Diskursfigur 4: Jenseits des Geldes

Das ist Teil 4 einer Serie wöchentlich erscheinender Artikel, deren englische Fassung im Journal of Peer Production erscheinen soll. In den Artikeln versuche ich zehn Diskursfiguren zu beschreiben, wie sie im Oekonux-Projekt in über zehn Jahren der Analyse Freier Software und commons-basierter Peer-Produktion entwickelt wurden. Mehr zum Hintergrund im einleitenden Teil. Bisher erschienene Teile: 1, 2, 3.

Diskursfigur 4: Jenseits des Geldes

[English]

Da Geld nur im Zusammenhang mit Waren einen Sinn ergibt, bedeutet das Nicht-Ware-Sein (vgl. Diskursfigur 3), dass es hier nicht um Geld geht. Freie Software ist daher jenseits des Geldes. Auf der anderen Seite gibt es offensichtlich eine Menge Geld im Umfeld der Freien Software: Entwickler_innen werden bezahlt, Unternehmen geben Geld aus, neue Unternehmen entstehen rund um Freie Software. Das hat viele Menschen verwirrt, insbesondere auf der Linken. Sie sind einem Entweder-Oder-Denken verhaftet und nicht in der Lage, diese Beobachtungen als widerspruchsvollen Prozess paralleler Entwicklungen in einer Periode des Übergangs zu begreifen (vgl. Diskursfigur 10).

Geld ist kein neutrales Mittel, Geld kann in unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen vorkommen. Es kann Lohn, Investition (Kapital), Profit, Bargeld usw. sein. Verschiedene Funktionen müssen unterschiedlich analysiert werden. In Freier Software gibt es keine Warenform, Geld im engeren Sinne des Verkaufs einer Ware zu einem Preis existiert nicht. Eric Raymond hat erklärt, wie man mit einer Nicht-Ware trotzdem Geld verdienen kann: indem man sie mit einem knappen Gut kombiniert. In einer kapitalistischen Gesellschaft, in der nur wenige Güter aus dem Warenreich ausbrechen, existieren die meisten Güter weiterhin als Waren. Sie werden knapp gehalten und mit kostenlosen Gütern kombiniert. Aus der Sicht der Verwertung ist das nichts Neues (z.B. Geschenke verteilen, um Kunden zu gewinnen). In der Keimform-Perspektive beginnt hier die Entwicklung einer neuen Produktionsweise innerhalb des bestehenden alten Modells.

Aber warum geben Unternehmen Geld, wenn das Geld keine Investition im traditionellen Sinne ist, sondern eine Art Spende, z.B. durch Bezahlung von Entwickler_innen Freier Software? Warum hat IBM eine Milliarde Dollar in die Freie Software gesteckt? Weil sie sich dazu gezwungen sahen. Ökonomisch ausgedrückt mussten sie ein Geschäftsfeld entwerten, um andere profitable Geschäftsfelder zu sichern. Sie mussten Geld verbrennen, um eine teure Infrastruktur für ihre anderen Verkäufe zu schaffen (z.B. Server-Hardware). So wie die Einhegung der Commons eine Voraussetzung für den Kapitalismus ist, gilt das Umgekehrte genauso. Wenn sich die Commons in einen Bereich ausdehnen, der bisher von Waren dominiert war, dann bedeutet das ihre Ersetzung durch freie Güter.

Es geht jedoch in den »vier Freiheiten« Freier Software – nutzen, studieren, ändern, verbreiten – (Free Software Foundation, 1996) nicht um »frei« im Sinne von »kostenlos«. Der Slogan »frei wie in Freiheit, nicht wie in Freibier« ist legendär. Das ist auch völlig in Ordnung und widerspricht nicht dem Diktum »jenseits des Geldes«, da es in den vier Freiheiten gar nicht um Geld geht. In den vier Freiheiten geht es um freie Verfügbarkeit und unbeschränkte Fülle. Die Abwesenheit von Geld ist nur ein indirekter Effekt. Reichlich vorhandene und daher nicht knappe Güter können keine Ware sein (vgl. Diskursfigur 2), und mit ihnen kann man auch kein Geld verdienen. Das Geldverdienen als solches ist jedoch nicht verboten.

Es gab viele Versuche, die nicht-tauschende, nicht-warenförmige, commons-basierte freie Zirkulation Freier Software in das traditionelle Paradigma, das auf Tausch und Ware basiert, zu integrieren. Der prominenteste Versuch war die »Aufmerksamkeitsökonomie«, die besagt, das die Produzenten nicht Güter, sondern Aufmerksamkeit austauschen (Goldhaber, 1997). Aufmerksamkeit sei die neue Währung. Das war jedoch nur ein verzweifelter Versuch, sich an die alten Begriffe zu klammern, der weder funktionierte, noch neue Einsichten lieferte und daher auch keine größere Relevanz hatte. Vielfältige andere Ansätze seien hier ausgeklammert.

Jenseits des Geldes zu sein resultiert direkt aus dem Nicht-Ware-Sein.

Diskursfigur 5: Jenseits der Arbeit

Literatur

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