Noch vor einiger Zeit hätte ich spontan gesagt, dass es schlecht ist, wenn Copyleft-Lizenzen an Boden verlieren. Das Copyleft-Prinzip erzwingt, dass veränderte Programme die Lizenz beibehalten müssen, sofern sie veröffentlicht werden. Der »Freiheitsvirus« pflanzt sich fort. Doch worauf basiert diese »Freiheit«?

Copyleft-Lizenzen basieren auf dem Urheberrecht (Copyright). Nach dem Urheberrecht kann der/die Urheber_in andere rechtlich von der Nutzung ausschließen. Dieses Ausschlussrecht wird nun vom Copyleft ins Gegenteil verkehrt, indem die rechtliche Verfügungsmöglichkeit genutzt wird, festzulegen, dass niemand ausgeschlossen werden soll und dieser Niemandsausschluss = Alleeinschluss auch erhalten bleibt. Der Sinn des Copyright, der Ausschluss anderer, wird konterkariert, das Copyright als Ausschlußlogik wird jedoch gestärkt. Das konterkariert möglicherweise die Freiheits-Intention des Coypleft. Ein Dilemma.

Wir sind die Ausschlusslogik derartig gewohnt, dass wir uns eine Situation komplett ohne eine solche Regelung kaum vorstellen können. Es gibt sie aber, und zwar in »weniger entwickelten« Regionen der Welt. Vielleicht solche man besser sagen: Es gibt sie in noch nicht völlig nach der Ausschlusslogik zugerichteten Regionen. Zwar mag es formal Copyrightgesetze geben, aber praktisch im Alltagsleben werden sie oft nicht beachtet. Ein Beispiel ist (oder war?) Indien. So kommen die Copyleft-Lizenzen (inkl. der CC-Lizenzen für Nichtsoftware) mit bester moralischer Aufladung versehen in die Region und sorgen faktisch für eine Etablierung des Copyright in den alltäglichen Handlungen, wo es bisher keine große Rolle gespielt hat. Eine weitere imperialistische »Beglückung« der Welt mit den »Freiheitsidealen« des Westens?

Nun gibt es nicht nur Copyleft-Lizenzen, die auf dem Copyright aufsetzen, sondern auch Nicht-Copyleft-Lizenzen, die eigentlich kein Copyright brauchen. Etwa die BSD-Lizenztypen oder die Gemeinfreiheit (z.b. CC-Zero). Zwar darf bei den BSD-Lizenzen eine Copyright-Notiz, sofern sie existiert, nicht verändert werden, diese Notiz hat jedoch nur Attributionscharakter, soll also dafür sorgen, dass der/die Urheber_in genannt wird. Im Fall der Gemeinfreiheit muss selbst das nicht erfolgen. Nur kann diese nicht so einfach »deklariert« werden (in Europa).

BSD-Lizenz und vor allem Gemeinfreiheit sind demnach »freier« als Coypleft-Lizenzen. Sie funktionieren auch dann, wenn es kein Coypright gäbe. Denn die Abschaffung des Copyright muss das Ziel sein (nicht das einzige). Gleichzeitig bedeutet keine oder nur eine BSD-Lizenz eine Einladung zur Re-Proprietarisierung, also zur Privatisierung — so das Argument gegen die Schutzlosigkeit. Wirklich?

Es geht hier um nicht-stoffliche Güter, die sich leicht vervielfachen lassen. Ihr größter Schutz ist nicht eine bestimmte Rechtsform, sondern ihre massenhafte Verbreitung. Ein massenhaft verbreitetes Gut ist nicht knapp und unterläuft damit die unbedingte Vorausetzung für die Warenform. Selbst wenn ein Verwerter sich das Gut aneignet und gegen einen Preis anbietet und es auch noch loswird: Auch das ist ein weiterer Schritt der Verbreitung.

Bei Software sieht die Sache etwas diffiziler aus, denn Freie Software kann schwer nachweisbar in proprietäre Software eingebaut werden. Doch das gilt für jegliche Freie Software. Der Unterschied besteht hier darin, dass im Falle von Copyleft der staatliche Rechtsapparat in Anspruch genommen werden kann, um gegen solche Praktiken vorzugehen. Solche Fälle hat es auch schon gegeben, und das ist gut so. Doch die Reproprietarisierung wird man damit nicht stoppen. Stattdessen würde eine »legale« Reproprietarisierung es auch den Konkurrenten ermöglichen, die entsprechende Freie Software zu nutzen, weil die Hürden viel niedriger sind.

Zusammenfassend: Das Problem der privaten Aneignung und Ausnutzung ist nicht rechtlich lösbar. Proprietarisierung und Ausweitung der Freiheit, also Privatisierung und Ausweitung der Commons sind stets gleichzeitige Prozesse im Kapitalismus. Es ist seine Existenzvoraussetzung. Heute gibt es jedoch die Chance — und der Prozess läuft — durch radikale Ausweitung von Offenheit und Freiheit die Privatisierungstendenzen auszukooperieren. Allerdings gilt das nur für nicht-stoffliche Güter, aber um die geht es hier.

Wenn also der GPL-Anteil schwindet, so ist dies zumindest nicht schlecht. Wichtiger ist, dass immer mehr Freie Software geschaffen wird, die zunehmend proprietäre Software ablöst.

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