Sieben Thesen zum Commonismus

Elevate-Festival in Graz
[Vorgetragen bei der Veranstaltung »Kooperation statt Wettbewerb, Gemeinwohl statt Profit« @ Elevate-Festival]

English Version

1. Die Welt wird commonistisch sein oder sie wird nicht sein.

Der Kapitalismus ist in einer tiefen Krise, manche sprechen bereits von der finalen Krise. Stünde nur der Kapitalismus auf dem Spiel, wäre das zu verschmerzen. Aber wir sind der Kapitalismus, wir reproduzieren uns, indem wir uns in ihm reproduzieren, indem wir den Kapitalismus produzieren. Geht der Kapitalismus unter, gehen wir unter. Der Commonismus ist also kein bloßer Wunsch, keine schlechte Utopie, sondern schlicht eine historische, eine menschliche Notwendigkeit.

2. Wer den Commonismus will, muss den Kapitalismus verstehen

Der Kapitalismus produziert Menschen, die ihn produzieren. Diese Dialektik darf nicht nach einer Seite aufgelöst werden. Weder ist die „Gier“ der Bänker Schuld an der globalen Finanzkrise, noch sind wir dem System total unterworfen. Es gilt, den inneren, selbstreproduktiven Kern – den „Kernel“ des Betriebssystems – zu verstehen, damit wir uns dazu verhalten können. Er besteht darin, dass nur der überlebt, der es versteht, aus Totem mehr Totes – Geld – zu machen durch Vernutzung von Lebendigem.

3. Ohne Kapitalismus ist alles nichts, aber nicht alles ist Kapitalismus

Es ist keinesfalls so, dass der Kapitalismus alle unsere Lebensbedingungen herstellt. Er ist sogar noch nicht einmal mehrheitlich daran beteiligt. Nach Schätzungen von Carola Möller werden zwei Drittel aller notwendigen Tätigkeiten und Dinge, die wir für die Produktion unseres gesellschaftlichen Lebens benötigen, nicht in der Form von Waren, also nicht kapitalistisch hergestellt. Der von der „Wirtschaft“ abgespaltene Bereich ist der überwiegende, und er wird überwiegend von Frauen gemacht. Es ist die „unsichtbare“ Grundlage, die andere Seite der kapitalistischen Verwertungslogik.

4. Kein Commonismus ohne Commoning

Eine zentrale Einsicht beim Verstehen des Commonismus ist seine Bindung an das praktische Tun, an das Kümmern, an das lebendige Herstellen der Lebensbedingungen. Im Kapitalismus bekommt praktisches Tun hingegen die entfremdete Form von „Arbeit“, einer Energieverausgabung zur Transformation von Lebendigem in Totes. Deswegen ist Massimo De Angelis zuzustimmen, wenn er schreibt: „Die ‚Absage an die Arbeit‘ als Zurückweisung der Maßstäbe des Kapitals und Commoning als Bejahung anderer Maßstäbe sind zwei Seiten des gleichen Kampfes“.

5. Der Commonismus kommt nicht aus dem Nichts

Der Commonismus existiert im Kapitalismus. Allerdings ist er noch ganz eingezwängt in die Jacke der Wertform: Er muss „sich rechnen“ oder sich mindestens „finanzieren lassen“. Der Commonismus wird nur Keimform einer neuen Gesellschaft, wenn es ihm gelingt, sich auf seiner eigenen Grundlage zu produzieren. Jenseits von Geld, Markt und Staat.

6. Freie Software – Commonismus in Keimform

Ein prominentes Beispiel – weswegen ich auch eingeladen wurde – ist die Freie Software. Freie Software hat die Warenform verlassen und ist damit in der Lage, neue soziale und produktive Beziehungen zu konstituieren. Freie Software lebt im Kapitalismus und ist gleichzeitig Keimform einer neuen Art und Weise der Vergesellschaftung.

7. Die Rede vom Commonismus darf nicht schrecken

Der „Kommunismus“ ist ein verbranntes Wort. Das soll uns nicht abhalten, vom Commonismus zu sprechen. Denn ob wir es wollen oder nicht: Man wird uns den „Kommunismus“ vorhalten. Wir können aber selbstbewusst sagen: Nein, das war kein Commonismus, das war die staats-diktatorische Form des Kapitalismus. Wenn der Kapitalismus den „Kommunismus“ anklagt, klagt er nur sich selbst an.

Commonismus ist Gesellschaftlichkeit, die auf Individualität basiert, ist die Herstellung unseres gesellschaftlichen Lebens jenseits markt-vermittelter Beziehungen. Es ist einfach das Leben.

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