Diskursfigur 6: Jenseits von Klassen

Das ist Teil 6 einer Serie wöchentlich erscheinender Artikel, deren englische Fassung im Journal of Peer Production erscheinen soll. In den Artikeln versuche ich zehn Diskursfiguren zu beschreiben, wie sie im Oekonux-Projekt in über zehn Jahren der Analyse Freier Software und commons-basierter Peer-Produktion entwickelt wurden. Mehr zum Hintergrund im einleitenden Teil. Bisher erschienene Teile: 1, 2, 3, 4, 5.

Diskursfigur 6: Jenseits von Klassen

[English]

Kapitalismus ist eine Gesellschaft der Spaltungen. Kaufen vs. verkaufen, produzieren vs. konsumieren, Arbeit vs. Kapital, konkrete vs. abstrakte Arbeit, Gebrauchswert vs. Tauschwert, private Produktion vs. gesellschaftliche Verteilung usw. Die kapitalistische Entwicklung wird von den Widersprüchen zwischen den getrennten Teilen vorangetrieben. Arbeit und Kapital ist nur ein Widerspruch unter vielen, aber es scheint der wichtigste zu sein. Eine Person scheint per Definition entweder ein Arbeitskraft-Verkäufer_in oder ein Arbeitskraft-Käufer_in, ein/e Arbeiter_in oder ein/e Kapitalist_in zu sein. Tatsächlich sind Arbeit und Kapital keine Eigenschaften von Individuen, sondern gegensätzliche gesellschaftliche Funktionen, die wie alle anderen Spaltungen den Kapitalismus erzeugen und von ihm erzeugt werden.

Deswegen trifft es nicht zu, dass nur eine Seite dieser vielfältigen Spaltungen die allgemeine oder progressive Seite sei. Im Gegenteil, beide Seiten einer Spaltung hängen von der jeweils anderen ab. Arbeit produziert Kapital, und Kapital erzeugt Arbeit. Es ist ein entfremdeter Zyklus der permanenten Reproduktion der kapitalistischen Formen. Beide Seiten dieser Spaltungen wie etwa Arbeit und Kapital sind folglich notwendige Funktionen des Kapitalismus. Der sogenannte Antagonismus von Arbeit und Kapital repräsentiert in Wirklichkeit einen bloß immanenten Modus der historischen Entwicklung des Kapitalismus. Die Arbeiter_innenklasse repräsentiert nicht die Emanzipation, in keiner Weise.

Freie Software und Peer-Produktion im allgemeinen erzeugen keine Klassen, sie liegen jenseits des Klassenmodus. Sie sind eine Keimform (vgl. Diskursfigur 10) einer neuen Produktionsweise, die grundsätzlich nicht auf Spaltungen basiert, sondern auf die Einbeziehung unterschiedlicher persönlicher Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Wünsche als kraftvolle Quelle der Entwicklung setzt. Ausbeutung gibt es nicht, da der Kauf und Verkauf von Arbeitskraft nicht existiert. Und Geld kann nur noch eine Rolle in Retro-Spielen übernehmen, die von überlebten Gesellschaften wie dem »Kapitalismus« handeln.

Selbstentfaltung als sich frei entwickelnde Menschen ist die Quelle des gesellschaftlichen Übergangs zu einer freien Gesellschaft, nicht die Klassenzugehörigkeit.

Diskursfigur 7: Jenseits der Exklusion

Literatur

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