Die dunkle Seite der Macht

Gerade haben wir uns ein ganzes langes Wochenende mit der Frage auseinandergesetzt wie man die „commons-based peer-production“ auf gesellschaftliches Niveau verallgemeinern kann. Dabei sind viele interessante Ideen entstanden und weitergedacht worden und womöglich ist das ein Fortschritt auf dem Weg zur befreiten Gesellschaft. Doch jetzt ist es Zeit sich mal wieder die dunkle Seite der Macht anzugucken. Ich nenne diese die „commons-based peer-destruction„. Diese folgt den selben Prinzipien wie ihr heller Vetter, wirkt aber nicht emanzipativ und lebendig, sondern unterdrückend und tot. Anhand zweier Beispiele möchte ich vor allem meine Ratlosigkeit demonstrieren. Gibt es irgendetwas, das diese Beispiele von peer-production, wie wir sie bisher verstanden haben, unterscheidet? Wenn ja: Was könnte das sein? Wenn nein: Ist das gut oder schlecht? Hängen diese Probleme vielleicht mit der Frage der Rolle der Gemeinschaften für die commons zusammen?

Mobbing

Zunächst das vergleichsweise harmlose Beispiel: Jemand wird aus einer Gruppe rausgemobbt. Das geschieht meist durchaus in einer perversen Wendung „freier Kooperation“: keiner wird gezwungen aber alle machen mit. Alle dafür benötigten Ressourcen (Stile, Sprache, Emotionen, Gruppengewohnheiten, …) sind Teil der commons, getauscht wird auch nix und Reputation ist sicherlich gerade ein treibendes Moment dieser Prozesse. Alles Merkmale mit denen wir auch die Peer-Production beschreiben.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich dieses Verhalten auch gesamtgesellschaftlich reproduziert. Das Ressentiment vom „die passen nicht zu uns“ dürfte das Bindeglied sein zwischen dem Mobbing in der Community und dem Rassismus der Volksgemeinschaft.

Al Kaida

Al Kaida und die von ihr inspirierten Terrornetzwerke sind ein weiteres Beispiel. Auch hier sprengen sich alle Beteiligten freiwillig in die Luft, sie nutzen die kulturellen Commons zur ideologischen Schulung, tauschen sich aus im Internet, der nötige Tauschwert wird über Spenden eingesammelt und am Ende gibt’s zu Belohnung die berühmten Jungfrauen (und nicht etwa einen Generalstitel oder so was). Das Ganze ist in der Lage mit enorm geringen Mitteln die hegemoniale Großmacht herauszufordern. Die hat das inzwischen erkannt und lässt ihre Think-Tanks auf das Problem los. Was mag da am Ende wohl rauskommen? Dazu macht sich auch das interessante Blog „Global Guerillas“ so seine Gedanken und kommt dann wieder auf Abwehrstrategien, die selber sehr nach Peer-Production riechen.

Was folgt aus alle dem? Das die gesellschaftsverändernde Macht von Peer-Production noch viel größer ist als wir zu hoffen wagten und am Ende unsere schlimmsten Befürchtungen übertrifft? Auch am Wochenende hatten wir ja einmal eine hitzige Diskussion angesichts Christians Vorschlag eines „Universial Production Sets„, ob man normative Kriterien für die Peer-Produktion braucht. Landen wir ohne sie bei der dunklen Seite der Macht? Landen wir mit ihnen in der Ohnmacht? Was ist mit dem oft konservativen Impetus von Gemeinschaften? Führt eine „die passen nicht zu uns“-Gemeinschaft am Ende gar zu neuen Vernichtungsideologien? Ist Offenheit ein hilfreiches Kriterium? Aber auch bei Al Kaida darf am Ende jeder mitmachen. Das macht ja eben genau einen Teil ihrer Stärke aus. Ich denke diese ganzen Fragen sind sehr dringend, und ich bin leider völlig ratlos. Deswegen übergebe ich an … die Gemeinschaft.

(Bildlizenz: CC-BY, Flickr Userin SMN)

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