Copy.Right.Now!?

Die Böll-Stiftung legt nach: Kaum ist der wirklich gute Gemeingüter-Report erschienen, kommt schon der nächste Reader: »Copy.Right.Now. Plädoyer für ein zukunftstaugliches Urheberrecht« (in Zusammenarbeit mit iRights.info). Offensichtlich haben hier zwei Teams ziemlich parallel gearbeitet, denn das merkt man dem Copyright-Reader an: Zwar wird im Vorwort auf die Gemeingüter-Broschüre verwiesen — und das war’s dann auch schon. Anschließend wird bestenfalls von »öffentlichen Gütern« gesprochen (Jeanette Hoffmann), weder Gemeingüter noch Commons (außer als CC-Lizenz) kommen sonst vor. Das ist erstaunlich.

Offensichtlich ist der Copyright-Diskurs im wesentlichen doch ein Rechtsdiskurs und damit sehr auf den Staat als Rechtsgeber bezogen. Der Reader-Titel steckt den Diskurs-Rahmen ab: Um ein neues Urheberrecht soll es gehen, das natürlich »zukunftstauglich« ist. Politiksprache. Das aktuelle Urheberrecht nervt, so soll ein weniger nerviges her, aber bitte im alten Rahmen. Nur eben »zukunftstauglich«.

Das Vorwort beginnt ansprechend: »Wer die Eigentumsfrage stellt, stellt auch die Machtfrage«. Nur leider wird die Eigentumsfrage nicht wirklich gestellt (mit Ausnahmen, s.u.). Oder irgendwie doch, nur wird sie ganz herkömmlich beantwortet. Mehrfach, und das rigoros und geradezu dogmatisch. Beispiele:

»Eine große und heterogene Gesellschaft kann ohne Eigentum, auch ohne intellektuelles Eigentum in irgendeiner Form, nicht gedeihen und nicht überleben« (Jonathan Lethem, S.41)

Es wäre «falsch, der vor allem in Kreisen jüngerer, mit dem Internet und seinen anarchischen Anfängen groß gewordener Nutzer, den sogenannten «Digital Natives», entstandenen Erwartungshaltung nachzugeben, einen kostenlosen Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken herzustellen. Das darf Nutzerschutz nicht bedeuten und kann auch nicht Maßstab für eine Revision des Urheberrechts sein. Dieser treffend «Freibiermentalität» genannten Einstellung ist vielmehr mit Härte und Überzeugungsarbeit zu begegnen…« (Gerd Hansen, S. 57)

Wow, Gefühl und Härte. Kein Fußbreit den Digital Natives und anderen Raubrittern des Informationszeitalters! Verzeiht den Sarkasmus, aber das finde ich gar nicht lustig.

Nun wieder ernst: Wie soll denn die Zukunftstauglichkeit aussehen? Till Kreutzer plädiert dafür, zunächst einmal das Begründungsfundament des alten Urheberrechts in Frage zu stellen — das »geistige Eigentum« (bei ihm ohne Anführungszeichen). Kreutzer führt aus:

Die rechtstheoretische Begründung des – v. a. kontinentaleuropäischen Urheberrechts («Droit d’Auteur») – fußt auf einem zweigleisigen, rein individualrechtlichen Ansatz, bei dem naturrechtliche Elemente vorherrschen. Er stammt in seinen Grundzügen aus dem 18. Jahrhundert. Die Ausgestaltung des Urheberrechts wird dominiert von der Theorie vom geistigen Eigentum. Sie besagt, dass jedem Menschen die Früchte seiner geistigen Tätigkeit zuzuordnen sind. Hiermit untrennbar verknüpft ist nach traditionellem Verständnis des Urheberrechts ein weiteres idealistisches Element des Begründungsansatzes, wonach das Werk ein verobjektivierter Teil der Schöpferpersönlichkeit sei. (…) Angesichts der Ausgestaltung als geistiges Eigentumsrecht ist eine logische Folge, dass das Urheberrecht konzeptionell allein auf die Belange des Schöpfers fokussiert. (S. 48)

