- keimform.de - https://keimform.de -

Oya: Wovon wir alle leben

Der Gemeingüter-Virus greift weiter um sich. Die neue Zeitschrift Oya [1] widmet sich in ihrer ersten Ausgabe dem Thema „Allmende, Gemeingüter, Commons – Wovon wir alle leben“. Das auch grafisch sehr ansprechend gestaltete Magazin hat dabei ein umfangreiches und tiefschürfendes Programm zusammengestellt.

Oya-Titelkopf (Klicken um die gesamte Titelseite zu sehen)

Die unermüdliche Silke Helfrich [2] führt in den Schwerpunkt ein und erklärt „Was Gemeingüter sind und wie wir mit ihnen umgehen müssen“ (S. 10ff). Daran anknüpfend stellt der Kassel Wirtschaftswissenschaftler Achim Lerch [3] Elinor Ostroms [4] wesentliche Erkenntnisse vor, die ihr den Wirtschaftsnobelpreis [5] eingebracht haben (S. 22f).

Der Biologe und Philosoph Andreas Weber [6], der sich immer sehr enthusiastisch für die Commons ausspricht und damit schon bei der Vorstellung von Silkes Gemeingüter-Buch [7] für Begeisterung oder auch (bei Reinhard Bütikofer [8]) für Irritationen [9] sorgte, wirbt dafür, Freiheit und Verbundenheit nicht als Gegensatz zu betrachten (S. 24ff). Seine Erwartungen für die nähere Zukunft sind allerdings pessimistisch. Er geht davon, dass das unerbittliche kapitalistische Wachstum die Erde fast zum Äußersten übernutzen und die Menschheit erst anschließend lernen wird, sich in den verbleibenden „abgenagten Gebeinen der Biosphäre“ einzurichten und mit den noch verbleibenden Resten respektvoller umzugehen. In Anbetracht der derzeitigen Entwicklungen sicher kein ganz unplausibles Szenario, aber hoffen wir, dass sich die Prinzipien der „Gemeinen Peer-Produktion“ [10] durchsetzen, bevor es eigentlich schon zu spät ist…

Optimistischer ist der Artikel „Copyleft“ der Oya-Chefredakteurin Lara Mallien (S. 31ff). Ausgehend von der Freien Software [11] und dem Copyleft-Prinzip [12] zieht sie den Bogen zur Keimform-These und zur Peer-Ökonomie [13]. Dabei sieht sie Ähnlichkeiten zwischen der Peer-Ökonomie und der „Ökonomie der Gabe“ matriarchalischer Kulturen, wie sie Heide Göttner-Abendroth [14] und Genevieve Vaughan [15] beschrieben haben.

Ein weiteres Highlight ist eine Diskussionsrunde zwischen Stefan Meretz [16], Silke Helfrich, Julio Lambing vom durchaus wirtschaftsnahen European Business Council for Sustainable Energy [17] sowie dem Oya-Herausgeber Johannes Heimrath [18] (S. 58ff). Das Gespräch zum Thema „Lasst uns die Spielregeln ändern“ gibt es auf der Oya-Homepage auch als Video [19] in einer deutlich längeren Fassung als im Heft abgedruckt werden konnte.

Außerhalb des Schwerpunkts, aber ebenfalls sehr passend, ist der Artikel „Anders lernen“ von Anke Caspar-Jürgens (S. 64ff). In dem Text geht es um Lern- und Lehrformen, die Kinder nicht bevormunden, wie sie auch bei Keimform [20] unter Stichworten wie „Nicht-Erziehung“ diskutiert werden. Lernen ist keine isolierte Aktivität, die unabhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen vor sich geht – „anders lernen“ setzt letztlich eine „andere Gesellschaft“ voraus. Konsequenterweise kommt auch in diesem Artikel die Peer-Ökonomie zur Sprache als eine Gesellschaft, in der man die Dinge „tut, weil man [sie] gerne tut“.

Das ist noch längst nicht alles, der Commons-Schwerpunkt umfasst noch viele andere Artikel, unter anderem ein Interview mit der alternativen Nobelpreisträgerin Vandana Shiva [21] (S. 52f) sowie eine weitere Gesprächsrunde mit vier Mitgliedern verschiedener „intentionaler Gemeinschaften“ (wie der Kommune Niederkaufungen [22], S. 16ff).

Insgesamt wirkt das Heft, vor allem außerhalb des Commons-Schwerpunkts, ein bisschen esoterisch angehaucht, jedoch nicht so dass es stören würde. Sehr erfreulich ist, dass alle Artikel unter der Creative Commons [23]-ShareAlike-Lizenz stehen und (jedenfalls zum großen Teil?) auf der Oya-Website [1] als PDF-Dateien verfügbar sind.

Auf der Oya-Homepage kann man die Zeitschrift abonnieren [24] oder sich erstmal die erste Ausgabe als kostenloses Probeheft bestellen [25]. Auch die künftigen Ausgaben versprechen interessant zu werden, so soll es im dritten Heft um „Wirtschaft radikal anders denken“ gehen.