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Streifzug-Review 6: »Wikipedia in der Krise«

Politik, ein Ding der UnmöglichkeitDie sechste Ausgabe [1] der Kolumne »Immaterial World« [2] der Wiener Zeitschrift »Streifzüge« [3] hatte Wikipedia zum Thema. Einige echte oder inszenierte Krisen hatten die bekannte Online-Enzyklopädie in Verruf gebracht. In der Kolumne plädierte ich dafür, das Neue der besonderen Produktionsweise der Wikipedia jenseits von Verwertungslogik und Demokratie in all ihrer Widersprüchlichkeit zu verstehen, zu verteidigen und zu verallgemeinern. Denn:

»Das Neue ist nicht nur einfach das Nicht-Alte. Ein Neues wird sich nur durchsetzen, wenn es die Lebensbedürfnisse der Menschen besser als das Alte erfüllen kann. Danach ist zu suchen.«

Die zahlreichen Kommentare zur Kolumne reichen vom Bestreiten einer Wikipedia-Krise über das Vertrauen in die »Selbstreinigungskräfte« auf lange Sicht bis hin zur Unterstellung, »hauptamtliche Stäbe« würden mißliebige Inhalte frisieren (am Beispiel des Artikels über Jörg Bergstedt [4], kritisiert vom Betroffenen).
Die in der Kolumne formulierte Kritik an der Befangenheit der Linken im »Widerstandsmodus« wurde mit dem Argument zurückgewiesen, dass ein »Gegen« nicht prinzipiell im Alten verhaftet sein muss, sondern auch für ein durch das Alte blockiertes Neues stehen kann. Ziel müsse es sein, Widerstand mit Visionen zu verbinden.

Im Rückblick lässt sich sagen, dass die Wikipedia die in der Kolumne als Indiz für die Krise genannten Fälle gemeistert hat. Wesentlich stärker in den Fokus gerückt — und hier setzt inzwischen auch die konservative Kritik an — sind die zum Teil noch nicht erreichte durchgängig hohe Qualität der Artikel. Zwar zeigen Tests wie kürzlich erst wieder der Vergleich der Zeitschrift c’t (Ausgabe 06/2007), dass die Wikipedia qualitativ durchaus ebenbürtig ist (und quantitativ ohnehin meilenweit enteilt), doch die Herausforderung »Qualität« wurde angenommen.

Versuche, die Qualität mittels wiederinstallierter exklusiver Expertenzirkeln außerhalb der Wikipedia [5] zu steigern, haben vermutlich keine lange Lebensdauer. Doch können solche »Konkurrenzprojekte« nicht schaden, denn es ist durchaus sinnvoll unterschiedliche Möglichkeiten einfach auszuprobieren. Entscheidend ist, dass die Inhalte Frei bleiben und von allen genutzt werden können — auch in der Wikipedia.