Rezension zu »Beitragen statt Tauschen«

Titelbild des deutschen Peerconomy-BuchsDieter Koschek hat bei Amazon eine schöne Rezension (»Produktbeschreibung«) zu Christians Buch »Beitragen statt tauschen. Materielle Produktion nach dem Modell Freier Software« geschrieben. Mit Erlaubnis von Dieter re-poste den Text hier (Absatz-Einfügungen, Korrekturen und Links von mir):

»Es ist einfach erstaunlich, das Buch von Christian Siefkes („Beitragen statt tauschen“, erschienen in AG SPAK Bücher, 2008, aber auch unter Creative Commons Lizenz CC-BY-SA im Internet). Er entwirft, aufgrund seiner Erfahrung als Programmierer in Open Source- und Free Software-Projekten, seine Peer-Ökonomie als eine Alternative Ökonomie zum marktförmigen Kapitalismus und zur Planwirtschaft.

„Beitragen statt tauschen“ (so der Titel des Buches) geht von einer völlig neu orientierten Wirtschaftsweise aus: Auf Grund von Bedürfnissen nach bestimmten Produkten (oder Dienstleistungen) bilden Menschen eine Assoziation, um diese Dinge gemeinsam herzustellen und zu verteilen. Nicht der Markt und nicht das Geld (als Tauschmittel) spielen eine Rolle, sondern das Bedürfnis, die Fähigkeiten und der Spaß an der Sache. Der Spaß ist deshalb gewährleistet, weil das Prinzip auf Freiwilligkeit und Kooperation beruht. Die Menschen tun diese Dinge, weil sie es wollen. Da ist die Bedürfnisorientiertheit auf den einfachsten Nenner gebracht.

Nun kennen wir alle die Müllabfuhr, die keiner erledigen will. Mit der Selbstverständlichkeit eines erfolgreichen Programmierers nennt Siefkes drei Möglichkeiten diese notwendige Arbeit zu gewährleisten. 1. überlegt man sich, ob man diese Aufgabe nicht wegautomatisieren kann. Wenn dies nicht möglich sein sollte, dann werden 2. diese Aufgaben so aufgeteilt, dass nur ein kleiner Teil für jeden übrig bleibt, und wenn das nicht hilft, werden diese Aufgaben versteigert, so dass ein Tag Müllabfuhr vielleicht drei Wochen Programmieren entspricht — und schwups hat man fast drei Wochen Muße. Gearbeitet wird nicht für Profit und Verschwendung, sondern nur soviel wie die Bedürfnisse verlangen, also hat der Tag Müllabfuhr tatsächlich drei Wochen minus einem Tag Freizeit zur Folge. Die kann man dann nutzen wie man will. Allein hier werden schon die faszinierenden Bestandteile sichtbar: Arbeit als Spass, bedürfnisorientiert, keine Verschwendung, Freizeit.

Auch fasziniert Siefkes durch seine selbstverständliche Offenheit: die Menschen werden es sich so einrichten, wie sie es brauchen. Klugheit, Spass und Engagement werden Lösungen vorbringen, die gefallen. Dabei werden Entscheidungen fallen, die entweder vom Leader eines Projektes (dank seiner Fähigkeit) oder der Führungsgruppe gefällt werden, oder eben demokratisch, dadurch, dass Menschen aus Projekten fernbleiben und neue, eigene Projekte entstehen. Auch für die Nutzung (statt Eigentum) gibt es vielfältige, den jeweiligen Produkten angepasste Verteilungssysteme: Flatrates (zum Beispiel im Gesundheitswesen), Produktversteigerungen oder durch Beiträge dem Produktionsaufwand entsprechend.

Das Ganze basiert auf dem gemeinschaftlichen Eigentum der benötigten Güter. Während es mit Bytes relativ einfach ist, die Hardware den Entwicklern gehört oder in Assoziationen geteilt wird, wird es bei der materiellen Produktion dann etwas schwieriger. Doch wir begegnen hier wieder einem alten Bekannten: dem Fabricator, einer PC-gesteuerten Herstellungsmaschine, wie sie heute schon für Prototypen genutzt wird. Frithjof Bergmann hat ihn schon bei seinen Gedanken zu einer „Neuen Arbeit“ entdeckt und angeführt. Siefkes steht dieser Wundermaschine skeptisch gegenüber, aber er gibt der technischen Entwicklung jede Möglichkeit, die wir heute (noch) nicht erkennen können. Modulare Produkte, dezentrale Produktionsprozesse, Rapid Manufacturing sind Stichworte für die Veränderung der Produktion und damit der Energieversorgung und der Transporte.

Durch lokale oder regionale Versorgung mit Energie und auch etwa durch Fahrzeug-Pools werden sich die Verhältnisse auf eine materielle Produktion in einer Peer-Produktion einstimmen. Diese Projektideen überträgt er auf „die“ Gesellschaft: Lokale Projekte bilden regionale und überregionale Assoziationen, je nachdem wie groß die Aufgaben sind. Da nicht jeder Mensch in jeder Produktassoziation mitmachen kann sind Verteilungspools mit Aufwands- und Produktversteigerungen eine logische Folgerung. Dies trägt dann weiter bis zu Verteilungspools für Ressourcen, wobei erneuerbare Ressourcen von vornherein im Vorteil sind.

Schöne Ideen, was aber ist mit ihrer Verwirklichung. Auch hier hat Siefkes überzeugende Argumentationen: „All das ist möglich, aber wird es auch Wirklichkeit werden? Das ist eine Frage, die nicht ernsthaft beantwortet werden kann, da sie Ereignisse betrifft, die noch nicht geschehen sind. Die Zukunft ist nicht vorhersagbar. Aber ein Blick auf Vergangenheit und Gegenwart kann Anzeichen liefern – und es gibt positive Anzeichen. Ein Indiz ist, dass die Formeln, mit denen der Kapitalismus als Lösung aller Probleme propagiert wird, von Tag zu Tag hohler klingen. Immer mehr Menschen sind von materieller Verelendung betroffen; die Schere zwischen reichen und armen Menschen und reichen und armen Ländern öffnet sich immer weiter; das Gefühl vieler Menschen, außen vor zu bleiben, nimmt zu, was Hass und Fanatismus oder Resignation und Hoffnungslosigkeit befördert; Stärke und Häufigkeit von Umweltkatastrophen verschlimmern sich. Die meisten Menschen haben wahrscheinlich noch nicht verstanden, dass der Kapitalismus die tiefere Ursache dieser Probleme ist, aber immer mehr Menschen glauben auch nicht mehr ernsthaft daran, dass er sie lösen könnte. Noch zögern viele, sich diese Tatsache einzugestehen (oder sie gar offen auszusprechen), da sie keine besseren Alternativen kennen – und eine unbegründete Hoffnung scheint immer noch besser als Hoffnungslosigkeit. Aber sobald klar wird, dass es eine Alternative gibt, besteht kein Grund mehr, in dieser Selbsttäuschung zu verharren.“

Von uns hängt eben die Zukunft ab. Siefkes Buch gibt dazu eine Fülle von Anregungen, aber lesen Sie das lieber selber.«

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