Wie den Bugfix-Modus verlassen?

Elevate-Festival in Graz

Das wirklich geniale Elevate-Festival zum Thema »Commons« läuft nun zwei Tage, seit gestern darf ich mit dabei sein. Wer die Diskussionen verfolgen will, kann sich in den Live-Stream einklinken. Alle Beiträge sollen aber auch nach dem Festival als Videos zugänglich gemacht werden.

Hauptort der Debatte und der Musiksessions ist der »Dom im Berg«. Das ist ein großer hallenartiger Raum, der Teil eines Bunkersystems ist, das im 2. Weltkrieg von Zwangsarbeitern errichtet wurde. Die Bunkeranlagen wurden gesichert und ausgebaut, inzwischen kann man also durch den Schlossberg laufen. Hier kann also mitten in der Stadt in gigantischer Lautstärke Musik gemacht werden. Mir war das allerdings zu laut und dann auch zu verraucht, um länger bleiben zu können. Die Elevate-Parties gehen aber regelmäßig bis in den Morgen.

In der Diskussion »Commons of the Mind« ging es sehr harmonisch zu, die Teilnehmer_innen berichteten jeweils aus ihren Bereichen. Schön. Viel wurde von neuen commons-basierten Business-Modellen erzählt. Weniger schön. Das Publikum war hier der Treiber, in dem es hartnäckig nach den Perspektiven fragte. Ein Diskutant brachte es schön auf den Punkt, in dem er vom »Buxfixing-Mode« sprach, in dem sich die Diskussion bewegte.

Ich geb’s zu, ich habe mich eingemischt und in einem Beitrag nach »Utopien« gefragt. Da kam dann nicht viel. Das ist nicht verwunderlich, befindet sich der globale Commons einfach noch in der Phase, aus den sehr unterschiedlichen Richtungen und Themen zusammenzukommen. Aber es wird offensichtlich, dass vom Sammeln und Kennenlernen weitergegangen werden muss in Richtung auf die Formulierung einer integrierenden Alternative.

Gleichzeitig besteht bei einigen die Befürchtung, einer »Ideologisierung« auf den Leim zu gehen: »Sowas wie in der Linken mit gegenseitigen Ausgrenzungen wollen wir nicht haben«. Das ist völlig richtig. Gleichzeitig darf mit diesem Argument verhindert werden, zu größerer Klarheit darüber zu kommen, was das Gemeinsame der Probleme und was möglicherweise auch das Gemeinsame alternativer Ansätze sein. Dabei kann aus meiner Sicht der Modus nur der des gemeinsamen Voneinander-Lernens sein, und der schließt inhaltlichen Streit mit ein. Also Gemeinsamkeit aus der Differenz gewinnen, anstatt sich gegenseitig auf »Ideologien« zu verpflichten. — Ok, ich werden morgen versuchen, einen Beitrag zu diesem Differenzmodus des Lernens zu leisten. Ich bin ganz zuversichtlich, dass das überwiegend junge Publikum damit sehr wohl umgehen kann und die ganzen »Altlasten« ideologischer Grabenkämpfe einfach nicht mehr kennt, und ich vermute auch, wohl auch nicht verstehen würde. Let’s see.

Heute fanden zwei Debatten im »Dom« statt. Zunächst war das Panel »Genetische und biologische Commons« dran. Hier bekam die Debatte allerdings eine schräge Richtung. Ein Teilnehmer aus dem Publikum fragte nach »den wirklichen Verantwortlichen«. Seiner Meinung müssten die Chefs der Weltbank namentlich benannt und angeprangert werden, da sie für die desatrösen Entwicklungen in der Welt — zahlreiche Beispiele wurden genannt, zum wurde Mocambique per Kreditvergabe gezwungen, nur noch Genmais einzusetzen — verantworlich seien. Puh, das bekam fast einen Drall in die verrückte Richtung »Die Gier der xy ist Schuld«, wie uns das derzeit bei der aktuellen Finanzkrise aufgetischt wird. Ein sehr gefährliches Argument.

Glücklicherweise wurde die Kurve gerade noch geschafft, aber die neue Richtung war auch nicht gerade sinnvoll. Quasi als Gegenstück zu den »Managern« (wo auch immer), wurden nun »die Konsument_innen« ausgemacht, die »gutes Essen einfach nicht mehr wertschätzen« würden, sprich höhere Preise bereit sind zu zahlen. Es entstand ein wenig eine etwas hilflose Stimmung, weil beide Arten der Personalisierung irgendwie nicht hinhauen — war wurde schon gespürt. Eine Diskutantin nannte die Situation »schizophren«, und das trifft es ganz gut.

Es trifft es gut aber nur in dem Sinne, dass man mit Personalisierungen nicht weiterkommt. So wurde wie fast immer bei solchen Debatten überhaupt kein bißchen die Zwangslogik des Verkaufen-und-Kaufen-Müssens hinterfragt. Dass Geld als Form »toter Arbeit« eben jenes beklagte ignorante Verhalten der Konsument_innen erzeugt, kann nicht in den Bild kommen. Und auch nicht, dass »Verkaufen-müssen« unter den Bedingungen des globalisierten Marktes eben immanent-nachvollziehbar jene erpresserischen neoliberalen Vorschriften mit sich bringt, denn wie soll sonst ein Land wie Mocambique fit für den Weltmarkt werden?

Für die zweite Debatte des Tages schreibe ich einen eigenen Artikel — stay tuned.

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