Transparenz als Kriterium für Keimformen

Transparency
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Wir hatten ja schon öfter die Diskussion ob Bewußtheit ein Kriterium für Keimformen sein kann oder gar muß. Juli holt das Thema in einem Kommentar zu meinem Artikel über Freiräume und Keimformen nun dankenswerterweise wieder aus der Versenkung:

Auch die Frage des Bewußtseins der Beteiligten zum Unterscheidungskriterium zu machen scheint mir schwierig. So nach dem Motto: Es gibt die Freiräume, die machen was, aber wissen nicht was sie da tun. Und es gibt die Keimformen, die haben ein Bewußtsein von ihrem Tun. Quasi als Ersatz für die Klasse an sich und die Klasse für sich.

Das überzeugt mich nicht, weil es dann – harte Kriterien für Bewußtsein angelegt – so ziemlich kein Projekt gibt, das als Keimform durchginge. Überhaupt ja eine spannende Frage, inwieweit und zu welchem Grad müssen die Leute eigentlich ein Verständnis davon mitbringen, das sie grade in ner Keimform (oder neudeutsch: im emanzipatorischem Transformationsprojekt) unterwegs sind? Ist es egal, weil es um den objektiven Prozess der Veränderung geht? Oder ist es wichtig, weil es ja um bewusste Vergesellschaftung gehen soll?

das und meine aktuellen Erfahrungen mit Freiräumen bringen mich dazu ein neues Kriterium für Keimformen in die Runde zu werfen: Transparenz. Warum das?

Ich denke tatsächlich nicht, dass es um „bewußte Vergesellschaftung“ gehen kann. Ich will nicht ständig die ganze Gesellschaft im Bewußtsein haben müssen. Es geht aber darum mir jederzeit ein Teil des Ganzen ins Bewußtsein holen zu können. Und dazu ist eine transparente Organisation der Gliederungen der Gesellschaft nötig und das gilt nicht erst in der fertigen neuen Gesellschaft sondern ist schon heute Entstehungsbedingung. Daraus folgt nun wiederum eine ganze Menge:

  • Das ungelöste Problem der Dialektik des Datenschutzes wird von einem Randthema unserer Diskussionen ins Zentrum gerückt. Eine schöne Illustration der ungelösten Problematik findet sich in den vielen Artikeln zu Google-Chrome in unserem Empfehlungsfeed in den letzten Tagen.
  • Transparenz kann man sich als Freiraum nur leisten aus einer Position der Stärke. Je stärker ein Freiraum angegriffen wird umso mehr verschanzt er sich hinter hohen Mauern und wird immer intransparenter. Ein gutes Beispiel ist vielleicht der berühmt-berüchtigte „schwarze Block“ auf Demos. Die Verteidigung eines Freiraums führt hier zu immer mehr Intransparenz was widerum zu noch mehr Angriffen führt usw.
  • Wenn man Keimformen nur aus einer Position der Stärke heraus betreiben kann, bedeutet das, dass man sich angucken muß wo man diese Stärke entfalten kann. Da kommt dann der „objektive Prozeß“ ins Spiel. Aber eben nicht als Automatismus sondern als Rahmenbedingung für unser Handeln.
  • Idealerweise macht man also im Falle eines Angriffs Transparenz zur Waffe, auch wenn das sicherlich nicht immer funktioniert. Ein schönes aktuelles Beispiel – auch für die Dialektik des Datenschutzes – ist der Blog Analist.

Aus all dem folgt natürlich nicht, dass es nicht auch mal sinnvoll sein kann einen Freiraum intransparent zu verteidigen und sicherlich gibt es auch für Keimformen immer Momente in denen die Verteidigung existenziell ist und in denen zumindestens sporadisch auch Intransparenz nötig sein kann. Nur tranformatorisch ist ein Freiraum spätestens dann nicht mehr, wenn die Verteidigung zu einer immer stärkeren Abwehrhaltung und diese zu immer mehr Intransparenz und schließlich zu einer negativ rückgekoppelten Dynamik führt an deren Ende wieder das bekannte Alte oder etwas noch schlimmeres rauskommt.

… aber auch diese Einsicht produzierte Bereits ihre dunkle Seite.

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