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Wie das Fliegen regeln?

Die Pole der ökologischen Diskussion sind meistens Markt und Staat. Doch die Commons-Diskussion lehrt: In dieser Polarität ist nichts zu holen, wir müssen jenseits der Pole denken. Die Markt-Staat-Dualität führen der Grüne Winfried Hermann [1] und der Linke Ivo Bozic [2] in einer Diskussion um die Luftverkehrsabgabe in der Zeitschrift Jungle World [3] exemplarisch vor — witziger Weise mit spiegelverkehrten Rollen: Hermann setzt auf den den Staat und findet die Luftverkehrsabgabe des schwarz-gelben Sparpakets gut, und Bozic auf der anderen Seite feiert den Markt als Schöpfer des Billigfliegens für »alle« und findet die Abgabe unsozial. Christian Lauk diskutiert [4] diese Entgegensetzung und bringt viele Fakten ins Spiel (etwa: »alle«=7% der Weltbevölkerung).

Doch das Ping-Pong zwischen unsozialer Ausgrenzung (steigende Preise) und ökologisch schädlichen Effekten (steigende Emissionen) ist letztlich nicht auflösbar. Warum?

In Markt-Staat-Dualismen kommen die Bedürfnisse der Menschen nicht wirklich vor. Sie erscheinen nur als Bedarfe, also als zahlungsfähige Bedürfnisse. Menschen sind damit auf Konsumenten reduziert, die nun auf einen höheren oder niedrigeren Preis treffen — in diesem Fall für das Fliegen. Warum Fliegen, wohin, zu welchem Zweck, was gäbe es an Alternativen, was ist mit den Bedürfnissen nach einer intakten Umwelt etc. — das alles hat nicht zu interessieren. Genau das aber gehört in die Diskussion rein. Der Markt und der Staat können das jedoch nicht abbilden, denn beide drehen nur an der Schraube »Preis«. Gesellschaftliche Probleme als Preisprobleme, das bedeutet Scheitern mit Sicherheit.

Wenn gesellschaftliche Probleme nur kommodifiziert, nicht aber commonifiziert werden, sind sie nicht lösbar. Auch die Commons sind nicht die Lösung schlechthin, aber sie holen die Probleme dort hin, wo sie hin gehören: zu den Menschen mit ihren immer gleichzeitig vorhandenen vielfältigen Bedürfnissen. Markt und Staat können unterschiedliche Bedürfnisse in der Regel nur als sich wechselseitig ausschließende behandeln. Das liegt an der idiotisch banalen Dimension »Preis«, in der die konfligierenden Fragen abgebildet werden. Markt und Staat sind der Handlungsrahmen, in dem die Probleme nicht lösbar sind. Prinzipiell nicht, denn irgendwer muss immer die Folgen tragen, und sei es, dass sie »exportiert« werden und Menschen anderswo für »unseren« Biosprit verhungern.

Allein die Menschen selbst sind in der Lage, eine Bewegungsform für Bedürfnisunterschiede — zudem noch zwischen unterschiedlichen Menschen — zu finden. Die Commons sind ein Handlungsrahmen, in dem das geht. Prinzipiell.

Was heisst das jetzt für das Fliegen?

Woher soll ich das wissen? Ich vermute, das es keine einheitliche Lösung geben wird, ließe man die Menschen jenseits von Markt und Staat selbst entscheiden, was zu tun ist. Das Fliegen ist nun gerade ein Extrembeispiel, denn es bezieht nahezu sämtlichen gesellschaftlichen Konflikte auf einen Schlag in die Debatte mit ein: Energie, Umwelt, Klima, stofflliche Ressourcen, Arbeitsteilung, Gesundheit etc. Commons, die begrenzte Probleme im Fokus haben, sind erfolgreich, wenn sie sich sowohl von der Markt- wie von der Staatslogik fernhalten. Elinor Ostrom hat das gezeigt und dafür den Nobelpreis [5] bekommen.

Ich vermute, dass unter Bedingungen der Möglichkeit, sämtliche menschlichen Bedürfnisse auch tatsächlich in die Entscheidungsfindung miteinbeziehen zu können, der Flugverkehr zurück gehen würde, weil die langfristigen Schäden den aktuellen Nutzen nicht rechtfertigen. Stattdessen würden sich andere, soziale Lösungen herausbilden, die viele Flüge schlicht überflüssig machen und gleichzeitig ein Mehr an Lebensqualität bedeuten. Aber wissen kann das niemand. Nur ohne Commons, bloß auf die strukturelle Dummheit von Markt und Staat zurückgeworfen, gibt es noch nicht mal die Chance dazu, solche Lösungen zu finden.