Michael Heinrich über Kapitalismus, Krisen und „Profit ohne Ende“

In der aktuellen Jungle World ist ein Artikel von Michael Heinrich über den Kapitalismus und seine Entwicklungstendenzen erschienen. Unter dem prägnanten Titel „Profit ohne Ende“ stellt sich Heinrich u.a. der These entgegen, dass der Kapitalismus schon aufgrund der ihm inhärenten Tendenzen zwangsläufig seinem Ende entgegen würde, wie es vor allem im Umfeld der gespalteten Krisis/Exit-Gruppe gern propagiert wird:

Prosperität und Krise wechseln sich im Kapitalismus beständig ab, doch stehen hinter diesen Aufs und Abs Tendenzen zur Ausdehnung wie auch zur Weiterentwicklung des Kapitalismus, die noch längst nicht an ihr Ende gekommen sind. […]

Aber auch bei Teilen der etwas radikaleren Linken beherrscht die Wirtschaftswunderzeit die Wahrnehmung, gilt ihnen die Entwicklung seither doch als Absturz in Richtung Endkrise oder zumindest als Niedergangsphase des Kapitalismus – als sei es jemals die Bestimmung des Kapitalismus gewesen, Vollbeschäftigung und Wohlstand unters Volk zu bringen. Krise und Arbeitslosigkeit sind keineswegs Zeichen kapitalistischen Niedergangs, sondern kapitalistischer Normalität. […]

Für das Kapital mag im 21. Jahrhundert alles Mögliche knapp werden, billige Arbeitskräfte werden nicht dazu gehören. Die Mehrwertrate wird weltweit zunehmen – der »relative« Mehrwert steigt mit der technologischen Entwicklung, der »absolute« Mehrwert mit der Verlängerung der Arbeitszeit und/oder der Senkung der Reallöhne.

Auch die eventuelle Möglichkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens, das so manchem als „Einstieg in den Ausstieg“ aus dem Kapitalismus erscheinen mag, wird von Heinrich in die kapitalistische Realität einsortiert:

Die Unterschiede werden nicht nur innerhalb sondern auch zwischen den Ländern zunehmen. Armut wird in Westeuropa auch in den nächsten Jahren noch etwas anderes bedeuten als in den Elendsquartieren der Schwellenländer. In Ländern wie Deutschland werden die überflüssigen Arbeitskräfte vielleicht durch ein »bedingungsloses Grundeinkommen« über Wasser gehalten werden: ein Einkommen auf dem Niveau von Hartz IV, bei dem die aufwändige »Bedürftigkeitsprüfung« wegfällt und mit dem dann der Abbau aller weiteren sozialstaatlichen Leistungen gerechtfertigt wird.

Heinrich geht es, hier wie anderswo (z.B. in seiner IMHO sehr lesenswerten Einführung ins „Kapital“), um ein besseres Begreifen des Kapitalismus – Keimformen einer eventuellen postkapitalistischen Gesellschaft sind sein Thema nicht. Doch seine Analysen machen klar, dass der Kapitalismus keineswegs selber an dem Ast sägt, auf dem er sitzt, und dass sich Keimformen einer künftigen Gesellschaft nicht bereits aus der Weiterentwicklung der kapitalistischen Produktionsweise selbst ergeben.

Der Kapitalismus überwindet sich nicht selber und arbeitet auch nicht seiner eigenen Aufhebung zu. Wenn er eines Tages überwunden wird, dann weil die Menschen dies so wollen, nicht aufgrund irgendwelcher ihm inhärenten Tendenzen.

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