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LibreOffice: Basar statt Kathedrale

Die Botschaft ist eindeutig [1]:

Liebe Unternehmen, die ihr Geld rund um Freie Software machen wollt: Wenn ihr nicht versteht oder verstehen wollt, wie die Entwicklung Freier Software funktioniert, dann müssen wir uns leider von euch trennen.
Eure Communities.

[2]Im Herbst 2010 kam es zu einem Fork [3] des alten OpenOffice.org [4]-Projekts und zur Gründung von LibreOffice [5]-Projekts. Ich sag’s mal etwas deutlicher, als es die Autoren des iX-Artikels »Die Freiheit, die ich meine…« [1] tun: Hauptsponsor Oracle [6] hat’s nicht geschnallt und total versaut — ein Lehrbeispiel!

Und so geht die Geschichte: Es war einmal…

… im Jahr 1985, als StarWriter [7] erschien. Das war ein Textverarbeitungsprogramm für inzwischen nur noch in Museen zu besichtigende Computersysteme [8]. Die Wohnzimmer-Firma Star Division [9] aus Lüneburg brachte es als proprietäre Software [10] auf den Markt. Von Freier Software [11] war bestenfalls in den USA in eingeweihten Zirkeln [12] die Rede. Als die nach Hamburg übergesiedelte Firma angesichts der übermächtigen M$-Konkurrenz Mitte der 1990er Jahre ins Schwimmen kam, machte sie einen Guerilla-Hack von einigen Star-Division-Entwicklern (StarOffice auf GNU/Linux) öffentlich. StarOffice mutierte schrittweise zu Freier Software.

Die Firma Sun Microsystems [13] schluckte 1999 Star Division, das Projekt OpenOffice.org entstand. 2010 war Sun selbst an der Reihe und wurde von Oracle gekauft. Sun bewies zwar ein Händchen für den Umgang mit der Community, aber die anfangs in Aussicht gestellte Stiftung, die als Träger des Freien OpenOffice dienen sollte, wurde nie gegründet. Mit Oracle kam dann ein Player (»Hauptsponsor«) ins Spiel, der sich nach innen so gebärdet wie der Boss Larry Ellison [14] nach außen auftritt: dynamisch und — ignorant.

Im Herbst war es dann genug: Wichtige Mitglieder der OpenOffice-org-Community gründeten die lange angestrebte Stiftung unter dem Namen The Document Foundation (TDF) [15]. Da die Namensrechte an OpenOffice.org bei Oracle liegen, wurde LibreOffice als neuer Projektname gewählt. Nach und wechselten fast alle freiwilligen Community-Mitglieder zu LibreOffice. TDF verfasste ein »Next Decade Manifesto« [16], das sehr deutlich ist.

Hier ein Ausschnitt in eigener deutscher Übersetzung (die vier Pro und Contra-Punkte entsprechen sich thematisch).

Wir verpflichten uns…

Wir lehnen ab…

Was das »geistige Eigentum« (dritter Punkt der Pro-Liste) mit offenen Dokumentenformaten zu tun hat, wird zwar nicht richtig klar, aber insgesamt beschreiben die Punkte sehr gut, was Freie Software-Entwickung ausmacht. Es liegt auf der Hand, dass dies nur in einem transparenten Prozess geschehen kann, damit sich keine Community-Anti-Patterns [17] ausbilden.

Der Rahmen der Stiftung bietet eine gute Möglichkeit, nun auch die früheren Schwächen der OpenOffice-Entwicklung zu überwinden. So soll das LibreOffice-Projekt wesentlich inklusiver gestaltet werden, um die Abhängigkeit vom alten Star-Division-Team in Hamburg zu überwinden. Bürokratische Hürden sollen abgebaut, notwendige Code-Renovierungen und -Dokumentationen nachgeholt werden. Code-Änderungen sollen schneller zu »running code« führen. Eine klarere Lizensierung (GNU LGPL [18] und MPL [19]) erübrigt lästige Copyright-Übertragungen, wie das entsprechend des US-Rechts von Sun/Oracle gefordert war.

Fazit der Autoren des iX-Artikels:

Damit hat sich das LibreOffice-Projekt ganz klar der Basar-Philosophie der Open-Source-Entwicklung verschrieben, im Gegensatz zur vormals doch eher dem Kathedralenbau ähnlichen Sichtweise. Die Beteiligten haben die Hoffnung, damit ähnlich Erfolg zu haben wie andere großen Open-Source-Projekte, beispielsweise das Linux-kernel-Projekt.

Die Chancen stehen nicht schlecht!

[Update] Oracle versaut es sich langsam mit allen: »Konflikt mit Oracle: Aus Hudson wird Jenkins« [20]