Die häufig verwendete Begründungsformel laute folglich:

«Das Urheberrecht dient dazu, dem Urheber die Früchte seiner Arbeit und seine ideellen Interessen zu sichern» (S. 48f)

Die Zweckausrichtung auf den Urheber müsse »zugunsten der Allgemeinheit« verändert werden:

«Urheberrechte werden nur dann und insoweit gewährt, als sie die Erzeugung, Veröffentlichung und Nutzung von kreativen Schöpfungen fördern und keine höherrangigen widerstreitenden Interessen beeinträchtigen. Regelungen des geschriebenen Rechts, die diesem Ziel zuwiderlaufen, sind unzulässig.» (S. 50)

Damit solle die auch von Lawrence Lessig immer wieder beschworene »Balance« zwischen Verwertung und Allgemeinheit wieder hergestellt werden. Nun wäre das tatsächlich eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation, doch eine wesentliche Änderung kann ich nicht erkennen. Weder wird es den Urhebern ein besseres Einkommen sichern, noch die »Freibiermentalen« davon abhalten, die Downloads zu ziehen wo es nur geht.

Die Creative-Commons-Lizenzen werden im Reader ganz passfähig als »privatautonome« Alternative angepriesen, sich doch sein eigenes Urheberrecht zu geben. Motto: »Freiheit im. nicht Freiheit vom Urheberrecht«. Nun nutze ich auch stets CC-Lizenzen, doch ich muss in der Tat mal nachdenken, ob es nicht wirklich generell sinnvoller ist, die eigenen Werke gleich in die (Pseudo-) Gemeinfreiheit zu übergeben (so wie wir das auch in diesem Blog handhaben).

Highlights

… im Reader gibt es auch. Zwei möchte ich nennen: Cornelia Sollfrank und Christian von Borries. Zwei Künstler_innen. Die Tätigkeit scheint den Realitätsgehalt der eigenen Sicht zu bestimmen.

Cornelia Sollfrank beschreibt, wie ihr das Urheberrecht »auf den Kopf gefallen« ist. Für eine Ausstellung hat sie einen Collage-Generator entwickelt, der nach Eingabe von Stichworten Bilder aus dem Internet saugt, remixed und so automatisch eine Collage erzeugt. Das Kunstwerk ist einmalig, jeder neue Abruf erzeugt eine neue Collage. Wer ist nun der Urheber der Collage? Sie fragte vier Anwälte und bekam keine eindeutige Antwort. So machte sie die Auseinandersetzung um das Urheberrecht selbst zur Kunst. —  Das ist jetzt etwas sehr abgekürzt dargestellt, Andy Warhol kommt auch noch vor, aber lest einfach selbst.

Das Collagen-Programm net.art generator (Direktlink zum Generator) steht übrigens online zur Verfügung. Damit habe ich die oben stehende Collage erzeugt. Stichwort war »free software«.

Christian von Borries, klassischer Musiker, schreibt erfrischend gegen das Urheberrecht — den Text habe ich gerade repostet. Den Urheberrechts-Fanatismus bezeichnet er als »Fortführung des Kalten Krieges im Internet«. Harte, aber treffende Worte. Es stellt die Frage:

Wie kann man Informations- und Meinungsfreiheit sichern, wenn die Entwicklung dahin geht, jede Idee zu geistigem Eigentum zu erklären? (S. 100)

»Geistiges Eigentum« — die Rechtfertigungs-Ideologie im Internetzeitalter. Doch die User schert es nicht: »Technik gegen Technik«.

Ein Recht aber, das sich nicht mehr durchsetzen läßt, löst sich in Wohlgefallen auf. «Manchmal», so Reto Hilty, Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, «entsteht Fortschritt durch zivilen Ungehorsam.» (ebd.)

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